Wettbewerbsvorteile von Schwerhörigkeit habe ich ja schonmal erwähnt. Aber was braucht es eigentlich wirklich für allerhöchste Führungsaufgaben? Und was davon bringe ich von Haus aus mit?
„Das musst Du dir angucken“, dachte ich mir darum als die Ankündigung ins E-Postfach flatterte: Zuhören als leadership skill — ein Workshop, der Studenten der amerikanischen Elite-Universität, die z.B. Barack Obama besucht hat, das notwendige Handwerkszeug für ihre späteren Heldentaten vermitteln soll. Wollen doch mal sehen wie in Harvard Zuhören gelehrt wird! Und ob ich mir da noch ne Scheibe abschneiden kann. Denn ich gelte ja als guter Zuhörer. Meine Bemühungen, was zu Verstehen, geben den Leuten das Gefühl, dass ihnen zugehört wird.
Also nichts wie hin — der Not quite like Beethoven-Test nach dem Klick!
Gleich zu Beginn wurde ich darauf eingestimmt, dass gutes — und das hieß dort: tiefes — Zuhören, nur durch Loslassen möglich würde, die Bereitschaft, Gefäß sein zu wollen für alles was der andere anbietet. Jedes Bedürfnis, den anderen zu ändern, müsse komplett aufgegeben, alles was wir zu wissen glaubten, müsse uns fremd werden. Au weia, dachte ich. Auf soviel Trommelgruppe war ich nicht vorbereitet. Allerdings hat keiner der anderen etwa 15 Teilnehmer auch nur mit der Wimper gezuckt. Dafür sind die Leute hier vielleicht auch zu professionell-höflich.
„If you want to be a leader“, schärft uns die Kursleiterin ein, „you have to listen.“ Und das würde sich auch für die Ambitionierten unter uns lohnen: „Good listeners get listened to.“
Zunächst erkunden wir unsere Gefühle beim Zuhören, wie sich jemand beschwert. Auf einem Formular sollen wir zählen, wie oft wir dabei das Bedürfnis verspüren zum a) Beruhigen oder Besänftigen, b) Korrigieren, c) Ablehnen und d) Erteilen eines Ratschlags/Vorschlagen einer Lösung. Der mißbilligende Blick der Elite lastete auf mir, nachdem ich berichtet hatte, dass ich weder weder Bedürfnis nach Besänftigen, Korrigieren, Ablehnen noch Rat Erteilen gefühlt hatte. Sondern einfach nur damit beschäftigt gewesen war, zu verstehen was meine Partnerin sagte. Alle anderen hatten eifrig notiert. Und Regungen hatten sie jede Menge: „Dreimal Beruhigen, einmal Korrigieren und einmal Vorschlagen einer Lösung.“ „Ich hab mich zurückgehalten, aber dabei fühlte ich mich nicht wohl. Tief im Herzen hab ich zweimal das Bedürfnis gehabt, zu beschwichtigen!“ Ich notiere mir geistig: Nur Zuhören bringt’s hier nicht. Nicht-Beschwichtigen und Nicht-Verbessern sind auch keine Lösung.
Dann übten wir Nachfragen Stellen. Ein Heimspiel für mich! Bin’s ja gewohnt, erstmal Fragen zu stellen, bevor ich der Meinung bin, was verstanden zu haben. Ich musste mir nur ein paarmal auf die Zunge beißen, nicht „warum?“ zu fragen. Denn das, so lernten wir, verursache beim Gegenüber das Gefühl, sich verteidigen zu müssen — und das Gespräch lieber beenden zu wollen. Besser sei zu fragen: „Und was ist hieran das wichtigste? Was würde das für Dich möglich machen?“ Sehr amerikanisch, dachte ich. Vielleicht aber auch: Sehr deutsch, dies amerikanisch zu finden. Denn durch diese Fragen fand ich mich sehr schnell in einem angenehmen und interessanten Gespräch wieder.
Fazit: Auch wenn das Seminar so hieß — Zuhören auf Harvard-Art heißt eher: Zum Sprechen bringen. Darin allerdings sind Schwerhörige geübt, eine Stärke, auf die man bauen kann. Und obwohl mir der Beginn als Selbsterfahrungsgruppe immer noch sehr merkwürdig vorkommt, ist konstruktiv Nachfragen doch ein simpler, wirksamer Tip — ob nun schwerhörig oder nicht. Probiert’s also mal aus! Und sagt Bescheid wie’s funktioniert!
ich hab dich in meiner blogroll verlinkt, ich hoffe das ist in ordnung.
herrlicher blog!
Das ist sogar ganz doll in Ordnung – freu mich! Danke schön.
ja klar,anders gehts ja nicht…mache ich tagtäglich
Schön. 🙂 Das was jetzt genau?
Ja, genau,ich kenne das gut von mir, dass mir beim Zuhöre immer gleich was einfällt und ich den starken Drang habe, dem Gegenüber ins Wort zu fallen. Muss ich mal probieren, wie es anders geht. Danke.Grüssele Dorena