Nur wer schreibt, der bleibt? Braille, Schrift und Gebärdensprache

Hören und Sprechen ist  kein Lesen und Schreiben. Und zwar auch dann nicht wenn es Geschriebenes ist, das man hört, oder wenn das Gesprochene niedergeschrieben wird.
Heute viel über ein sehr spannendes Stück aus der New York Times nachgedacht: Was es bedeutet, wenn immer weniger blinde Menschen Braille-Schrift  lesen. Das hat mich an Gebärdensprache erinnert — mir fiel auf, wie sehr sich das, was man vielleicht die Emanzipationsgeschichte der Blinden nennen kann, von der der Tauben und Gehörlosen unterscheidet.

In den USA sollen weniger als 10% der rechtlich als blind geltenden Menschen Braille-Schrifft lesen können. Glaubt man dem Artikel von Rachel Aviv, ist die Zahl umstritten, nicht aber der Abwärtstrend. Statt (Braille) zu lesen nutzen immer mehr blinde Menschen die vielen Möglichkeiten, sich vorlesen zu lassen. Und Schreiben erledigen sie vorwiegend per Diktat. Sprachausgabe und Spracheingabe per Computer ersetzen die teuren und unhandlichen Braille-Ausgaben.

Das Problem ist, so der Artikel: Dieses mündlich vermittelte Lesen und Schreiben produziere faktisch Analphabeten. Teilweise durchaus schlaue, aber trotzdem Analphabeten. Menschen, die nur sehr schlecht lesen und schreiben können. Und die die entsprechenden Folgen tragen müssen.

Dem Artikel zufolge war bisher die Emanzipationsgeschichte der Blinden aber gerade eine Geschichte ihrer Fähigkeit zu Lesen. Wie behindert oder unabhängig blinde Menschen waren und welche Möglichkeiten sie hatten, hing ganz wesentlich davon ab, ob sie mit dem geschriebenen Wort umgehen konnten oder nicht. Die Leistung von Braille im 19. Jahrhundert bestand darin, blinde Menschen aus der rein mündlichen Kultur zu lösen. Woraufhin diese nicht nur bildungstechnisch sondern auch massiv Sozialstatus gewannen! Auf einmal konnten Blinde viel mehr Arten von Aufgaben übernehmen und Tätigkeiten ausüben.

Ganz anders die Emanzipationsgeschichte der Tauben und Gehörlosen. Sie ist eine Geschichte der Gebärdensprache. Und die ist genauso flüchtig und in die Lüfte entschwindend wie das gesprochene Wort. Von bleibender Schrift, Lesen und Schreiben ist da eigentlich nie die Rede.

Warum auch, dachte auch ich früher, sehen können Hörbehinderte ja (wenn sie nicht zusätzlich blind sind jedenfalls).  So war es eine große Überraschung für mich festzustellen, dass Schrift für gehörlos Geborene und frühzeitig Ertaubte richtig schwierig ist. Das schriftliche Erfassen und Verfassen von Sachverhalten, Geschichten und Gedankengängen liegt vielen, vielleicht sogar den meisten von ihnen nicht. Ja, dass teils sogar überhaupt viel Text abschreckend ist. Weil Schrift die Schrift der Lautsprache ist, zu der sie keinen oder nur schlechten Zugang haben. Es ist natürlich möglich, lesen und schreiben zu lernen ohne die Worte zu sprechen — aber ungleich schwieriger.

Kurz, der NY Times Artikel hat mich wieder daran erinnert, was ich in den ganzen Diskussionen um taube und gehörlose Kinder und Gebärdensprache vermisse (hier im Blog z.B. hier, hier, hier und hier): Was ist eigentlich mit der Schrift? Klar, es gibt genug Hörende, die auch kaum mehr als die Bild-Zeitung lesen (können) und kaum mehr als Kurznachrichten schreiben (können).
Aber ich denke bei Hörbehinderten spielt solche Kompetenz nochmal eine ganz andere Rolle. Gebärdensprache, also gerade das, was sie ausbrechen läßt aus der lautsprachlichen Welt, in der sie ständig nur benachteiligt sind, ist ja eine schriftlose Lebensform. Im Unterschied zu Braille führt Gebärdensprache nicht heraus aus der schriftlosen Kultur, sondern hinein. Entsprechend spielen Schrift, Texte und Bücher bei vielen Gehörlosen kaum eine Rolle. Und durch elektronische Kommunikation wird es auch für Taube und Gehörlose immer einfacher, auch mit Abwesenden nichtschriftlich zu kommunizieren (bei Blinden durch Sprachausgabe/-eingabe, bei Gehörlosen durch Videofunktionen).
Wie kriegt man es hin, dass die Hinwendung zur schriftlosen Gebärdensprache keine Abwendung von der Schrift mit den entsprechenden Nachteilen bedeutet? Kann es doch zu viel Gebärdensprache geben? Oder überschätze ich die Bedeutung nicht nur grundständiger Schriftkompetenz (weil sie für mich selbst so wichtig ist)?

[Nachtrag: Bitte auch die späteren Kommentare lesen, da kommen sehr interessante Hinweise!]

38 Antworten zu “Nur wer schreibt, der bleibt? Braille, Schrift und Gebärdensprache

  1. Mich überrascht das jetzt, da ich davon ausgegangen bin, dass für DGS-Muttersprachler auch die Schriftkompetenz ziemlich wichtig ist, da sie ja heutzutage die einfachste Kommunikationsmöglichkeit für Gehörlose darstellt.

  2. Pia Butzky

    Darüber habe ich noch nie nachgedacht.
    Tja, wie korrespondiert eigentlich (zum Beispiel) eine gehörlose Familie über Entfernungen hinweg miteinander, wenn auf dem Schriftweg nur unvollständige Schreibfähigkeiten vorhanden sind? Ich habe mir immer naiv vorgestellt, die Gehörlosen stehen eben auf Sichtweise zusammen und unterhalten sich nett mit Gebärden. Alles wunderbar soweit. Aber auch gehörlose Freunde oder Verwandte möchten gern in räumlichen Abstand miteinander kommunizieren, und sind auch auf Schriftsprache angewiesen – und spätestens dann müssen auch die extremsten, puristischen Verfechter der Gebärdensprache (Gehörlosenkultur) doch in die andere (ungeliebte) Sprachform wechseln. Oder?

    Und dieser Wechsel ist erheblich: Ganz anderes Vokabular, andere Grammatik, andere Rhetorik als in der Gebärdensprache. Wie schwer die Schriftsprache zu lernen ist, lese ich gelegentlich in den Texten von Hörbehinderten, die Lautsprache noch nie oder nie ausreichend hören konnten.

    Mich würde mal interessieren, wie Gehörlose die Schriftform für ihre eigene Verständigung einschätzen. Sie haben doch auch ein Bedürfnis danach, sich lesend zu verständigen, das geht doch gar nicht anders. (Bildtelephone oder Gebärdenvideos können ja nun wirklich keine Lösung für alles sein.)

    Und dann das große Gebiet der Bildung über Bücher, Zeitung, Textmaterialien. Auch ein Gehörloser hat doch ein BEDÜRFNIS danach, an Schriftsprache teilzunehmen. Und ist damit – schupps – in der Regelwelt der Lautsprache.

    Oder gibt es auch eine Art Schriftform mit „Pictogramm-Vokabular“ aus gezeichneten Gebärden?

    Fragen über Fragen.

