Perlen, manchmal sind es einfach nur Perlen, die da in der U-Bahn spielen. Ich erinnere mich an einen traumhaften Sänger, dessen Stimme mich in Boston, noch nicht ganz wach, auf dem Weg zur Arbeit mitnahm und den ganzen Tag begleitete. Oder dieser sichtbar kaputte Charakter aber begnadete Gitarrist in Berlin, wie Emmet Ray aus Sweet and Lowdown, toller Film übrigens. Manchmal macht einfach auch das Zusehen Spaß — ich könnte wetten, dass das bei den beiden Kollegen auf dem Foto der Fall war.
Je schlechter ich höre, umso weniger habe ich davon. Wenn ich jetzt in Gedanken versunken bin und nicht hinsehe, dann merke ich manchmal nicht einmal, dass am anderen Ende des Wagens jemand begonnen hat zu musizieren. So laut und dominant ist durch das Hörgerät das Rattern und Heulen der Bahn. Dazu vielleicht noch das Geräusch der Unterhaltung direkt neben mir. Wenn ich also nicht direkt daneben stehe, habe ich sowieso nichts mehr davon. Und selbst dann eigentlich nur, wenn es eine gute, laute Stimme ist oder eine laute, prägnante Melodie — die die Automatik des Hörgeräts ein bißchen aus dem Störschall herausfiltern kann. Gitarre, das Lieblingsinstrument aller Straßenmusiker, geht eigentlich gar nicht.
Viele dieser Musiker wollen sicher nicht betteln. Man gibt für ihre Musik. Aber was soll ich tun, wenn ich ihre Musik nicht einmal hören kann? Wäre es nicht eine Beleidigung, wenn ich sie zum Bettler mache? Oder wenn sie mich nur nervt, weil sie für mich nichts als Lärm ist? Klar, niemand weiß, aus welchem Grund ich gebe oder nicht gebe. Aber unwohl fühle ich mich jedesmal. Schließlich muss ich auch immer die Blicke dessen aushalten, der schaut ob ich geben möchte — oder wie die meisten, den Blickkontakt einfach vermeiden. Früher habe einfach gegeben, wenn mir die Musik gefallen hat, soll ich jetzt anhand der Kleidung entscheiden?
Ich habe auch das Gefühl, dass das meiste was mir in letzter Zeit so begegnet, schnelles und liebloses Heruntergeschrammel und ein bißchen Rumgesinge ist. Manchmal sogar noch mit einem kleinen, leicht verwahrlost aussehenden Kind dabei, das Geld einsammeln darf. Die Türen gehen zu, der Lärm geht los, nach 20 Sekunden soll man zahlen und nach 30 ist alles vorbei, weil an der nächsten Station schon wieder ausgestiegen wird. Das ärgert mich manchmal maßlos, ich finde das eine Zumutung: Für mich ist das Lärmbelästigung. Vor allem wenn mir dann noch fordernde bis vorwurfsvolle Blicke begegnen. Und das mit den Kindern…!
Am besten gefällt mir, und davon habe ich dann im Idealfall auch was, wenn sich Leute über zwei oder drei Stationen Zeit nehmen. Auch die Strecke sollte gut gewählt sein — manche Linien oder Streckenabschnitte sind einfach zu laut. Letztens zum Beispiel war da so ein junger Typ, der auf einem dieser kleinen Omi-Einkaufswägen einen Verstärker hinter sich herzog. Er hatte also Bass, Gitarre und Gesang. Das war alles laut genug und hob sich vom Fahrgeräusch ab. Wunderbar. Den hätte ich gern noch ein bißchen länger gehört….
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie handhabt Ihr das? Gebt Ihr — und wenn ja wofür?
In Fußgängerzonen habe ich schon ein paar Gute gehört, aber aus U-Bahnen kenne ich bisher auch nur das lieblose Geschrammel. Deshalb habe ich denen bisher auch noch nichts gegeben.
Ich bin allerdings auch ein ziemlicher Geizknochen; bei den guten Musikern ist es dann meistens meine Freundin, die mich überredet, was zu geben.
Die überredet eher Dich, als das sie’s selber macht?
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Strassenmusiker mag ich ganz gern und wenns dann Michael Hirte wär… Hier bei uns sind`s manchmal Musikschüler, echte Vagabunden habe ich nie gesehen. Eh – stimmt nicht, in Bayreuth echte Zigeuner oder Roma, was nicht abwerten soll.
In der Bahn mag ich das garnicht. Eher bin ich auf so engem Raum genervt. Wenn ich was geben möchte sprech ich dass kurz mit meiner Begleitung ab. Charmant oder nicht – was meinst nqlb?
*grübel* Meine letzte U-Bahnfahrt war im November 2009 in Berlin. Ich bin mit der U2 vom Kaiserdamm bis Alexanderplatz gefahren und irgendwo dazwischen stiegen Akkordeonspieler ein und spielten über mehrere Stationen (frag mich bitte nicht welche, das weiß ich nicht mehr), denen hab ich was gegeben. Es hörte sich für mich, damals noch mit zwei Hörgeräten gut an.
Später im Walden in der Choriner Str. als der Novembertolkienstammtisch Berlin im voller Gange war, tauchte auch ein Akkordeonspieler auf, der nervte mich im Gegensatz zu dem in der U-Bahn gewaltig. Erstens hab ich den kaum gehört und zweitens war es eh schon laut genug und drittes wollte ich gern hören was gesprochen wurde und viertens hat der Akkordeonfritze alles schlimmer gemacht. Das Walden hatte einen Gastraum vorne und ein kerzenbeleuchtetes ( Nein , ich lüge nicht! Ehrlich, da waren nur Kerzen!) Hinterzimmer in dem wir hockten, das Hinterzimmer war nicht vom Gastraum vorne durch ne Tür getrennt, also kam der ganze Krach den die vorne machten ungehindert zu uns reingeschwappt. Hinter unserem Tisch lagen die Toiletten und ein Raum mit einem Billard . (Anmerkung am Rande: Schon mal nachts um 1 Billard gespielt ? *g*) Solange der Akkordontyp nicht spielte, gings ja noch, war zwar schwer aber ging… Das Walden ist halt akustisch schwierig und die nur Kerzenbeleuchtung ging auch da über mir Kerzen waren, die die Gesichter anleuchteten und ausgegangene Kerzen regelmäßig ersetzt wurden.
Mein kleiner Trost war, dass der Rest der Stammtischler den Akkordeontypen auch nicht erfreulich fand. Geld geben hat keiner, mich eingeschlossen.
Das Hinterzimmer gehört nicht mehr zum Walden, von daher ist dieses Kapitel Geschichte.
Oh ja, über an den Tisch kommende Musiker hab ich mich auch schon öfter gefreut.