Zuhören, nichts verstehen, trotzdem jaja sagen. Und schon ist die kleine Katastrophe eingeleitet – manchmal auch die große. Jeder Schwerhörige kennt das. So beginnt auch David Lodges neues Buch Wie bitte? — Desmond Bates, schwerhöriger und darum frühpensionierter Linguistikprofessor, verpaßt eine Verabredung, von der er nicht einmal wußte, dass er sie hatte.
Verunsichert, aber auch geschmeichelt, weil ihm das Leben sowohl beruflich als auch ehelich entgleitet und doch eine hübsche junge Frau Interesse entgegenbringt, willigt er ein, sich bei ihr zu Hause zu treffen — wo sie ihn bittet, ihre Doktorarbeit zu betreuen und ihm ihre Unterwäsche in die Tasche steckt. Der Professor ist entsetzt und fasziniert. Nachdem er die erste Möglichkeit verpaßt hat, sieht er keine Möglichkeit mehr, seiner Frau davon zu erzählen. „Deaf and the maiden, a dangerous combination“ — notiert er. Leider erweist sich die Dame nicht nur als sexy sondern auch als äußerst instabil, launisch und anstrengend. Als er sich beschwert und die Bekanntschaft abbrechen will, bietet sie ihm an, ihr den Po zu versohlen.
Es ist ein Buch über Beziehungen und wie sie von Schwerhörigkeit beeinflußt werden, zwischen Desmond und seiner Frau Fred, Desmond und der jungen Alex, schließlich Desmond und seinem greisen Vater. Es steckt viel gute und rührend aufgeschriebene Beobachtung darin — über die Vereinsamung und Verkauzigung von Schwerhörigen, die Empfänglichkeit alternder Männer, die Dynamik einer Ehe, in der die Frau erfolgreich wird. Über die Schwierigkeit und Belastung für Hörende, mit schwerhörigen Partnern umzugehen. Und über die Sorgen mit altgewordenen und schließlich sterbenden Eltern.
Ein gutes Buch, um jemand vor Augen zu führen, wie Schwerhörigkeit ist. Man kriegt zum Beispiel gut mit, wie verletzend, gar erniedrigend es ist, wenn Gespräche, nach einigen erfolglosen „wie bitte“s einfach abgebrochen werden müssen. Die Geschichte startet gut und spannend, jedenfalls wenn man sich für Romane begeistern kann, in denen die Handlung eher in den Beziehungen als in äußerer Action liegt. Leider aber verliert sich die Geschichte ungefähr ab der Hälfte des Buches. Und hört irgendwann einfach auf. Es gibt keine Entwicklung in den Charakteren. Das war jedenfalls mein Eindruck – und deswegen ist mein Urteil am Ende dieser Rezension: sehr interessant, aber leider nur halb spannend.
Persönlich kann ich festhalten: Desmond ist kein sehr einnehmender Protagonist. Ein bißchen eingebildet, schrullig. Und er geht nicht sehr souverän mit seiner Behinderung um. Darum war es eher unangenehm festzustellen, in wie vielen Hinsichten ich ihm ähnele. Genau insofern aber, ist es auch ein motivierendes Buch. Denn: Wie man mit dem umgeht, was Lodge im Originaltitel so anspielungsreich Deaf Sentence nennt, die Taubesstrafe, die charakterischen Umstände und Empfindungen eines Ertaubten, darüber kann man zum Glück immer noch ein bißchen selbst entscheiden.
Notiz am Rande: Ich habe das Buch auf englisch gelesen. Die deutsche Übersetzung kann ich also nicht beurteilen. Sauschwer wie der Titel zu übersetzen ist, finde ich den dt. Titel jedoch schon mal wenig vielversprechend.
Kennt jemand das Buch? Was haltet Ihr davon? Lest Ihr sowas?
Christiane Krauses Schwerhörigkeits-Reiseerzählung „S wie Beethoven“ hab ich hier besprochen.
Oh, da geben Sie mir ja Gelegenheit für einen Widerspruch! Ich finde nicht, dass das Buch irgendwann einfach aufhört. Ich hatte eher den Eindruck, Desmond sich mit seinem Schicksal aussöhnt. Ohne Drama. Einfach so. Aber belegen könnte ich das jetzt nicht. Ist eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe.
Die Unausweichlichkeit sieht er — aber damit abfinden oder gar aussöhnen? Leider ist es bei mir jedoch inzwischen auch so lange her, dass ich nichts mehr konkret genug weiß um zu diskutieren. Schade.