  3. Ich müßte jetzt eigentlich eine Hausarbeit über den Abbau von Vorurteilen unter Berücksichtigung der Systemtheorie schreiben (brrr), aber ich mische mich hier mal ein und wühle mal in meinem Erfahrungsfundus:

    Ja, generell ist Lesen und die Abscheu von ‚zuviel Text‘ ziemlich verbreitet in der Gehörlosenwelt. Ich als Leseratte war in der Welt der Gehörlosen (im Internat z.B.) immer ein Kuriosum – die anderen Gehörlosen konnten nicht glauben, daß ich alles verstehen konnte, was da stand, und daß ich so schnell lesen konnte. Wenn ich hörend wäre, wäre das nur ein Hobby von mir gewesen, aber in der Gehörlosenwelt war das außergewöhnlich. Selbst heute noch werde ich damit aufgezogen (und es fallen immer noch Bemerkungen über meine Deutsch- und Englischkenntnisse – die für Hörende wohl gut sind, aber für Gehörlose überdurchschnittlich).

    In der Vorklasse der Kollegschule hatten wir eine Stunde die Woche ‚Literatur‘, und die Lehrerin fragte uns, wieviel Bücher wir bisher gelesen hatten. Ein Klassenkamerad sagte, „Ein oder zwei.“ Er war zu dem Zeitpunkt 18 oder 19, soweit ich mich erinnern kann. Ich glaube, ein anderer sagte sogar, „Keins.“

    Ich habe aber die Erfahrung gemacht, daß einige Gehörlose sich später – oft nach Beendigung der Schule – doch noch dem Lesen zuwenden (meistens sind es Frauen, Männer eher seltener) und sich gerne darüber austauschen. Eine Bekannte erzählte mir, wie eine andere Gehörlose, die auch gerne las, ihr mal von einem Buch erzählte. Meine Bekannte fand es so spannend und forderte sie auf, weiter zu erzählen, was die Gehörlose auch tat – bis sie kurz vor dem Ende stoppte und dann meiner Bekannten sagte, wenn sie wissen wolle, wie das Buch ausginge, sollte sie es doch selber lesen. Dadurch hat meine Bekannte dann selber (anfangs zähneknirschend) angefangen zu lesen, und ist dann auch dabei geblieben. 🙂

    Ich glaube, der Grund dafür ist, daß in der Schule das Lesen von den Lehrern immer wieder betont wird und die Materialien eben alle in der Schriftsprache sind, die für Gehörlose anstrengend zu verstehen ist, lehnen Gehörlose diesen Druck aufs ‚Lesenmüssen‘ ab. Aber später, wenn sie unabhängig von irgendwelchen Forderungen der Lehrer (und manchmal auch der Eltern…) sind, stellen sie fest, daß es auch Spaß machen kann – wie z.B. bei meiner besten Freundin.

    Um aber auf die Fragen von Pia Butzky zurückzukommen: ja, oft sind die Sprachkenntnisse rudimentär, aber oftmals ausreichend, um Informationen zu vermitteln; dafür bieten sich auch SMS in ihrer Kürze an. Man muß nicht exzellentes Deutsch schreiben, um verstanden zu werden. Manchmal merkt man da schon ein Abrutschen in die Grammatik der Gebärdensprache, aber wenn man damit bekannt ist, ist es leicht, sich den Inhalt verständlich zu übersetzen.

    Und lesen können die meisten Gehörlosen – oftmals nicht auf dem Niveau von gleichaltrigen Hörenden, aber oft ausreichend, um die wichtigsten Informationen zu verstehen. Sofern besteht für sie eigentlich nicht eine absolute Barriere zur Schriftsprachwelt, sondern nur ein eingeschränkter Zugang zu derselben. Gerade z.B. die Bild-Zeitung mit viel Bildern und wenig Text wird von Gehörlosen vorgezogen – es sind gerade die notwendigsten Informationen vorhanden, aus denen man Schlüsse ziehen kann, und die Bilder sind oft auch illustrierend genug. Natürlich verhindert dies nicht, daß auch Mißverständnisse entstehen – dies habe ich oft selbst mitbekommen. Aber durch die Korrektion anderer Gehörlose, die kompetenter waren, wurden diese oft richtiggestellt.

    Einmal gab mir eine Mitschülerin im Internat einen Brief ihrer Mutter und bat mich, ihn ihr in Gebärdensprache zu übersetzen. Sie war zwar imstande, die Wörter zu verstehen, aber sie in einen sinnhaften Zusammenhang zu bringen, das war zu anstrengend für sie.

    So ist es auch mit vielen Gehörlosen – einfache Texte oder Schlagzeilen bedürfen keiner großen Anstrengung, aber längere und komplizierte Texte hingegen sind oftmals Schwerarbeit. Daher gibt es in der Gehörlosenwelt oft Kofos (Kommunikationsforen), in denen einzelne Referenten über ein bestimmtes Thema (Diskriminierung, Arbeitsrecht, Bildung, Depression, Terrorismus, Menopause, was weiß ich noch mehr…), in dem sie sich auskennen, in Gebärdensprache referieren (oder wenn sie hörend sind, wird es in Gebärdensprache übersetzt) und dann können die Zuschauer selbst Fragen zur eigenen Verdeutlichung stellen. So können selbst komplizierte Themen ohne Zuhilfenahme von Schriftsprache Gehörlosen verständlich gemacht werden – und diese Kofos sind auch oft sehr gut besucht.

    Und nein, ein Pictogramm-Vokabular gibt es nicht. Die Vereinheitlichung deutschlandweit wäre zu umständlich und gar nicht durchsetzbar. Es gibt HamNoSys, das Hamburger Notationssystem, aber das ist eigentlich nur zur Transkription von Gebärden nützlich, nicht zur alltäglichen Kommunikation. Aber unter Gehörlosen gibt es Abkürzungen etc.; ein Tick z.B. ist das Ersetzen der vielen Formen von ‚mein(e,er,es…) durch das englische Wort ‚my‘. Dazu passend wird dann ‚dein(e,er,es…)‘ durch ‚dy‘ ersetzt. So wird die gefährliche Klippe der Deklinationen elegant umschifft. 🙂

    Jetzt aber genug mit der Prokrastination und zurück an die Hausarbeit! 🙂

  4. „Im Unterschied zu Braille führt Gebärdensprache nicht heraus aus der schriftlosen Kultur, sondern hinein“

    Ich bin NICHT einverstanden mit diesem Satz. Im Gegenteil, der beste Weg für Gehörlose in die Schriftkultur hinein läuft über die Gebärdensprache!

    Viele Gehörlose sind gerade deshalb so gut wie Analphabeten, weil sie oral unterrichtet wurden. Wie soll man die Feinheiten der Schriftsprache verstehen, wenn man vom Unterricht im besten Fall 30% mitbekommt, weil er oral stattfindet?
    Wenn der Unterricht allerdings in Gebärdensprache stattfindet und mithilfe der Gebärdensprache die grammatikalischen Feinheiten der Schriftsprache erklärt werden, ist der Zugang der gehörlosen Schüler zur Schriftsprache wesentlich vereinfacht.

    Wenn ich meine Gehörlosen Freunde mal der Reihe nach durchgehe, stelle ich fest, dass diejenigen, die schlecht schreiben und lesen oral unterrichtet wurden. Im Gegensatz dazu haben diejenigen, die gut lesen und schreiben, bilingualen Unterricht gehabt (das heißt mit Gebärdensprache). Und die beste Schriftsprachenkompetenz haben meist die Gehörlosen, die das Glück hatten, gehörlose Eltern zu haben, die ihnen die Feinheiten und Tücken der Schriftsprache lang und breit in Gebärdensprache erklärt hatten.

    Ist ja auch logisch. So funktioniert das menschliche Gehirn: wenn man eine neue Sprache erlernt, analysiert das Gehirn die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der neuen Sprache im Vergleich zur eigenen Muttersprache. Resultat: Je besser man die eigene Muttersprache kennt und deren Feinheiten verstanden hat, desto besser wird man die neue Sprache sprechen.
    Bei Gehörlosen ist das nicht anders: Je besser sie die Feinheiten und grammatikalischen Strukturen ihrer Muttersprache, der Gebärdensprache, bewusst kennen, umso leichter wird es ihnen fallen, die Schriftsprache zu erlernen. Umkehrschluss: wenn man ihnen die Gebärdensprache verwehrt, erzieht man Analphabeten.

