Augen, der Spiegel der Seele? Ach was!

Ich finde, Lippen werden total unterschätzt. Augen, der Spiegel der Seele? Bah. Ich meine: Viel verräterischer ist doch der Mund. Bis etwa dreißig mag man ja vielleicht noch darüber diskutieren können. Doch spätestens ab da hat jeder deutlich den Mund den er oder sie sich verdient hat. Oder sollte ich sagen: erarbeitet? Heruntergezogene oder verschmitzte Mundwinkel, verkniffene oder entspannte Lippen. Die Haltung, mit der man das Leben nimmt, hinterläßt ihre Spuren.

Dass ich das denke ist natürlich wieder so ein Hörbehindertendingens. Münder spielen in meinem Leben einfach eine große Rolle, sie stehen im Zentrum meiner Wahrnehmung. Das sieht man auch daran, dass ich sogar von manchen meiner besten Freunden die Augenfarbe nicht genau kenne. Die Münder der allermeisten Menschen aber würde ich aus Tausenden wiedererkennen. Ich kann daran ganz kleine Stimmungsschwankungen ablesen. Und ich reagiere auch selbst sehr emotional auf Münder und wie ihre Besitzer damit umgehen.

Wie wichtig Lippenlesen für mich ist, was damit an Unannehmlichkeiten verbunden ist, und dass ich darum ne Brille zum Hören brauche, habe ich ja schon berichtet.

Stimmt Ihr mir zu?

33 Antworten zu “Augen, der Spiegel der Seele? Ach was!

  1. Stimmt, aber ich breche trotzdem eine Lanze auch für die Augen! Augen wie Dolche, schokoladenbraune Augen, große Augen, Sophia Loren-Augen, Roland Koch-Augen… you name it, Mr not quite like Beethoven.

    Ist ja auch gar nicht so unähnlich, mit dem Mund und den Augen. Du willst Falten? Bitteschön: Eher (Zornes-?)Falten zwischen den Augenbrauen, (Grübel-?)Falten auf der Stirn oder welche vom Dauerlächeln oder anteilig in Kombination – kann man auch ganz schön viel sehen, oder? Und erst, wenn man beides zusammen anguckt!

  2. Das sagst Du jetzt alles nur aus Trotz, oder? Sowas versöhnliches… 😉
    Na gut, ich gebe zu: Auch ich stehe auf schöne Augen! Roland-Koch-Augen?! Brrrr…

  3. Hihi! Stimmt, Roland-Koch-Augen sind einfach der Hammer, oder? Ein besseres Synonym für „Augen-die-einen-gruseln-machen“ ist mir zumindest auf die Schnelle nicht eingefallen. Hast Du ein ähnlich gruseliges Äquivalent bei Mündern?

  4. the fräänk

    Na, ich nehme mal an: Roland Koch.

  5. Hahaha, ja. Und einen Französischlehrer von mir aus der Mittelstufe. Aber den kennt ja hier keiner…

  6. Das Auge bei TATORT Filmvorspann und ich erinnere mich noch an Sandokan. WOW!
    Menschenskinnnnnner
    Mein Mathelehrer kam nach der Reserve ohne Bart, d.h. schwarze Haare, dunkle Augen, braune Wangen und darunter der schwarze 5Tagebart war nackte weiße Haut. Ö – vor allem die Mädels waren geschockt.
    Oder dieser Megafilm mit der Titanic. Der Kunstgriff ging durch das Auge der alten Dame in die Erinnerungen des Untergangs. Der Film ist Geschmacksache, aber die technische Umsetzung duchaus interessant wie bei Shrek.
    Der Esel … und genug für heute …

  7. Servus ^_^

    Das mit dem Mund bzw denAugen liegt auch in der Mentalität begründet. Sieht man zB sehr gut an den Smileys im I-Net.

    Als Bp. mal zwei Smileys die das gleiche (in diesem Falle Erstaunen oder Verwunderung) ausdrücken:

    in Japan O_O
    oder
    😮 in der westlichen Welt.

