Dieser Rausch! Es funktioniert ja nicht immer und nicht bei jedem. Aber wenn das elektrische Hören mit dem Cochlea Implantat funktioniert, dann ist es ein großartiger Trip. Über Wochen, Monat schälen sich aus dem Wlingen und Piepsen spannende Töne und Geräusche heraus — es wird immer besser. Mehr noch: Man weiß schon vorher, dass es immer besser werden wird, jedenfalls solange es keine Komplikationen gibt. Ein unbändiges Hochgefühl, wenn man wie frisch in den Skilift eingestiegen dasitzt, die Aussicht wird immer besser und man weiß, es steht Tolles und Aufregendes bevor. Verstärkt wird das Ganze dann noch durch die Phase nach der Operation, die man in großer Stille verbringt, weil weder Hörgerät noch CI auf dem heilenden Ohr getragen werden.
Von diesem Hochgefühl nimmt man dann gern noch eins. Besonders wenn man merkt, wie langweilig, wie lasch im Vergleich dazu die Suppe ist, die ein Hörgerät dem hochgradig Schwerhörigen hineinspült.
Doch man muss auch das Runterkommen verkraften — und das ist, je nachdem, auch ziemlich heftig. Denn irgendwann, so nach etwa einem Jahr, ist der Skilift zu Ende und die Abfahrt auch. Die steile Verbesserungskurve flacht ab, es wird deutlich wo die neuen Hörgrenzen liegen. Was alles trotz CI nicht funktioniert. Die Mühen der Ebene beginnen. Es ist nur so eine persönliche Beobachtung, aber mein Eindruck ist, dass eine ganze Menge Leute sich genau in dieser Phase für ein zweites CI entscheiden. Ärzte machen es einem dabei leicht, sie bieten den nächsten Schuss und loben seine Vorzüge.
Versteht mich nicht falsch, dies ist keine Warnung vor CIs und auch nicht vor dem zweiten — wenn es denn angezeigt ist und man dies will. Ich will nur auf eine Gefühlsdynamik hinweisen, die ich wichtig finde. Irgendwann kommt das Plateau und sei es nach dem zweiten Hoch. Denn ein drittes wird es nicht geben. Damit muss man sich abfinden (was natürlich leichter fällt, wenn es selbst hoch liegt). Man bleibt schwerhörig. Schwierig ist dabei, dass die Grenzen des CIs nicht einfach so feststehen. Manchmal ist es sogar kaum möglich zu entscheiden, ob man nun wirklich an die Grenzen gestoßen ist oder das elektrische Ohr einfach nur etwas besser eingestellt werden müsste. Das muss man mit seinen Gefühlen ausmachen.
Dies ist Teil 7 einer kleinen Serie über Cochlea Implantate, die ich anderthalb Jahren elektrisches Hören schreibe:
Teil 1: Einmal Blackout und zurück
Teil 2: Aus den Augen, noch im Sinn
Teil 3: Das Karussell
Teil 4: Niemanden bitten müssen
Teil 5: Zufrieden mit dem elektrischen Ohr?
Teil 6: „Da sind ja überall Menschen!“
Die Hochgefühle kommen in der ersten CI-Phase besonders intensiv, wenn vorher ein großes Problem mit dem Nichthörenkönnen bestand. Man hat den Vergleich direkt vor Augen und sieht jedes Qieken des CI als Fotschritt gegenüber dem vorherigen Vakuum an. Aber nach ein paar Jahren hat man den Vergleich nicht mehr so präsent, da merkt man eher die Grenzen.
Ich kann mich nicht mehr so freuen wie anfangs (seit ca. 6 Jahren mit CI), dass ich gerade mal 3 Sätze auf einer Geburtstagsfeier verstanden habe, sondern bin traurig, dass ich beim munteren Durcheinanderreden und Lachen ganz außen vor bin. Je mehr sich die anderen verstehen (und über den Tisch hinweg durcheinander reden), desto mehr bin ich im Abseits. Wenn dann beim Abschied jemand sagt, das wäre eine schöne Stimmung gewesen, nicken alle strahlend, nur ich weiß nicht, wovon sie reden. Dabei gesessen habe ich ja, aber nicht ein einziges Mal mitlachen können.
