Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #9: Konferenzgespräche

Wie gewünscht, geht’s taub aber erfolgreich weiter. Wenn Telefonieren für Schwerhörige irgendwo zwischen Belastung und Alptraum rangiert, dann sind Konferenzgespräche die blanke Hölle. Ohne Sicht kein Lippenlesen, dazu der wahnwitzige und doch vergebliche Streß der Unterhaltung einer Gruppe. Und schließlich oft genug unanschauliche Themen und womöglich delikater Kundenkontakt.

Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wird es eher schlimmer: Konferenzgespräche sind einfach billiger als Dienstreisen.

Was kann man tun? Vorneweg: Es gibt keine richtig gute Lösung. Ich erzähle einfach mal, wie ich bisher damit umgegangen bin. Kurz gesagt: Mit Vorbereitung, Technik, Video und Kollaborations-Tools.

Wer nur ein bißchen schlecht hört, kann versuchen, die Telefonierbedingungen zum Besseren zu wenden. Wenn  ich mich auf den Stress eingelassen habe (damals, als ich noch besser hörte), habe ich immer vorher mit allen Gesprächspartnern einzeln Kontakt aufgenommen und per E-Mail Vorgespräche geführt. Das hat dann nicht nur mir das Verstehen erleichtert, sondern war allgemein gut für die Effektivität. Wenn es denn die Zeit zuließ, was sie leider oft nicht tat. Ich habe (öfterst vergeblich) darauf bestanden, dass alle Partner nicht mobil, sondern vom Festnetz aus telefonieren. Und ich habe mir am Arbeitsplatz extra ein Telefon hingestellt, das die T-Spule im Hörgerät gut ansteuern konnte. Heute würde ich testen, ob der Firmen-Blackberry gut funktioniert und ansonsten versuchen, ein Modell zu bekommen, das besser klingt. Selbst wenn ich es selber kaufen muss.

Wer richtig schlecht hört, kann versuchen, eine Kultur des Visuellen zu etablieren. Lobbyarbeit für Videokonferenzen machen. Das ist zwar auch nicht wirklich gut, aber immerhin kann man bei guter Verbindung wenigstens ein bißchen ablesen. Und man kann Stimmung und Reaktion der anderen besser einschätzen, das ist nicht zu unterschätzen!

Ich weiß nicht, wie gut Relay-Dienste wie die von Tess (Sign und Script) oder das neue Verbavoice für Konferenzgespräche funktionieren. Sollte man aber zumindest prüfen. Auf Verbavoice bin ich schon gespannt. [Nachtrag: Gespannt, weil es erst im Herbst öffentlich starten soll.]

Egal ob Telefon- oder Videokonferenz: Der gangbarste Weg ist, denke ich, schriftliche Kommunikation hinzu zu nehmen. Ich habe mehrfach bei Videokonferenzen durchgesetzt, dass nebenher noch ein texbasierter Chat geführt wird (sowas kann man zB mit Skype ganz gut machen). So konnte ich bei Bedarf schriftlich erläutert bekommen, was ich nicht verstanden hatte. Ein Stichwort reichte oft. Und nachdem sich alle Beteiligten einmal daran gewöhnt hatten, ging das auch schnell.

Falls etwa eine Präsentation oder ein Text besprochen werden sollen, lohnen sich elektronische Kollaborationstools.  Für Texte habe ich zB mit den selbstgehosteten Versionen von Etherpad gute Erfahrungen gemacht, dazu noch mit basecamp und campfire. Die haben den Vorteil, dass alle Teilnehmer während des Konferenzgespräches auf einer gemeinsamen Fläche lesen, schreiben und arbeiten können. Wenn man was gemeinsames vor Augen hat, fällt auch das Verstehen leichter — oder man nutzt sowieso integrierte Chatfunktionen. Ich hoffe sehr, dass sich das in Zukunft noch weiter verbreitet. Hier lohnt es wirklich, Chefs, Kollegen und Admins zu bearbeiten, dass solche Formen der elektronischen Zusammenarbeit zumindest geprüft werden. Denn auch hier gilt mal wieder: Da haben auch Normalhörende was von.

Oder was sind Eure Erfahrungen mit Konferenzgesprächen? Und deren schriftlicher Begleitung?

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9 Antworten zu “Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #9: Konferenzgespräche

  1. Es gibt übringes noch eine Steigerung des Ganze, aus meiner Sicht der Alptraum schlechthin: Telefonkonferenzen in einer Fremdsprache …

    Da halte ich es dann allerdings so, dass es jemandem gibt der/die mir im Zweifelsfalle übersetzt.

  2. Sag mal nqlb, ich habe gerade die Seite von verbavoice angesehen, irgendwie bin ich aber blöd(?): ich verstehe nicht, *wie* man diesen service in anspruch nehmen kann/nehmen können wird. Weißt Du da mehr drüber, als auf der Website steht?

  3. Es ist tatsächlich nach oben offen, liebe frauke, ich packe meinen Koffer und lege hinein eine Telefonkonferenz in einer Fremdsprache mit Leuten, die diese Sprache nicht gut können und einen heftigen Akzent darauf haben. Meine Lieblinge sind italienisches und vietnamesisches Englisch 🙂

    Verbavoice, sorry, dass ich das nicht gleich hingeschrieben habe, soll erst ab Herbst öffentlich starten. Eine Schande, dass das nicht auf der Website steht.

  4. ich lege noch französisches dorf-englisch [englisch von franzosen, die eigentlich fransösisch sprechen ^^] drauf – ohne konzentration bis zum stirnwellblechdach geht da nix. ich hatte da mal so’nen kurs…

  5. Oha, also ich denke unter solchen Bedingungen bietet sich wirklich ein textbasierter Austausch an. (Obwohl in dem Seminar waren die entsprechenden Damen und Herren wahrscheinlich anwesend, nicht?)

  6. japp, er war anwesend. wobei er den kurs nur wegen mir und meiner freundin auf englisch hielt – die anderen waren alle franzosen ^^…

  7. Oh, sehr entgegenkommend.
    Als ich in Spanien in einer ähnlichen Situation war (Italiener, die mir durch Englisch statt Spanisch sprechen helfen wollten), begann ich schließlich zu behaupten, ich spräche gar kein Englisch. Um allen die vergebliche Mühe zu ersparen. Bei mir ging’s nämlich trotz Wellblechdach nicht…

  8. Oh ja, italienisches Englisch, auch einer meiner Favoriten… Übrigens, danke für die ganzen Tipps, Einiges kannte ich noch gar nicht, das werd ich mir direkt anschaun 🙂

  9. Bitte schön. Berichte mal über Deine Eindrücke oder Erfahrungen, ja?

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