    Als Beweis seien nur die zahllosen Gehörlosen erwähnt, die im 19. Jahrhundert dank des Unterrichts in Gebärdensprache genauso schriftsprachenkompetent waren, wie die Hörenden jener Zeit. Es gab sogar gehörlose Schriftsteller und Poeten (Laurent Clerc, Jean Massieu etc). Damals war Analphabetismus unter Gehörlosen überhaupt kein Thema. Das ist es erst geworden nach 100 Jahren Verbot der Gebärdensprache und damit einhergehendem Oralunterricht. Resultat: mehrere Generationen Gehörloser, die praktisch Analphabeten sind. Nicht, weil sie zu doof sind, sondern weil man ihnen den Zugang zur Schriftsprache verwehrt hat mit dem Verbot der Gebärdensprache.

    Das ist und bleibt natürlich das ewige Reizthema. Du schreibst, dass Texte und Bücher bei Gehörlosen kaum eine Rolle spielen. Stimmt schon, aber der Hauptgrund, warum Gehörlose Unterricht in Gebärdensprache fordern, ist gerade der bessere Zugang zur Schriftsprache. Erst gestern hat sich noch eine gehörlose Freundin bei mir beschwert, dass sie die Nase voll hat, Geschriebenes nicht richtig zu verstehen. Das ist ein Thema, über das Gehörlose immer wieder reden. Diese schreiende Ungerechtigkeit, nicht richtig lesen zu können und damit benachteiligt zu sein. Nicht weil sie zu doof sind, sondern weil das Bildungssystem einfach die Bedürfnisse von Gehörlosen nicht versteht.

    Lange Rede, kurzer Sinn: mein Fazit: Der beste Weg aus der schriftlosen Kultur hinaus läuft über die Gebärdensprache!

    Es gibt übrigens eine Gebärdenschrift:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Geb%C3%A4rdenSchrift

  5. Neens, bei allem Respekt für Deine Hausarbeit, wenn die Prokrastination immer so endet, dann freue ich mich schon auf die nächste 🙂 Hab vielen Dank für den langen Kommentar und dafür, dass Du Deine Erfahrungen und Einblicke teilst! Sehr spannend!

    Atchoum, Dir genauso vielen Dank für Widerspruch und Erläuterung, da wird einiges klar! Anhängen möchte ich nur zur Sicherheit noch, dass ich nicht andeuten wollte, Gebärdensprache mache doof o.ä. Sondern ich wollte, genauso wie Du ja antwortest, auf die praktischen Fragen hinaus.
    Was mir aber auch nach der Lektüre des Wikipedia-Artikels nicht ganz klar ist: Wird Gebärdenschrift im Alltag gebraucht benutzt? Meinst Du, eine von den verschiedenen Varianten setzt sich einmal durch?

  6. Ich möchte Atchoum voll zustimmen, es gibt auch umfangreiche Forschungen zu diesem Thema: Das Problem mit der Schriftsprache liegt *nicht* in der Schriftlichkeit, sondern in der insgesamt ungenügenden Sprachkompetenz (insbesondere durch überwiegend oder ausschließlich oralen Unterrricht).

    Übringes: Es gibt eine deutschsprachige Zeitschrift, die über all‘ diese Themen (auch wissenschaftlich) berichtet: „Das Zeichen“, siehe http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/ (Wenn man Mitglied in der Gesellschaft für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser e.V. wird, ist die Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten, ist auch nicht teuer, kann ich nur empfehlen)

    Und nqlb: Gebärdenschrift ist m.W. eine ‚künstliche‘ (das ist nicht abfällig gemeint), insbesondere für linguistisch-lexikalische Zwecke entwickelte Notation. Sie ist weder für den alltäglichen Gebrauch gedacht, noch glaube ich (zumal wegen technischer Schwierigkeiten, sprich: Zeichensätzen), dass sie sich je durchsetzen wird. Ich denke, sie ist eher mit phonetischer Transkription, der sogenannten „Lautschrift“ zu vergleichen.

    Ich wünsche allen einen schönen Sonntag!

  7. Frauke, dass es einen Haufen Forschung gibt, dachte ich mir schon. Hast Du zufällig noch was Zentrales im Kopf? Würd‘ mich freuen… Ich kenne bisher nur Padden/Ramsey: American Sign Language and Reading Ability in Deaf Children (auf Kims Hinweis hin).
    Dass es sich eher um Notationssysteme handelt statt Gebrauchsschriften schien mir auch so, neens hatte das ja auch schon gemeint.

    Also kann man es vielleicht so zusammenfassen: Lesen und Schreiben ist für gehörlos Geborene und frühzeitig Ertaubte mit Aussicht auf hohes Niveau nur nach dem Lernen von GS und dann darauf aufsitzend als Lernen einer Fremdsprache möglich — dazu noch einer fremden Schriftsprache, vergleichbar wie wenn ich mir vornähme chinesische Schrift zu lernen ohne Chinesisch sprechen zu lernen? Würdet Ihr das so unterschreiben?

    Dann habe ich aber gerade mal wieder das Gefühl, dass Nicht-Hören doch deutlich folgenreicher ist, wenn es einem in der Kindheit passiert als Nicht-Sehen. Im einen Fall muss man sich (jetzt mal platt gesagt und vieles vernachlässigt) „nur um die Schrift“ sorgen machen im anderen „um die Sprache überhaupt“.

    Dir auch einen schönen Sonntag, Frauke! Überhaupt, hier ist gerade strahlender Sonnenschein auf Schnee. Wunderbar. Genießt den Tag!

  8. Hausarbeit fertig! War das ein Streß und jetzt kann ich Ausdrücke wie „doppelte Kontingenz“ nicht mehr hören. 😉

    Hier muß ich aber sagen, daß es außer dem Zugang über die Gebärdensprache noch einen Zugang zur Schriftsprache gibt und der lautet ganz banal: Lesen, lesen, lesen.

    Ich selber bin nämlich NICHT mit der Gebärdensprache aufgewachsen (meine Eltern haben LBG bzw. LUG benutzt, die DGS habe ich durch „Schulhofgebärden“ kennengelernt).

    Ich habe mich mit vielen GL unterhalten, die Deutsch besser als der Durchschnitt konnten (also vielleicht nicht 100%ig perfekt, besonders die Artikel und Wortendungen machen den meisten Gehörlosen zu schaffen), und alle meinten übereinstimmend, viel Lesen hätte dazu beigetragen. Keiner, der nur wenig liest, hätte es so weit gebracht wie wir, und dies hat sich für mich wiederholt bestätigt – ich kenne *keine* Ausnahme von der Regel, wo Gehörlose allein nur über die Beherrschung der Gebärdensprache sich eine exzellente Deutschsprachkompetenz angeeignet haben.

    Was Atchoum sagt, kann ich deshalb nur teilweise unterschreiben. Kinder von gehörlosen Eltern mögen sich sicherer in den zwei Sprachwelten bewegen, was der bilinguale Schulversuch auch zeigt, aber der entscheidende Schlüssel zur Beherrschung der deutschen Sprache ist immer noch für Gehörlose, da ihnen die Rezeption über das Ohr ja verwehrt bleibt und sie sich so nicht einfach im nebenbei ‚Aufschnappen‘ Deutsch aneignen können, bleibt ihnen nur, die Augen zu nutzen und lesen, lesen, lesen, um ihr Vokabular zu erweitern und grammatikalische Feinheiten zu verinnerlichen.