In Gruppen ist meine bewährte Taktik „Gespräche angeln“ ausgehebelt, leider leider. So geht „Gespräche angeln“: In den seltenen ruhigen Geräuschlücken spreche ich eine Person direkt neben mir an. Ich frage ganz gezielt, damit ich das Thema bestimmen kann und halte unentwegt Blickkontakt. Das klappt für wenige Worte, dann setzen andere Geräusche ein oder die „Gesprächsdiebe“ kommen. „Gesprächsdiebe“ sind andere Personen, die sich in das Gespräch mischen und mich dadurch aushebeln – ich sehe die Mundbewegungen nicht mehr, es geht zu schnell oder überlagert sich und ich bekomme einen Themenwechsel nicht mit. In dem Moment entsteht zwischen den anderen eine Gemeinsamkeit, die ich nicht mehr teilen kann. Wenn ich dann wieder versuche, eine Person einzeln anzusprechen, geht das nicht mehr, weil sich niemand aus dem netten größeren Kreis rausziehen lassen möchte. Gespräche mit mir als Schwerhöriger sind ja eher „exklusiv“, also abseits von der großen Runde. Die von mir Angesprochenen winken dann ab und geben mir zu verstehen, dass die bei den anderen zuhören möchten.
Je lustiger der Abend, desto isolierter die Schwerhörige.
Ergänzend zu deinem „Karussel“, NQLB: Mit den Jahren als erfahrene CI-Trägerin sehe ich einige wiederkehrende Verhaltensweisen bei den Normalos, die das Hören und Verstehen mehr behindern, als nötig wäre.
Verhalten 1: Es kann nie laut genug sein.
Wo es sowieso schon sehr laut ist, wird am liebsten zusammen gesessen und gesprochen. Wenn wir auf einem Ausflug sind, wollen alle in den vollsten Biergarten, möglichst noch dicht gedrängt in die lauteste Menge – und sich ausgerechnet dort unterhalten. Sie klagen auch gern über die zu laute Umgebung, aber mögen keine ruhigeren Ecken suchen. Ausgerechnet im ärgsten Krach werde ich direkt angesprochen, aber wenn der Lärm abschwächt und ich denke „Ja, sprich mich an, jetzt wäre ein Gespräch möglich“, sind sie still. Ist das zu fassen? Kaum nutze ich dann die Stille für meine leise kleine Kontaktaufnahme, geht es schon wieder los mit dem Lärm der anderen. Sie können ruhige Gespräche einfach nicht aushalten, die Normalos.
Verhalten 2: Es kann nie lang(weilig) genug sein.
Wenn ich mit meinem Lippenabseh-Glotzblick jemand frage und eigentlich gern ein wechselseitiges Gespräch möchte, verfallen die Angesprochenen in tranceartiges Monologisieren und hören so schnell nicht wieder auf. Auch die muffeligsten Leute verfallen bei mir in langatmige Erzählungen, weil mein Schwerhörigenverhalten sehr dem therapeutischen „Aktiven Zuhören“ ähnelt. Bloss verstehe ich kaum was oder falle vor Langeweile fast um. Ausgerechnet die ödesten Sachen muss ich mir anhören, während die spannendsten Dinge in die Gruppe hinein gesprochen werden – und ich nichts mitbekomme. Die Monologhalter registrieren nicht, ob jemand wirklich zuhört, sie merken nichts und reden immer weiter. Am liebsten zu mir, der schwerhörigen lippenabsehenden CI-Trägerin, leider.
Verhalten 3: Anweisungen und Kurzbefehle.
Die Normalos in Gruppen verfallen gern in Anweisungssprache, wenn ich dabei bin. Mir fällt mit den Jahren auf, dass man mich kaum neugierig anspricht, sondern eher simple Anweisungen gibt, als wenn Schwerhörigkeit auch gleichbedeutend mit „doof“ ist. In der Kontaktaufnahme bin immer ich diejenige, die interessiert nachfragt und der dann das ganze Leben plus Kinderkrankheiten erzählt wird, aber umgekehrt scheine ich als schwerhöriger Mensch für andere per se nicht interessant zu sein. In Gruppen mit mehreren Leuten bin ich die Letzte, die von Entscheidungen etwas erfährt – und dann auch nur durch Anweisung, nicht durch Mitsprache. Weil der Mitspracheprozess akustisch so schwierig ist, habe ich mir leider schon angewöhnt innerlich „ganz hinten zu sitzen“, also abzuwarten und einfach mitzulatschen, wo ich eigentlich kräftig vorn mitmischen würde. Ich nehme Kurzbefehle entgegen, weil die akustisch zu schaffen sind. Meine soziale Stellung und auch meine Persönlichkeit verändern sich durch das Nichtverstehen zum Negativen hin.