    Greetz ~_^

  8. Die unterschiedlichen Smileys find ich auch interessant. Angeblich soll aber die Augenbetonung der Asiaten (wer auch immer das genau ist) dazu führen, dass sie die Mimik von Angst nicht gut von Überraschung, die von Ärger nicht gut von Abscheu unterscheiden können.

  9. Da ist absolut was dran!

  10. Ich bin einfach ein Fan von lebensbejahenden Augen und Mundwinkel, die das gleiche zeigen!

  11. Da stellt sich mir die Frage: Was ist eigentlich mit denen, bei denen oben und unten völlig entgegengesetzte Eindrücke vermittelt? Hoffungslos, borderline oder vom Leben gebeutelt, aber nicht gebeugt?

  12. Etwas grundsätzlich über weit verbreitete Irrtümer und Vorurteile:
    Die optische Erscheinung eines Menschen hat nichts mit seinen
    charakterlichen und intellektuellen Eigenschaften zu tun.
    Roland-Koch-Augen und Lippenformen (dick, dünn, etc) sind genetisch
    vorgegeben. Im Lauf des Lebens können alle möglichen Einflüsse und
    überstandene Krankheiten das Aussehen von Augen, Lippen und anderen
    Gesichtsmerkmalen negativ verändern.
    Mit charakterlichen Eigenschaften haben solche Veränderungen im
    Gesicht nichts zu tun.
    Warum fallen soviel Frauen auf Heiratsschwindler mit schönen Augen rein?!
    Oder warum fahren soviel Männer auf Frauen mit „Angelina-Jolie-Lippen“
    ab und merken erst nach ein oder zwei Jahren, das sie ein „Dummchen“
    geheiratet haben?!

  13. Es ist ja nicht so ganz ernst gemeint. Und klar, es ist keine eindeutige Sache. Dennoch würde ich sagen, dass es schon sowas gibt wie schwer erworbene Faltungen und Haltungen.

  14. nqlB, stimmt, im Leben durch harte Arbeit, Schicksalschläge, etc
    erworbene Falten, Narben, krumme Haltung etc, sind etwas ganz anderes
    als Vorurteile über genetisch bedingtes Aussehen.

  15. Der Mund ist sprachlich vielfaeltiger als die Auge. Kein Wunder mit den vielen freibewegenden Lippen-, Zungen- und Wangenmuskeln. Er ist sehr ausdrucksfaehig in der Gebaerdensprache, nicht nur lexikalisch unterstuetzend oder begleitend durch Ablesewoerter oder bestimmte Mundformen, sondern auch morphemisch (bedeutungstragende Wortteile), indem Verben und Substantive, dargestellt in den Gebaerden, modifiziert werden. Ein bestimmtes Mundbild oder Mundgeste zeigt an wie gross, klein, ungeheuerlich usw. ein Ding ist, wie ein Verb ausgefuehrt wird (schnell, nachlaessig, verbissen usw.). Dazu wird auch die Einstellung des Sprechers zum Gespraechsthema ausgedrueckt wie Freude, Zweifel, Missfallen usw. Also drei verschiedene linguistische Sprachebenen werden durch das kleine Ding wie der Mund uebertragen.

    BTW: Aber es gibt Gebaerdensprachen oder -benutzer, die ohne Mundbilder gebaerden. Der Mund dient dort hauptsaechlich zum Laecheln und einigen anderen Gefuehlen. Sie (ich denke vor allem an altere taube Schotten 1963, und aeltere taube Amerikaner) sind trotzdem zu meinem Staunen nicht weniger sprachgewandt.

  16. Noch eines:
    Der Spruch von der Auge als Spiegel der Seele zeigt Halbkenntnis vieler Hoerenden in visueller Kommunikation. Na ja, der Mund ist anderswie ueberbeschaeftigt und glaubt, nur die Augen widergibt Gefuehle (sprich „Seele“) oder den Sachverhalt, der in Worten nicht vollkommen oder wahr ausgedrueckt wuerde (Der Mund luegt, aber die Augen nicht!) .