    „Also kann man es vielleicht so zusammenfassen: Lesen und Schreiben ist für gehörlos Geborene und frühzeitig Ertaubte mit Aussicht auf hohes Niveau nur nach dem Lernen von GS und dann darauf aufsitzend als Lernen einer Fremdsprache möglich — dazu noch einer fremden Schriftsprache, vergleichbar wie wenn ich mir vornähme chinesische Schrift zu lernen ohne Chinesisch sprechen zu lernen? Würdet Ihr das so unterschreiben?“

    Nein. Aus den obengenannten Gründen. 🙂

  9. Argh, ich kann meinen Kommentar nicht mehr editieren! Da rächt es sich, daß ich ihn so schnell runtergerissen habe:

    … aber der entscheidende Schlüssel zur Beherrschung der deutschen Sprache ist immer noch für Gehörlose, da ihnen die Rezeption über das Ohr ja verwehrt bleibt und sie sich so nicht einfach im nebenbei ‘Aufschnappen’ Deutsch aneignen können, die Augen zu nutzen und lesen, lesen, lesen, um ihr Vokabular zu erweitern und grammatikalische Feinheiten zu verinnerlichen. … – So, jetzt ist es korrekt. 🙂

  10. just like Beethoven

    Die Erfindung der Braille-Blindenschrift war eine Errungenschaft, die wohl nie ganz schwinden wird. Ansonsten wäre das ein bedauerlicher Verlust zum Ursprung, der es den Blinden ermöglicht hat, eigenständig anders zu lesen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man auf die klassische Methode gänzlich verzichten möchte. Durch die neuen elektronischen Medien läßt sich aber eine Vernachlässigung zur ursprünglichen Kommunikation nicht bestreiten. Diese wiederum liefert den Beweis, daß das Hören übermächtig ist und die Blinden dadurch in der Sprachkompetenz durch die Gegebenheiten begünstigt sind. Wir können uns einen blinden Redner vor den höchsten Gremien vorstellen, aber keinen gehörlosen. Das muß nicht bedeuten, daß die Blinden – ebenso wie die Hörenden – im Lesen und Schreiben bestens bewandert sind. Da reicht es oft nur zum Nötigsten. In dieser Beziehung können sie von Gehörlosen übertroffen werden. Hier kommt es aber auf deren Hörbiographie an – ob sie einmal gehört haben und wielange. Die Gebärdensprache der gehörlos Geborenen und Frühertaubten hat sich ja durch die fehlenden Voraussetzungen entwickelt. Um sich einbringen zu können und wendiger zu sein, wurde die Gebärdensprache zur Muttersprache der Gehörlosen.

    Ohne Lesen könnte auch ich nicht leben, bin aber skeptisch, ob sich Neens banale Formel „Lesen, lesen, lesen“ so ganz einfach für alle umsetzen läßt. Wenn das ausreichen würde, dürfte der Zugang zur Schriftsprache nicht besonders schwerfallen. In der Praxis sieht das ganz anders aus, weil im Mittelpunkt der Mensch steht. Und der läßt sich auf keinen gemeinsamen Nenner bringen. Die Hinwendung zur Literatur geschieht immer auch aus eigenem Antrieb. Die individuelle Wertschätzung dafür muß einem besonders liegen. Eine große Rolle spielt dabei auf jeden Fall die persönliche Begabung. Wir wissen z. B., daß es nicht möglich ist, einem Menschen Musikalität einzutrichtern, obwohl es immer wieder vorkommt. Wer dafür keine Veranlagung mitbringt, wird früher oder später daran scheitern und hinwerfen. Das gleiche gilt fürs Lesen. Da gibt es sicher die Gruppe, die versucht, viel zu lesen, aber daraus kein großes Kapital schlagen kann, weil die innere Einstellung dazu, diese ständige Leselust, nicht gegeben ist. Es bleibt die Feststellung, daß sich niemals etwas erzwingen läßt.

    Ich versuche mal, Atchoums Gedanken aufzugreifen, die auch von Frauke geteilt werden. Er wollte damit sagen, daß die Beherrschung der Gebärdensprache mithelfen könnte, die Schriftsprache zu vervollkommnen. Und vielleicht hat er an eine Sache gedacht, die unerwähnt geblieben ist. Es gibt ja heute, im Zuge der CI-Entwicklung, die rein orale Methode einer S. Schmid-Giovannini, deren spartanische Methoden oft mißbiliigt worden sind. Nicht alle dieser am liebsten selektiv ausgewählten Kinder haben Erfolg. So kann es passieren, daß einem Kind nach 4 Jahren kommunikativ überhaupt nichts zur Verfügung steht. Alles, was so positiv angedacht war, hat nichts gebracht – trotz intensivstem Training. Ich erinnere mich an einen Fernsehbericht, der 2 Kinder auf einer CI-Station desselben Zimmers zeigte. Während das eine mit dem CI erfolgreich war, konnte das andere damit überhaupt keinen Erfolg aufweisen. Und hier setzen nun die Kritiker an, die beklagen, daß eine ganz andere Erziehung hätte erfolgen müssen – nämlich bilingual.

    Ich bin kein Mensch, der sich für Gebärdensprache engagiert, sondern versuche nur, jedem ein bißchen gerecht zu werden, einschließlich meiner eigenen Person. Als Spätertaubter kann ich gar nicht gebärden, erlebe es aber immer wieder, daß das scheinbar für einen Gehörlosen vorausgesetzt wird. In dieser Beziehung müßte stärker differenziert werden. Es würde zwecklos sein, mich zum Gebärden zu animieren, weil es eine Sache ist, mit der ich nicht aufgewachsen bin und die ich mir im künstlichen Prozeß nicht gut aneignen kann. Außerdem gibt es nach Ertaubungen noch andere Gründe, die das zusätzlich erschweren.

    Was könnten wir im Umkehrschluß sagen? Auch ein Späterblindeter wird nicht in jedem Fall die Blindenschrift erlernen. Dann müßten wir fairerweise die anderen technischen Möglichkeiten als Segen bezeichnen…

  11. Neens, oh, das ging ja schnell mit der Hausarbeit, Glückwunsch! Als nächstes kommt dann „Komplexitätsreduktion“ in die Tonne 🙂
    Ich glaube auch, richtig gut Lesen (und ich denke auch Schreiben) lernt man ohne Lesen nicht. Fragt sich nur wie man im Fall von solchen Hörbehinderten, die nicht von selber das geschriebene Wort suchen oder massive Sprachprobleme haben, am besten den Spaß, die nötige Motivation für sowas erzeugt, da hat Herr just like Beethoven schon recht. Aber es geht ja nicht nur um Literatur auch um Dinge wie „Gebrauchslesen“, schnelle Erfassung von Texten, Organisation eines Gedankengangs etc., also Fähigkeiten, die man in allen möglichen Berufen braucht.