Verhalten 4: Das Normalo-Gehirn verarbeitet nicht.
Meine Mitteilung, dass ich schwerhörig bin, wird kognitiv nicht verarbeitet. Darüber staune ich oft. Es dauert unendlich lange, bis jemand das aufgenommen und begriffen hat, trotz gut funktionierender Ohren. Hastig kommt „kein Problem“ und dann wird ohne Rücksicht und Verstand weitergerattert. Und die Schwerhörigkeit wird gern auch wieder vergessen, sodass ich mit Bekannten immer wieder bei Null anfange, wenn man sich 14 Tage nicht gesehen hat. Mittlerweile nehme ich das meinerseits als Intelligenztest und kann Leute schnell einschätzen. Aber gut kommen die nicht dabei weg. Leider.
Verhalten 5: Sie können nicht zuhören.
Sie können nicht zuhören! Trotz guter Ohren. Ich bin oft erstaunt darüber. Sie können es einfach nicht. Sie können Priorität nicht von Nebensächlichkeit unterscheiden, fallen dem Anderen in Sätze hinein, hetzen von einem belanglosen Schnippsel zum anderen, hören sich Fragen nicht zuende an und antworten entsprechend völlig daneben. Sie benutzen Sprache wie eine Abwehr: Wer viel redet, den erreicht man nicht, der ist einfach nicht auf Empfang aus. Trotz guter Ohren.
Das sind die Grenzen, die bleiben. Auch wenn hier und da noch am CI irgendwas nachgeschraubt werden könnte: Ständiges Ankämpfen gegen Isolation und kräftezehrendes Taktieren, auch Ankämpfen gegen Mobbingeffekte gehören zum Alltag. Oder man bleibt für sich und teilt sich die Menschenwelt immer schön in kleine Portionen zu 1-2 Leuten ein. Auch das eine Folge der Hörbehinderung mit CI.
Ein plötzliches Hörverstehen kann tatsächlich wie eine Droge wirken, von der man nicht genug bekommen kann. Diese Erfahrung ist bei vielen CI Trägern so, sodass sie nach zwei Jahren das zweite CI wollen. Doch will man sich den zweiten Schuss wirklich geben? Was ist mit der folgenden technischen Entwicklung, die schon in 10 Jahren eine völlig neue Art des Hörens ermöglichen könnte, beispielsweise, wenn es gelingt das Trommelfell nachzuahmen. Oder auch sonst irgendeine herausragende technische Neuerung, vielleicht auch Außenteile, die nicht größer sind als Hörgeräte. Das alles ist für die CI Träger nicht mehr möglich, weil die Organe entweder durch die Operation kaputt gehen oder durch die jahrelange Periode verkümmert sind. Dann heißt es nur noch: schön wärs gewesen mit den neuen Sachen. Lieber den kurzfristigen Putsch oder lieber die langfristige Option?
Was ist, wenn die supertolle Neuerung in 10 Jahren gar nicht erfunden wird und man sein Leben während der Zeit nicht auf Eis legen kann? Alle Ereignisse, Berufskontakte und Freundschaften mit Hörenden kann man ja nicht einfrieren, bis irgendeine tolle Technik erfunden ist. (Wobei die Audiologen, Mediziner und Physiker schon abwinken, denn die Möglichkeiten sind begrenzt und die Sience-Fiktion-Supertechnik-Erwartung haben nur Laien). Falsche Logik: Nach jedem technischen Fortschritt gibt es wieder einen möglichen Fortschritt, also müsste man mit der OP warten, bis man 80 Jahre alt ist, aber das Leben wartet nicht bis dahin. Man kann sogar wertvolle, erleichternde Hörchancen verpassen, wenn man das CI um Jahrzehnte hinauszögert.
@ NQLB und @ Leser:
Die Drogen-Metapher halte ich übrigens für völlig unpassend. Eine Krisenbewältigung und dauerhafte Unterstützung im Alltagsleben hat nichts mit „Putsch“ oder „Drogen-High“ zu tun. Auch die Entscheidung für eine zweite OP ist nicht von solchen Gefühlen veranlasst. Es wird CI-Trägern oft (von CI-Gegnern) unterstellt, dass sie keine natürliche Hemmschwelle haben und sich kritiklos auf den OP-Tisch legen. Das ist nicht so!!! Die Entscheidung zur OP fällt jedem Menschen schwer, auch die Entscheidung zum zweiten CI. Der innere Prozess bis dahin ist einfach ernst zu nehmen und zu respektieren.