  17. @ZeT
    die ^_^ und O_O druecken nur den Bereich der Augen aus. Der Mund ist dort nicht unterschiedlich angegeben. Augenbrauen oder die Augen selbst. Erstaunen wird stets durch Augenbrauen und grossen Augen geichzeitig uebermittelt. Bei den Japanern sind die hochgehobenen Augenbrauen insignifikant, waehrend andere das gleiche signifikanter als die Grossaugen ansehen.

    Die Smilie mit offenem Mund habe ich nie gesehen. Das Staunen wird m.E.n. selten mit offenem Mund angezeigt, eher mit den Augen und Brauen. Der offene Mund zusammen mit den Augen und Brauen stellt eher das Baffsein aus, was mehr als Staunen bedeutet.

  18. Zur Sommerzeit….. angelehnt an die Diskussion Auge vs. Mund:

    Mir fällt immer wieder auf, dass ich Leute, die eine Sonnenbrille tragen, schlecht verstehen kann. Dabei lese ich doch nur von den Lippen ab? Ich habe bemerkt, dass ich ich Menschen beim Lippenlesen in die _Augen_ schaue und nicht auf den Mund – und es macht mich wahnsinnig, mich mit Leuten zu unterhalten, die eine Sonnenbrille tragen und deren Augen ich nicht sehen kann. Ich weiss dann oft nicht, ob sie mich anschauen, mit mir reden. Vielleicht lese ich auch nicht nur vom Mund ab, sondern brauche mehr Informationen aus dem Gesicht, die durch die Sonnenbrille verdeckt werden.

    Jedenfalls ist es bei mir nicht so, dass ich mir Münder besser merken kann, als Augen. Ich würde sagen es ist ein Gesamteindruck des Gesichts, der bei mir abgespeichert wird, und den ich zum Ablesen betrachte…

  19. Hey Teddybär, ich sehe es ähnlich. 🙂

    Hinter Sonnenbrillen lassen sich authentische Gefühle gut verbergen.

    Manchmal sinnvoll, aber auch hinderlich bei der Interaktion (=Wechselwirkung).
    Obgleich je nach Sonneneinwirkung gewisse Blendungseffekte nerven könnten.

    Hallo Hartmut,
    wer beim Zahnarzt behandelt wurde hat unter Umständen tatsächlich einen merkwürdig verspannten Ausdruck.

    Schön, von Dir zu lesen. *Kompliment*

    Ja, die schon wieder … 🙂

  20. Hartmut: Wie stellst du dir die Taubblinde vor?

  21. Ja, die schon wieder

    Extra „Doof“ … :-))

    Vorab an alle Tierschützer [Plural]nachstehendes ist ein Scherz.

    Wie wohl eine Taube im Blindflug bei der Futtersuche aussieht?

    Wer weiß es?

    Kathy?

    Weiss gefedert in Friedensmission.

    ADE @ll

  22. Hartmut, sehr interessant, danke für die Ausführungen, wie der Mund beim Gebärden benutzt werden kann.

    Teddybär und Sanne, ich nehme mir vor, bald mal diesen Satz zu bringen: „Setz mal die Sonnenbrille ab, ich versteh Dich nicht!“

    🙂

  23. Kann jemand bitte mir den Ausspruch „Ja, die schon wieder“ aufklaeren. Worauf bezieht sich das „die“? Diese umgangsprachliche Floskel bekam nie zu meinem Gesicht.

  24. Auch ist es unbequem einem sonnenbrilletragenden beim Gebaerden zu verstehen. Man moechte unbedingt die Augen sehen. Auch die Augen und Brauen uebermitteln linguistishe Inhalte.