  12. „Ich versuche mal, Atchoums Gedanken aufzugreifen, die auch von Frauke geteilt werden. Er wollte damit sagen, daß die Beherrschung der Gebärdensprache mithelfen könnte, die Schriftsprache zu vervollkommnen.“

    Ich weiß nicht, wie es Atchoum geht, aber mein Gedanke (durch Kenntnis entsprechender Untersuchungen gefördert) war und ist sehr viel deutlicher um nicht zu sagen drastischer. Es geht dabei auch keineswegs nur um Gebärdensprache. Die Argumentation geht, verkürzt und (hoffentlich) verklart so:
    – Die (wirkliche) Beherrschung einer *Schrift*sprache setzt die Beherrschung der entsprechenden Sprache überhaupt (egal ob als Erst- Zweit- oder Wievielauchimmer-Sprache) voraus.
    – Wenn diese Schriftsprache zur Nicht-Erstsprache gehört, setzt sie als Fremdsprache, einen entsprechenden Erstspracherwerb voraus. Denn nur wer *eine* Sprache richtig beherrscht, kann auch eine weitere richtig lernen (das ist auch für alle möglichen Arten von Migranten belegt).
    – Entscheidend ist also der Erstspracherwerb und zwar in den frühen, kindlichen Entwicklungsphasen, in denen dieser auch seine volle (u.a. nuerophysiologische) Wirkung entfalten kann. Die Gelehrten streiten m.K. nach darüber, wie lange das richtig funktioniert, aber wir reden hier definitiv über Kinder unter zehn, eher deutlich jünger (Kindergartenalter und darunter). Auch das ist z.B. durch die sogenannten „Wolfskinder“ belegt.
    – Nun fehlt aber leider Gehörlosen (wir reden hier über gehörlos bzw. hochgradig schwerhörig Geborene) der Hörsinn, so dass sich eine Gebärdensprache (und zwar wirklich als *Sprache*. DGS, ASL u.ä. sind als vollwertige Sprachsysteme nachgewiesen anerkannt.) für den Erstspracherwerb anbietet bzw. aufdrängt.
    Die Gebärdensprache als Erstsprache ist dann die Grundlage für den Erwerb der Fremdsprache „Deutsch“ (oder Englisch oder was auch immer) und der dazugehörigen Schriftsprache.
    Insofern ist nqlbs Beispiel mit dem Chinesischen zwar recht drastisch, trifft es aber recht gut.

    Ansonsten kann ich natürlich das Plädoyer für Lesen lesen lesen nur unterstützen 😉

  13. Oh ja, weg mit der „Komplexitätsreduktion“! *lacht* Wenn ich den Willke die nächsten paar Monate nicht mehr angucken muß, ist das schon prima. 🙂

    Was Herr just like Beethoven geschrieben hat, ist so auch richtig; ich habe mich in meiner Argumentation ja (auch aus Zeitdruck) nur darauf beschränkt darzulegen, daß Gebärdensprache alleine *nicht* ausreicht. Sie ist zwar die Basis für eine ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache, (ich schrieb ja auch „um ihr Vokabular zu erweitern und grammatikalische Feinheiten zu verinnerlichen“, nicht, um durchs Lesen überhaupt erst die deutsche Sprache zu lernen), aber um eben Deutsch wirklich beherrschen zu können, muß man eben mehr lesen, um den Wegfall des ‚im Vorbeigehen Gesagtes durchs Hören aufschnappen‘ kompensieren zu können.

    Was Frauke dann sagt, ist mir so allerdings etwas zu pauschal formuliert: „Nun fehlt aber leider Gehörlosen (wir reden hier über gehörlos bzw. hochgradig schwerhörig Geborene) der Hörsinn, so dass sich eine Gebärdensprache (und zwar wirklich als *Sprache*. DGS, ASL u.ä. sind als vollwertige Sprachsysteme nachgewiesen anerkannt.) für den Erstspracherwerb anbietet bzw. aufdrängt.
    Die Gebärdensprache als Erstsprache ist dann die Grundlage für den Erwerb der Fremdsprache “Deutsch” (oder Englisch oder was auch immer) und der dazugehörigen Schriftsprache.“

    Das ist meiner Ansicht nach nur ein schöner Wunschtraum für die Gehörlosen, die nicht in einer gehörlosen Familie aufgewachsen sind. In meiner Generation gibt es genügend Leute, die mit hörenden Eltern aufgewachsen sind, die anfangs keine Gebärden konnten, später evtl. einen Kurs an der VHS besucht haben oder sonstwo, dann versucht haben, diese in ihr selbst zusammengeschustertes Kommunikationsschema einzubauen und die Familie ist damit mehr oder weniger gut zurechtgekommen.

    Denn gehörlose Kinder können eben auch lippenlesen und so schon einfache Wörter wie ‚Mama‘ verstehen. Die Eltern werden ebenfalls dazu angehalten, dies mit ihnen zu üben, was in der Frühförderung auch vertieft wird; das gleiche gilt für das Sprechenlernen. (Bei mir hat es mit der Frühförderung schon bei knapp 12 Monaten angefangen.) Denn die meisten hörenden Eltern wollen, daß ihr gehörloses Kind ihre Sprache beherrscht, was aber auch von der Schule und dem Umfeld auch vorausgesetzt wird. Hier will ich anfügen, daß ich dies nicht unbedingt bejahe. Ich habe genug oft erfahren, was für eine Qual das für die Kinder selbst war und mir ist aus einem Artikel der Satz, „Wollt ihr jemanden, der fehlerfrei und sauber, „Ja, Chef!“ sagen kann, aber nicht mal einen längeren Absatz aus der BILD verstehen kann?“ im Gedächtnis geblieben, der diese Situation ziemlich gut verdeutlicht. Da ist mir das Gegenteil – ein gehörloser Mensch, der nicht spricht, sich aber durch paper&pen problemlos auf einem hohen schriftsprachlichen Niveau verständigen kann – doch auf jeden Fall lieber.

    Durch das Lippenlesen und Sprechenlernen haben die Kinder dann einen eigenen Zugang zur deutschen Sprache ohne den Umweg über die Gebärdensprache (wenngleich auch wie gesagt oft sehr mühsam), und es ist nicht ganz unmöglich, daß ein gehörloses Kind, das eine sehr hohe Auffassungsgabe hat, auf diese Art auch eine gute Deutschkompetenz erwirbt ohne wirklich Gebärdensprache lernen zu müssen. (Mir fällt da z.B. Sarah Neef ein, die natürlich eine außergewöhnliche Ausnahme ist, aber wie gesagt – es ist somit *nicht* unmöglich.)

    Die Gebärdensprache bleibt bei dieser Methode aber nicht vollständig auf der Strecke, denn viele Eltern lernen sie in DGS-Kursen (z.B. in der VHS), aber wie ich oft gesehen habe, benutzen sie sie aber nur lautsprachbegleitend zur Verdeutlichung bestimmter Wörter (so wie meine eigenen Eltern das auch tun). Die Kinder selbst kommunizieren dann meist mit einem Gemisch aus Deutsch und Gebärden mit ihren Eltern; reine DGS würden die Eltern oft kaum oder nur unzureichend verstehen können. Also ist die typische Kommunikationssituation oft ein Mischmasch aus dem, was paßt und verstanden wird, anstelle daß man einem 100%igen Ideal nacheifert.

  14. Vermutlich ist es ja auch sehr stark abhängig davon ob man wirklich stocktaub ist oder noch einige Hörreste hat, selbst wenn es nur ganz wenig ist.

  15. Ja, das natürlich auch, aber ich denke, wichtiger ist eher, wie sehr das Kind gefördert wird – im zumutbaren Rahmen (!), nicht daß es in Streß ausartet – und inwieweit es empfänglich ist für diese Anreize und sie auch dementsprechend nutzt.

    Ich selbst bin 100%ig gehörlos, ich kann nichts hören (selbst früher mit Hörgeräten konnte ich nur sehr laute Geräusche (Flugzeuge z.B.) als ein Kitzeln wahrnehmen, aber mehr auch nicht) und ich kenne viele Schwerhörige, die schlechter Deutsch können als ich.

    Also das Hörvermögen an sich ist für mich kein entscheidender Faktor, es hängt für mich eher von der kindlichen Auffassungsgabe ab, z.B. wie wißbegierig es ist.

  16. just like Beethoven

    Frauke, über Autchoums Gedanken kann ich natürlich nur mutmaßen, aber ich nehme an, sie gehen in Richtung von Studien und Untersuchungen, von denen Du hier geschrieben hast. Auch ich habe davon erfahren.