Da ist nichts mit „High“ oder „Putsch“.
So oberflächlich sind wir nicht.
Wow, Pia, vielen Dank für die langen, interessanten und lustigen Beiträge! „Gespräche angeln“, „Gesprächsdiebe“ — sehr treffend! Auch Deine Verhaltensweisen kommen mir sehr bekannt vor. Genau das ist Schwerhörigkeit.
Die Hochgefühle sind auch dann intensiv wenn vorher eine progrediente Schwerhörigkeit bestand, wenn also langsam alles immer schlimmer wurde.
„Eine Krisenbewältigung und dauerhafte Unterstützung im Alltagsleben hat nichts mit „Putsch“ oder „Drogen-High“ zu tun.“ Ganz genau. Aber ich denke, man darf, ohne das Ganze geringzuschätzen durchaus sagen, dass man sich von (funktionierenden) CIs eine gewisse Gefühlsdynamik, einen Push erwarten kann — und eine durchaus enttäuschende Phase des Nachlassens dieses Schwungs. Mir scheint tatsächlich, dass bei allem Reden übder die Mühen des Hörenlernens nicht gesagt oder zumindest nicht viel darüber geredet wird, wie schwierig diese zweite Phase ist.
Leser, ich sehe es wie Pia. Der Knackpunkt ist der ob man warten kann und will — und dabei weiterleben oder ob währenddessen das Leben auf „Pause“ wäre. Das Leben ist zu kurz um das Glücklichsein auf später zu verschieben, und wenn das CI dazu einen kleinen Beitrag leisten könnte…
Hinzu kommt noch, dass wir noch gar nicht wissen wie die regenerativen Therapien aussehen werden. Z.B. müssen die nicht „voll organisch“ sein, es gibt auch Strategien, die mit Elektroden oder Pumpen arbeiten.
Oh, sorry, ich werde mich kürzer halten!
Zur Gefühlsdynamik: Die Bergaufphase kann ja durchaus länger anhalten oder auch immer mal wiederkehren, obwohl die Ernüchterung und das Erleben der Grenzen irgendwann einsetzen: Die Sache mit dem halbvollen oder halbleeren Glas.
Vor allem sehe ich die beinharte „Alltagspraxis“ mit ihrem Grenzerleben als sehr wichtig an, denn nur wenn etwas zu nerven beginnt, ändert man es. Wenn also das CI selbst keine Fortschritte mehr liefert, muss bzw. kann man das Problemlösen in einen anderen Bereich verschieben. Bei mir ist das jetzt die Phase des Einforderns. Jetzt bin es nicht mehr ich, die mehr Hörleistung bringen muss, sondern jetzt verlange ich von Familie und Freunden *verdammt nicht noch mal* endlich das bischen Entgegenkommen mit ruhigen Räumen und klarem Sprechen. Beziehungsprüfung! Wem ich nicht egal bin, der muss sich jetzt echt mehr bemühen. Sonst Schluß mit lustig.
Butzky – Berichte von der Front
Wenn’s von der Sorte ist, nicht kürzer halten, bitte! In meinem Satz war keine Ironie drin.
Ansonsten, ich denke, glaube ich, genau wie Du. Es geht um Grenzerkundung in allen Bereichen, technisch/CI-mäßig wie sozial. Was schafft man, was kann man ändern und wie, was muss man lassen? Womit kann man langfristig leben? Das ist ja auch die große Chance, die mit sowas wie dem CI einhergeht, das bringt sowieso schon mal frischen Wind rein.
Ich finde auch: Wenn man sich schon mal für das CI entschieden hat, dann soll man auch die Technik/und die Techniker nicht so schnell vom Haken lassen. Die machen es sich nämlich ihrerseits auch oft recht einfach mit einem bequemen aber vorschnellen „eingestellt ist alles top, wenn sie noch Probleme haben, dann müssen sie die sozial lösen“.