  25. Taubblinde bekommen sprachliche Inhalte von den gebaerdeden, fingerbuchstabierenden oder lormierenden Haenden. Wenn nicht GS-kundig, dann nur durch Braille. Dolmetscher fuer diesen Personenkreis muessen die Technik des „von-Gesicht-auf-Haenden-Uebertragens“ lernen.

    Nonverbale Teile der Sprache muessen ihnen extra durch Modulationen in den Gebaerden oder zusaetzlichen Gebaerden ueberbracht werden. Gebaerdensprechende, wenn im spaeteren Lebnsalter erblindet, koennen die nicht erfassten nonverbalen Anteile aus ihrem Sprachkenntnis und -Erfahrung, erworben vor der Erblindung, meistens rekonstruieren.

  26. Pingback: “Ich entschied, ihnen nicht in die Augen zu sehen…” | Not quite like Beethoven

  27. „Ab 30 hat jeder den Mund, den er sich verdient hat“ … Chapeau für diesen wahren Satz. Sollte sich jeder merken und drauf achten. Ein Mund verrät alles.

  28. Pointiert getroffen, ich hatte diese Intuition auch des öfterem im Spazieren durch die Fußgängerzone. Und bei der Gelegenheit ein großes Kompliment für deinen Blog, der meinem Mund definitiv gut getan hat. Dabei fundiert argumentiert, und zwar so, dass auch ich als Hörender gut mitkomme. Danke!

  29. *Edith sagt: da fehlt noch ein „Flott“ schöner Ausdruck, btw 😉

  30. Für mich als schwerhöriger Aspie, spielen Augen noch weniger eine Rolle. In Augen zu gucken ist für mich ungefähr so toll wie in die Sonne gucken ohne Sonnenfinsternisschutzbrillle. Allerdings kann intensive Mundbeschau auch falsch vestanden werden hehe… DGS ist leider für mich auch nur rätselhafte Abfolgen vom Gesten,die mich beim Lippenlesen behindern wenn vor dem Mund rum gebärdet wird. Tut mir leid liebe Gehörlose ich hab mir echt Mühe gegeben DGS zu lernen, mein Hirn besitzt die dazu erforderlichen Verknüpfungen scheinbar nicht. Da merke ich wo der Unterschied zwischen Hörschädigung und Autismus ist. Irgendwie wird Schwerhörigen ein gewisses Maß an seltsamen Verhalten zugestanden, sodass es ziemlich lange gedauert hat bis WaszumGeierstimmtnichtmitdir einen Namen hatte. Es war echt frustrierend wenn selbst die Gesellschaft anderer Schwerhöriger dir das Gefühl gibt du wärest von einen anderen Stern als sie oder Leute an dir rumgemeckert haben, du würdest sie nicht angucken, wie das in den Richtlinien für schwerhörigentypischen Verhaltens steht. Oder wie wäre es mit: Frau/Herr xy hat auch Hörgeräte und benimmt sich nicht so… Da bleibt mir die Spucke weg.. Das ist genauso doof wie die Konsorten die schwerhörig mit geistig behindert verwechseln, weil ich es nicht gleich verstehe. Dabei ist es doch einfach: Schreib es auf, wenn du ganz sicher gehen willst. Deswegen habe ich den AG gewechselt, weil der mir schlicht weg einfache Kommunikation verweigert hat. Nix aufgeschrieben, keinen Schriftdolmetscher für wichtige Gespräche, stattdessen mich als doofen Trottel hingestellt, der dann vom hörenden Begleiter in nachhinein aller erläutert bekam. Die Lebenshilfe sollte sich in Lebensbehinderungshilfe umbenennen, dann wäre der Titel wenigstens korrekt. Wir waren doch schonmal weiter in der Barrierefreiheit….

  31. In der Tat. Das klingt nach ein paar echt engstirnigen Gesellen, mit denen Du da leider zu tun hattest. Hoffe, das bleibt micht so! Viele Grüße!

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