    Als Kernaussage Deines Textes möchte ich das treffende Argument anführen, daß zur Erlangung einer 2. Schriftsprache erst mal eine gut ausgebildete Erstsprache vorliegen muß. Kleinkinder im Kindergartenalter stehen nun, wie Du richtig sagst, wegen des fehlenden Hörvermögens, einem gewaltigen Problem gegenüber. Es ist ein steiniger Weg, diese Erstsprache durch die Ausnutzung von Hörresten zu erlangen oder eine CI-Versorgung dafür vorzusehen. Weil individuelle Besonderheiten eine enorme Rolle spielen, wird sich die kindliche Entwicklung längst nicht immer so abspielen, wie das theoretischen Denkmustern zugrundeliegt.

    Ob und inwieweit nun die Gebärdensprache vordringen kann, um analog einer akustisch erworbenen Sprache gleichzukommen, kann ich von meiner Warte nicht so beurteilen. Denn dazu müßten mir genauere Kenntnisse der Materie vorliegen. Aber wenn Dir Pauschalisierung vorgeworfen und von einem schönen Wunschtraum gesprochen wird, trifft das auch auf die überzogene Einschätzung des Lippenabsehens zu. Ein Kleinkind, das „Mama“ absehen kann ist noch meilenweit entfernt von abstrakten Begriffen, zumal Lippenabsehen die Kommunikation nur sehr eingeschränkt abdeckt. Darüber wurde erst neulich in diesem Kasten diskutiert. Linguistiker weisen immer wieder auf die engen Grenzen des Absehens hin und liegen damit richtig. Gerade deshalb sind auch hier Zweifel angebracht. Weil unsere Gesellschaft aber so sehr auf Sensation bedacht ist, wird gern gegengesteuert. In diesem Fall ist es Sarah Neef, die angeblich alle Ketten sprengt und als Vorzeigebeispiel falsche Akzente setzt. Wer sich damit beschäftigt, müßte sagen, daß die Logik für alles das, was ihr zugesprochen wird, gar nicht weit greifen kann. not quite hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß es einen großen Unterschied ausmacht, ob jemand stocktaub ist oder noch Hörresste hat, auch wenn diese nur bescheiden ausfallen. Zu oft wird das noch unter den Tisch gekehrt bzw. nur flüchtig gestreift. Ich könnte selbst einige Beispiele anführen, doch würde das zu weit führen. Zumal ich noch etwas anderes loswerden möchte.

    Faustregel für das Erlernen einer 2. Schriftsprache ist also eine möglichst gut ausgebildete Erstsprache. Auch wenn not quites Beispiel mit dem Chinesischen etwas aus dem Rahmen fällt, sind seine Gedanken zutreffend. Ich habe es aus eigener Erfahrung mit dem Englischen erlebt. Noch hörend hatte ich in der Schule mit dem fakultativen Englischunterricht angefangen. Durch meine Ertaubung im Alter von 15 Jahren wurde das hinfällig, weil nun ganz andere Sorgen im Mittelpunkt standen. Bedeutend später war ich teilweise fast nur mit dem Korrigieren englischer Texte für die Zeitschrift „Pharmazie“ beschäftigt“. Das hat mein Interesse geweckt und ich habe mir das Englische autodidaktisch beigebracht. Ich wollte ja nicht nur korrigieren, was im Manuskript vorgegeben war, sondern Texte auch verstehen.

    Es gibt nun 2 Leitsätze, die uns immer wieder begegnen:

    „The best way to learn a language is to speak it.

    Es heißt aber auch:

    „A large vocabulary is more important than a perfect pronunciation“.

    Dem ersten Satz kommt meist eine Vormachtstellung zu, weil die Denkweise der Menschen so ausfällt. Nur wer die Sprache spricht, beherrscht sie auch. Und genau das stimmt eben nicht. Kenntnisse der Sprache lassen sich auch auf anderem Wege erlernen, indem man über die Sprache philosophiert, sich mit Studien befaßt und dadurch sein Wisssen ausbauen kann.

    Studien an Schülern haben ergeben, daß es im Erlernen einer Fremdsprache eine männliche und eine weibliche Variante gibt. Während Jungen am liebsten gleich alles mit der Grammatik richten wollen, erfreuen sich Mädchen eher an Texten. Heute ist man sich einig darüber, daß der weiblichen Linie der Vorzug zu geben ist. Grammatik ist natürlich enorm wichtig, sie macht jedoch erst richtigen Spaß, je mehr es einem gelingt, Texte zu entschlüsseln. Wer sich nur auf Grammatik konzentriert, wird bald die Lust an der Sache verlieren. Es kommt vor allem auf die Herausbildung einer gesunden Mischung aus Text und Grammtik an. Und die Schriftsprache ist oft nützlicher sein als das Bedröhnen durch Kopfhörer. Das hat vor einiger Zeit das Max-Planck-Institut herausgefunden, als es davon sprach, daß das Ansehen englisch untertitelter Filme ein mächtiger Motor sein kann, seine Englisch/Fremdsprachenkenntnisse zu erweitern.

    Wie gesagt muß ich Englisch nicht unbedingt sprechen oder nur teilweise. Das heißt aber noch lange nicht, daß mir die Kenntnisse dieser Sprache in Wortschatz und Grammatik nicht vorliegen. Sie lassen sich im Gegenteil sogar noch ausweiten, je mehr man sich damit beschäftigt.

  17. just like Beethoven

    Korrektur: … die Schriftsprache ist oft nützlicher als… (sein entfällt).

  18. Danke just… für das Beiseitespringen!

    Ich habe leider im Moment wenig Zeit mich an der Diskussion zu beteiligen (und vor allem: Quellen ranzuschaffen), möchte mein Plädoyer für den (vernünftigen, vollständigen) Gebärdenspracherwerb trotzdem aufrecht erhalten. Natürlich ist es ein Ideal und gerade für gehörlose Kinder in hörender Umgebung schwierig zu realisieren – aber trotzdem. Ich selbst bin ’nur‘ schwerhörig (von Geburt an, ist aber erst sehr spät erkannt worden) und wünsche mir trotzdem ich hätte (und hätte gehabt) eine Sprache, die für mich selbstverständlich und ‚leicht‘ ist. Obwohl ich – vermutlich mit Lippenlesen und diversen andere Tricks – gut sprechen gelernt habe und bis heute ein Schnell- und Vielleser bin.

    Und nebenbei: Ich glaube nicht, dass der Unterschied zwischen gehörlos und (stark) schwerhörig so groß ist, wie hier vermutet. M.E. (und auch meiner Kenntnis nach) spielt die Intelligenz (im Sinne der Fähigkeit, Defizite auszugleichen) eine erheblich größere Rolle. Und natürlich – aber schwer messbar – die Umgebung und ihr Verhalten.

  19. neens, just like B. und frauke, ich habe gerade das Gefühl es biegt sich alles zusammen: So nämlich, dass es darauf ankommt, Spaß an der beschäftigung mit (Schrift-)Sprache zu vermitteln. Also im Grunde genau gleich wie man es bei normalhörenden Kindern auch machen sollte, stimulierende Umgebung bieten, gucken wie das Kind reagiert und die Strategie dann entprechend anpassen…

    nochmal @frauke, dass Gebärdenspracherwerb trotzdem grundsätzlich anzustreben sei, da stimme ich dir aber vollkommen zu. Also dem Kind eine Möglichkeit zu geben, spontan und „mündlich“ zu kommunizieren wenn es das per Lautpsrache nicht schafft/bekommt. Und dann zu sehen was es daraus macht.