Ich lese hier jetzt schon eine ganze Weile mit, viele Probleme mit den Mitmenschen erkenne ich. Ich bin zwar nur leicht schwerhörig, dafür aber mit einem Dreifach-Ton-Tinnitus versehen,
@Pia und nqlb,
Von einer entfernten Bekannten habe ich erfahren, dass vor dem Einsetzen eines Ci umfangreiche psychologische Untersuchungen erfolgen, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat (hier über 60). War das bei Euch auch so?
Kommt drauf an was „umfangreiche psychologische Untersuchungen“ heißt. In keinem seriösen Zentrum wird ein CI implantiert ohne den Leuten ein bißchen auf den Zahn zu fühlen. Ganz egal wie alt. Was erwarten sie sich, verstehen sie was sie da machen wollen, wie gehen sie mit den erwartbaren Problemen um? Und wie sind sie aus psychologisch-pädagogischer Sicht einzuschätzen? Das machen die Ärzte und Ingenieure teils im Gespräch nebenher, bei mir war (routinemäßig) auch noch ein Termin mit einem Pädagogen anberaumt. Das mag allerdings in kleineren Zentren anders sein, wo sie zB weniger Personal haben. So dass dort, wenn es nötig scheint, dann gesonderte Termine gemacht werden.
@Petra: Da ich ja jetzt auch ein CI habe (OP war letzten Di), kann ich dazu direkt was sagen, wenn man die Alterskategorie mal nicht berücksichtigt (mit 28 hab ich ja noch nicht einmal die Hälfte bis zu den 60ern hinter mir ;)).
Der CI-Prozess erfolgt(e) bei mir in drei Stufen:
– Voruntersuchung (2 Tage)
– OP und Klinikaufenthalt (5 Tage)
– Erstanpassung (5 Tage) und weitere Anpassungen (ein Leben lang)
Während der Voruntersuchung wurden zum einen aufwendige Tests gemacht um festzustellen, ob eine medizinische Indikation für ein CI vorliegt (heißt im Wesentlichen: Innenohr kaputt aber Hörnerv in Ordnung). Das sind zum einen die „normalen“ Hörtests vom HNO-Arzt, dazu kommen dann aber noch BERA, Gleichgewichtsprüfungen, CT, MRT, …).
Zusätzlich gab es dann noch ein „pädagogisches Gespräch“ bei mir, in dem ein ziemlich langer Fragebogen mit einem Pädagogen durchgegangen wird, um die psychologische Eignung zu testen. Hier geht es dann darum festzustellen, welchen Antrieb man für ein CI hat, ob die notwendige Bereitschaft für den Lernprozess vorhanden ist, ob er reelle Erwartungen an ein CI hat (da gibt es wohl Leute, die denken, sie könnten damit besser als ein Normalhörender hören) und ob man mit sich „im Reinen ist“ (also z.B. Hörschädigung akzeptiert hat, etc.). Des weiteren hat man dann noch Gelegenheit Fragen zu stellen, etc. Ich finde den Namen „pädagogisches Gespräch“ zwar etwas bescheuert, das Gespräch an sich war aber ziemlich gut und ich hatte wohl auch ganz realistische Erwartungen.
Pingback: die ennomane » Blog Archive » Der Trend zum Zweitohr
Bei mir alle Voruntersuchungen wie bei Lars, aber kein „pädagogisches Gespräch“. Ist ein paar Jahre her, ich war erst 38 bei der Implantation und habe auch echt noch nie was davon gehört, dass man Leuten über 60 in ihrer Entscheidungskompetenz misstraut. Ist das so? Ich nehme eher an, dass der Psycho-Check regulär zum Leistungskatalog dazu gehört, wenn implantiert wird. Man weiß ja jetzt aus Erfahrung, dass die CI-Anpassung psychisch „sehr fordernd“ ist, gelinde ausgedrückt.
Ich hatte kein „pädagisches Gepräch“, durfte aber dem operierenden Arzt Löcher in den Bauch fragen zum CI, zur OP, zur Anpassung. Ich bekam sehr fundierte, sachliche Auskunft mit allen realistischen Prognosen. Ehrlich, informativ, ausführlich. Ich wusste, dass ich vor mir selbst mit der Entscheidung gerade stehen muss, auch wenn das CI wenig bringen würde. Aber schlimmer als komplett taub mit extrem lautem Tinnitus konnte es eh nicht mehr werden. Da war wirklich das kleinste Piepen des CI schon 100% Erfolg. Anfangs. Man wird ja dann unersättlich … 😉
Gerade gegen meinen Alptraum-Tinnitus war – und ist – das CI die geeignete Hilfe. Würde ich sofort wieder machen.
@ Lars: Uuiih, ein Frischling! Alles klar bei dir?
Darfst du schon Haare waschen? (Mach mal nicht diese üblichen heimlichen Versuche wie „Schraube an Kopf halten“, um den Magneten zu testen. Bringt nichts.)
Und: Alles langsam angehen. Bin an meinem ersten Arbeitstag nach der OP doch echt umgekippt – war zu hektisch. Alles Gute für die Abheilphase und dann den Anpassungszirkus!
@Pia: Geht alles ganz gut, wenn man davon absieht, dass ich ab und an einen etwas stärkeren Tinnitus habe. Ich gehe aber davon aus, dass sich das dann nach der Erstanpassung legt.
Haare waschen kommt heute an die Reihe (in der Version: Gaaanz vorsichtig und mit Becher über dem operierten Ohr) 😉
Ansonsten gehe ich aber wirklich alles langsamer an und bin glücklicherweise diese Woche auch noch krank geschrieben.
Pia, ich habe allerdings auch noch nie gehört, dass jemand aufgrund von Bedenken, die Erwartungen seien zu hoch oder er/sie sei nicht genug bereit zu lernen, ein CI verweigert wurde. (Ich meine jetzt nur diese mentalen Psychogründe.) Ob es sowas wohl gibt?
Lars, geh’s schön ruhig und entspannt an, aber das machst Du ja schon. 🙂
Ich glaube bei dem Gespräch geht es auch eher darum, die Erwartungen richtig „einzustellen“, so dass der Patient bzw. die Eltern vorher wissen, was realistisch ist und was nicht. Wegen der Erwartungshaltung alleine wird wahrscheinlich niemand abgelehnt.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass es durchaus einige Fälle gibt, bei denen die Implantation abgelehnt wird, da der Patient unter Druck gesetzt wird die OP zu machen, obwohl er/sie es gar nicht möchte.
Aber wie gesagt: Der Name dafür ist bescheuert und bei mir war das Gespräch ziemlich locker und auch informativ. Aber ich wollte das CI ja auch selber und wusste vor der Voruntersuchung schon ziemlich genau, was da alles kommt und was ich erwarten kann und was nicht.
@Pia: Bei Dir wird wahrscheinlich auch eine Eignungsprüfung gemacht worden sein, aber man muss das ja nicht extra in einem Programmpunkt verpacken, sondern kann das ja auch „nebenbei“ machen ohne das der Patient es wirklich direkt merkt. Und wenn Du selbst schon offensiv und reflektiert an die Sachen rangehst und dem Arzt Löcher in den Bauch gefragt hast, dann dürfte das Thema auch schnell abgehakt gewesen sein.
Nein, bei mir keine „Eignungsprüfung“, definitiv nicht!
Was du meinst, wurde erst in späteren Jahren als „audiotherapeutische Beratung“ eingeführt und hat auch keineswegs die Zielsetzung einer Zulassungsprüfung des Patienten. Es geht wohl eher um die rechtzeitige Beratung VOR der Operation zu allen Belangen, die über das rein Medizinische hinaus gehen (sehe ich auch so wie NQLB).
Das bietet Gelegenheit, die Beweggründe und Erwartungen ausführlich zu klären, anstatt einen CI-Anwärter „durch die Prüfung“ fallen zu lassen – das wäre eine verzerrte Sichtweise.
Damals habe ich andere CI-Träger, die ich vor der OP befragt habe, für diese Phase genutzt. Deren Erfahrungen haben mich am besten auf alles vorbereitet, ohne sie hätte ich es nicht gemacht. Allein zu erleben, dass die „alten Hasen“ in unseren Gesprächen besser verstanden und heiterer waren als ich (mit depressiver Erschöpfung wegen der Ertaubung), machte mir klar, dass das CI eine Erleichterung sein kann. Ich konnte ja tatsächlich SEHEN, dass die CI-Träger entspannter lebten. Da wurde aus dem fremden „Monsterding“ eine ganz relalistische Chance für mich. Aber den Mut dazu habe ich dank der anderen CI-Trägern bekommen.
Ganz klar.
Bei mir auch: Die anderen. Lustigerweise aber nicht die, die ich traf, sondern welche aus dem Internet, die ich bis heute nie persönlich getroffen habe.