  20. just like Beethoven

    Den letzten beiden Einträgen bin ich sehr zugetan. Im Gegensatz zu Frauke würde ich ihren letzten Absatz jedoch weitaus stärker differenzieren. Die Unterschiede zwischen gehörlos und (stark) schwerhörig mögen dann nicht so groß sein, wenn es um Intelligenz und individuelle Fähigkeiten geht. Sie sind aber immens, wenn es um die Kommunikation selbst geht. Wir müßten uns dann die Frage stellen, was Kommunikation bedeutet und die Antwort würde lauten: Wechselseitiges Geben und Nehmen Doch bei Taubheit, vor allem Ertaubungen, liegt meist nur ein Geben vor. Ich kann Wünsche vorbringen oder sonst etwas sagen, aber im Gegenzug kommt im Vergleich zur Normalität nicht das zurück, was einer normalen Unterhaltung entspricht, weil diese immer auch durch angestrengtes Lippenlesen belastet ist. Wenn ich Glück habe, kann das vielleicht gut laufen, dann wiederum so gut wie überhaupt nicht. Wer nun stark schwerhörig ist (sogar an Taubheit grenzend kommt dem noch nah) liegt schon wieder im Vorteil. Das sollten wir nicht vergessen. Und in dieser Situation leiden diejenigen enorm, die einen vollständigen Hörverlust hinnehmen mußten.

  21. Ich glaube, das ist gerade einer der Gründe, warum Frauke so für Gebärdensprache votiert.

  22. just like Beethoven

    Bei Frauke mag es so sein, daß sie mit der Gebärdensprache aufgegangen ist und sich im Umgang damit wohlfühlt. Das ist aber nicht möglich für jene, die sich von heute auf morgen mit Ertaubungen abfinden mußten. Sie können sich kaum mehr auf Gebärdensprache umstellen, haben nichts dagegen, sind aber auch nicht der Typ, der sich dafür eignet. Und selbst wenn alles perfekt umgesetzt werden könnte, bliebe der Kreis, sich ihrer zu bedienen, ausschließlich auf den Hörgeschädigtensektor beschränkt.

  23. frauke kann keine gebärdensprache – würde sie aber gerne können und hätte sie vor allem gerne seit ihrer Kindheit als Kommunikationsmittel (für gleichberechtigtes Geben und Nehmen, just ..) zur Verfügung gehabt …

    Und ich verstehe nicht, wieso Ertaubte (egal ob langsam oder plötzlich) keine Gebärdensprachen lernen können (sollten/wollen/was auch immer?!?)

  24. just like Beethoven

    Frauke, wo käme denn das gleichberechtigte Geben und Nehmen infrage? Doch nur in Hörgeschädigtenkreisen. Und damit kommen viele Ertaubte gar nicht in Berührung. Sie gehören auch nicht zu den Herdentieren, die nun mit dem größten Vergnügen Lust auf Massenveranstaltungen haben. Der Alltag ist für sie ausschlaggebender. Und es ist wohl kaum zu erwarten, daß da jemand gebärdet. Die Kommuniktionsnot wird also immer wieder offensichtlich.

    Ertaubte können deshalb schlecht gebärden lernen, weil sie einem anderen Kulturkreis angehört haben und dieser auch in der Taubheit noch übermächtig bleibt. Ich habe schon versucht zu erklären, daß es zwecklos sein würde, einem völlig unmusikalischen Menschen Musik eintrichtern zu wollen. So verhält es sich auch mit der Gebärdensprache. Man ist dafür nicht begabt und läßt es deshalb besser. Das ist der eine Grund, doch gibt es noch einen anderen. Ertaubungen gehen oft noch einher mit vielen anderen Belastungen. D. h., auch der Vestibularapparat ist dadurch stark angegriffen worden. Die Betroffenen müssen manchmal erst wieder einigermaßen richtig laufen lernen, weil sie sich so fühlen, als hätten sie Eisen an sich hängen. So war es auch bei mir, denn ich habe meine Meningitis gerade noch mal so überlebt. Heute fahre ich wieder Rad, sogar lange Strecken, doch mußte ich das ganz neu erlernen. Das Wackeln der Objekte gehört dann dazu und ist nur durch Antrainieren in den Griff zu bekommen. Ganz anders wäre es, die Hände für Gebärden ständig spielen lassen zu müssen. Es würde mich super anstrengen. Die motorisch ungünstigen Faktoren werden leider so oft nicht erwähnt.

    Wenn es so einfach sein soll, Gebärdensprache zu erlernen, müßtest Du sie doch schon längst beherrschen. Wie ich nun überrraschend erfahre, ist das nicht zutreffend. Und darin liegt doch ein Widerspruch, oder?

  25. Das geht jetzt alles weg vom Thema Schrift. Aber natürlich ist es bei Erwachsenen, die bereits ein bestimmtes Leben, einen bestimmten Freundeskreis, einen Beruf haben, bei Ertaubung nicht einfach mit Gebärdensprache-Lernen getan. Man müsste sein ganzes Umfeld verändern, was nicht von heute auf morgen geht. Und natürlich nie so gut, wie wenn man von Anfang an da reingewachsen ist. Darum sagt Frauke ja auch: „hätte sie vor allem gerne seit ihrer Kindheit als Kommunikationsmittel (für gleichberechtigtes Geben und Nehmen, just ..) zur Verfügung gehabt.“ Nur — das Umfeld verändern muss man nach Spät-Ertaubung wohl sowieso. Zumindest ein bißchen. Und da ist halt die Frage wo die Möglichkeiten und eigenen Prioritäten liegen. So ähnliche Gedanken hatte ich mir ja hier gemacht, als ich versuchte mir klarzuwerden, ob ich ein CI will oder nicht.

  26. just .., ich versuche ja, Deine eigenen Erfahrungen (soweit sie hier lesbar werden) nachzuvollziehen. Wobei ich allerdings manches – insbesondere Dein Bild von Gehörlosen bzw. Gebärdenden – weder nachvollziehen kann noch will.

    Aber ich schreibe nicht in erster Linie für, gegen oder aus persönliche Erfahrung. Mit geht es um prinzipielle Dinge:
    – Anerkennung der Gebärdensprache als gleichberechtigte Sprache
    – Grundsätzliche(!!) bilinguale Erziehung und Bildung für Schwerhörige und Gehörlose
    – Ausnahmslose Untertitelung und/oder Übersetzung in Gebärdensprache im Fernsehen
    – Recht auf und praktikable(!!) Dolmetscherdienste, entweder wirklich Dolmetscher/innen oder Kommunikationsassistentinnen, einschließlich der von nqlb hier vorgestellten „Untertitelung“ von Telefonaten
    – usw.
    Also letztlich: Kommunikation sichtbar machen und unterschiedliche Formen als selbstverständlich etablieren. (Meines Wissens sind andere Länder da deutlich weiter als die Deutschen …)

    Pardon, nqlb, Du hast recht, wir haben das eigentliche Thema längst verlassen. Aber diese Replik musste noch sein. Ich verspreche aber, dass ich diesen abgeschweiften Thread (heißt das eigentlich im Blog auch so?) nicht mehr weitertreiben werde.

  27. just like Beethoven

    Frauke, auch mir ist bewußt geworden, daß wir vom eigentlichen Thema „Schriftsprache“ abgekommen sind. Aber ich bin sehr empfindlich, wenn ich lese, es bestünden keine so großen Unterschiede zwischen Gehörlosen und (stark) Schwerhörigen. Auch wenn Du das vielleicht anders aufgefaßt haben wolltest, treten die bedeutenden Unterschiede in der Kommunikation immer wieder ins Bewußtsein. Dann kann ich das nicht so übergehen.

    Mein Bild von den Gehörlosen oder Gebärdenden ist nicht diskriminierend, wie Du vielleicht denken könntest. Sonst hätte ich Dir vorher bestimmt nicht beigestanden. Durch meine Hörbiographie kann man aber auch niemals etwas gleichschalten, weil die Entwicklung einfach anders verlaufen ist.

    Kannst Du dir eigentlich vorstellen, daß ich mich bei allen Unterschieden in Foren auch mal kräftig für die Gehörlosen eingesetzt habe? Das war der Fall, als es ums CI ging und sich Viele verschaukelt vorkommen mußten. Es ist eine Sache, die anatomische Machbarkeit voraussetzt. Und hier hatte ich den denkbar schlechtesten Stand, denn ich konnte ja nur auf dem einen Ohr „extracochleär“ operiert werden. Und das bedeutete ein schlechteres Hörergebnis. Trotzdem wurde so getan, als würde es bald keine Gehörlose mehr geben. Das hat auch mich sehr aufgeregt. Das kann allein schon deshalb nicht stimmen, weil der Großteil der Gehörlosen (80%) in der Dritten Welt lebt. Und dort zählt allein das nachkte Überleben, nicht aber solche Operationen. Alles war, wie wir das so oft erleben, auf den Egoismus der Industrieländer projiziert. Und auch dort bekommt man es nicht so in den Griff, wie man das in vorauseilendem Übermut angedacht hatte.

    Ich unterstütze Deine Absichten, die Kommunikationsmöglichkeiten zu verbessern und habe nichts dagegen, wenn auch Schwerhörige den bilingualen Weg beschreiten wollen. Doch kenne ich in dieser Beziehung auch ganz andere Ansichten, die den rein akustischen Weg bevorzugen.

    Das Beispiel Untertitel zeigt, wie sehr sich etwas verändern kann. Da sollte es man doch nicht für möglich halten, daß man hier irgendwo einen Zeitungslink vorfindet, indem sich ein CIler dagegen ausspricht. „Sogar eine Demo für Untertitel haben die veranstaltet“. Frauke, das gefällt Dir nicht und mir auch nicht. Es bestehen also durchaus Gemeinsamkeiten. Wenn es nach mir ginge, würde ich den WDR sofort auszeichnen, den er macht vor, wie Untertitelung wirklich sein sollte. Ein Beispiel, mit dem sich andere Sender noch schwer tun.

  28. frauke, weiß ich gar nicht, man kann’s auf jeden Fall thread nennen. Und versprechen musst Du gar nichts 🙂

    Herr just, was ist denn das für ein Zeitungslink? Das klingt ja fürchterlich.

  29. Zum Thema interessanter Artikel im Nordkurier:

    „Kritiker wie Peter Thiel sagen: Wenn der Unterricht in Gehörlosenschulen auf Gebärdensprache erfolgen würde, könnten sich die Lehrer stärker darauf konzentrieren, den Kindern Weltwissen zu vermitteln. Und die größere Bildung würde es den Gehörlosen dann erleichtern, deutsche Texte zu verstehen.
    Unmittelbar hilft die Gebärdensprache Marion Arndt beim Lesen allerdings wenig, weil diese Sprache eine andere Grammatik hat als die Sprache der Hörenden. „Wie heißt du?“ lautet auf Gebärdensprache etwa: „Dein Name was?““ Laut der Auskunftsperson würden die meisten Gehörlosen diese Form der Schriftsprache untereinander pflegen. Denn so verstünden sie sich besser. Es scheint dann nur wenig Anreiz zu geben „richtig“ zu schreiben, eher noch Anreiz, gebärdensprachförmig zu schreiben.

  30. Regenbogen

    Hm.
    Das klänge ja so, als hätten Gehörlose, wenn sie DGS als Muttersprache vermittelt bekommen, „gar keinen Bock“, deutsche Schriftgrammatik zu lernen.

    Kann ich mir aber so eigentlich nicht vorstellen – man korrigiere mich gerne, wenn ich da falsch liege.
    Ich meine, wir Deutschen müssen uns auch im Unterricht mit englischer, französischer oder lateinischer Grammatik rumschlagen…..und verweigern das doch auch nicht.

    (Da fällt mir noch der aaaaaaalte Witz mit gaaaanz langem Bart ein…..
    Helmut Kohl wird von Margaret Thatcher zum Tee in die Downing Street eingeladen….und weil das Gespräch in so netter Atmosphäre abläuft, sagt er schließlich zu ihr: „You can you say to me….“)

  31. Naja, das wurde halt von dieser einen Person gesagt. Es gibt sicher sone und solche. Was ich mir aber gut vorstellen kann ist, dass man sich anpasst. Man will ja verstanden werden. Und auch nicht etepetete wirken. Und mit Deutschen unter sich Englisch reden ist ja auch komisch und hält man (meiner Erfahrung nach) nicht lange durch, selbst wenn man in den USA ist…

  32. just like Beethoven

    not quite, ich würde Deine Frage jetzt gern sofort beantworten, kann es aber leider nicht. Denn dazu müßte ich alle Seiten durchwühlen. Und wer weiß, wie lange das dauern würde. Fest steht jedenfalls, daß ich hier fündig geworden bin. So weit ich mich erinnern kann, stand die Äußerung über die Untertitel in einer Berliner Zeitung. Falls ich durch Zufall wieder auf diesen Link stoßen sollte, informiere ich Dich sofort.

    Regenbogen, Dein englischer Satz ist eine lustige Vergleichsbasis – auch mit diesem kleinen Wortdreher. Richtig müßte es heißen: „You can say you to me“. Aber ich bin sicher, daß Du das selbst sehr gut weißt.

  33. Hier bei mir verweist ein Link auf einen Zeitungsartikel, in dem ein CI-Träger sich beschwert, warum man denn für Untertitel demonstrieren müßte? Da kann ich mich auch nicht dran erinnern. Falls Du ihn zufällig findest, sag Bescheid.

  34. just like Beethoven

    Werd ich machen, not quite. Das Auffinden ist immer dann schwerer, wenn es sich um einen Link im Link handelt. Und das scheint hier der Fall gewesen zu sein. Aber wenn ich es nicht gelesen hätte, würde ich ganz bestimmt nicht davon schreiben.

  35. Regenbogen

    @just like:
    Ich weiß das, ja.
    Gehörte aber wohl zum Witz – weil man Herrn Dr.Kohl ja so exzellente Sprachkenntnisse nachsagen wollte. 😉

  36. Regenbogen

    Übrigens, ich glaub, ich hab so einen Link (wenn er jetzt denn klappt) zu dem Interview – sag mal, ob es das ist, was Du meintest, just like:

    http://hoerbizberlin.wordpress.com/2010/03/11/nurnberger-zeitung-interview-mit-einem-ci-trager

  37. Danke für den Link. Die Sache mit den Untertiteln finde ich auch ziemlich daneben. Ansonsten aber eigentlich okay, weil er markiert alles als seine Meinung.
    Sieht mit auch ein bißchen danach aus als habe das Interview nicht für sich gestanden, als hätte es in der Zeitung vielleicht noch Kontext gegeben, der das ganze vielleicht ein bißchen erweitert und einbettet. Bzw. eigentlich als sei das Interview eine Zugabe zu einem Bericht oder so. Dann würde das ganze auch journalistisch runder.

  38. Regenbogen

    So genau weiß ich das nicht.
    Okay, es ist seine Meinung – aber er bringt sie mir doch sehr scharf rüber; scheint die Meinung von Andersdenkenden nicht gut akzeptieren zu können.
    Das gefiel mir daran nicht.
    Und das mit den Untertiteln war ja eh Blödsinn.
    Wußte ich auch nicht, bevor ich nicht seinerzeit in den CI-Foren aufgeklärt wurde, aber die CI-Träger nutzen sie ja auch, zumindest zum Teil.
    Und sagen das auch….
    von wegen, die lobhudeln ausschließlich. Stimmt so nicht.

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