Über diesen Beitrag im ZDF freue ich mich noch immer. Leider gab es keine Untertitel. Jetzt aber kann ich Euch endlich ein Transkript zur Verfügung stellen. VIELEN Dank an Philipp und Katharina von Hören ohne Barriere e.V. für diese Unterstützung!
Zum Transkript hier entlang:
Alexander Görsdorf, 38 Jahre alt, mehrsprachig, promovierter Soziologe. Er liebt Musik und Besuche im Bonner Kunstmuseum. Und er verliert aus unbekannter Ursache seit seinem vierten Lebensjahr kontinuierlich sein Hörvermögen.
Schwerhörig.
Alleine unter Hörenden.
„Man steht daneben, in einer Gruppe von Menschen, zwei Zentimeter daneben und ist doch weit weg. Ich bemühte mich mitzukommen im Gespräch, dabei zu bleiben, mitzureden und bin trotzdem immer weiter zurückgefallen. Das ist ganz merkwürdig, letztlich wirkt das wie dement, wenn man am Tisch sitzt, sich aber nicht am Gespräch beteiligt, immer nur nett lächelt. Sieht aus wie Demenz, nicht wie Schwerhörigkeit. Schwerhörigkeit sieht man halt nicht.“
Der Soziologe arbeitet in Bonn als Referent beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ein Büro im ehemaligen Kanzleramt. Eine steile Karriere.
Vor vier Jahren hat sich Alexander Görsdorf operieren lassen. Er trägt jetzt ein Cochleaimplantat, ein Innenohrimplantat. Die fortschreitende Ertaubung ist gestoppt. Das rechte Ohr unterstützt ein Hörgerät, doch wie richtiges Hören ist es nicht.
Die Konferenz, Hochleistungssport für das Gehirn.
„Für mich sind schlagfertige Gespräche immer noch eine Herausforderung.
Ich bin nicht gepolt. Ich bin nicht geübt darin, in sekundenschnelle zu antworten. Aber es ist leichter geworden.“
Alexander Görsdorf (spanisch)
2008 studierte er an der renommierten amerikanischen Harvard Universität.
Das war mutig, denn damals hörte er nur noch 10%.
Absurde Erlebnisse mit besser hörenden Mitmenschen waren die Folge.
Er schrieb sie auf für das Internet.
Seinen Blog über Schwerhörigkeit taufte er „Not quite like Beethoven“, nicht ganz wie Beethoven.
„Ich hab den Namen ‚Not guite like Beethoven‘ aus zwei Gründen gewählt. Der eine ist, ich habe als Kind gerne Klavier gespielt, das ist kein Widerspruch, denn schlecht zu hören heißt ja nicht, dass man nicht gut hinhören könnte. Zu den Tönen hören und dann ein Gefühl dazu haben. Und damals habe ich gerne Beethoven gespielt. Ich bin aber nicht ganz wie Beethoven, weil ich abgesehen davon, dass ich kein genialer Komponist bin, eben auch nicht an meiner Taubheit oder Ertaubung verzweifeln wollte, wie Beethoven das getan hat.“
Der Blog wurde und ist bis heute ein Riesenerfolg. Er wurde sogar vorgeschlagen für den Grimme-Preis. Tausende Schwerhörige und Nichtschwerhörige identifizieren sich mit den absurden Situationen beim Aufeinandertreffen der beiden Hörwelten.
„Wenn einer leise flüstert: ‚Ich liebe dich.‘
Und man fragt: ‚Was?‘
Und sagt: ‚Ich liebe dich!‘
‚Wie?‘
‚Ich liebe dich!!‘
‚Ich habe gesagt, ich liebe dich!!!‘
Und schon ist die Stimmung weg.“
„Man kann sich kaum vorstellen, dass Schwerhörigkeit Einfluss darauf hat, was man so gerne isst. Aber das ist in der Tat so. Ich habe in der Zeit, in der ich kaum etwas hörte gemerkt, dass ich immer häufiger meine Teller nicht geschafft habe, wenn ich mich mit Leuten beim Essen unterhalten wollte. Ich war so darauf fixiert darauf, was sie sagten. Ich habe an ihren Lippen gehangen, um einigermaßen zu verstehen, was sie sagten, um den akustischen Brei, der bei mir ankommt, den Sinn zu entlocken, dass ich überhaupt nicht dazu gekommen bin, dabei noch zu löffeln geschweige denn hinzuschauen.
Schwerhörige sollten zumindest, wenn sie sich beim Essen in der Gruppe unterhalten wollen, am besten leicht löffelbare und wenig zerschneidbare Speisen wählen, also ganz einfach ist Eintopf und ein großer Löffel. Schwieriger sind bestimmte Salate ganz zu schweigen von sowas wie Krustentieren.“
Aus dem Blog „Not quite like Beethoven“ ist nun sogar ein Buch geworden.
Witzig und schonungslos.
Alexander Görsdorf hat ihm den Titel „Taube Nuss“ verpasst.
„Und du?“
Lino und Stefan guckten mich erwartungsvoll an.
„Was ist dein Beuteschema?“
Ich musste nur kurz überlegen.
„Ich habe nur Freundinnen mit tiefen Timbre, versteh ich einfach besser.“
Hektisch haspelnde Frauen konnten genauso wenig bei mir landen wie Leise oder mädchenhaft Flötende.
Meine weiblichen Freunde waren darum auch ganz und gar nicht piepsig, sondern ausgesuchte Resonanzkörper.“
Alexander Görsdorf mag schwerhörig sein, eines ist er jedoch auf keinen Fall,
eine taube Nuss!
Hallo Alexander,
das ist ein sehr schöner Beitrag geworden. Danke dir fürs Posten und für das Transkript!
Sei mir lieb gegrüßt
Susanne
Hallo Susanne, so sieht man sich wieder…….die Welt – ein Dorf.
Ja,ich habe heute SEHEN STATT HÖREN gesehen und der viel zu kurze Beitrag von Dir, Alexander, hat mir gut gefallen. ich habe im Gegensatz zu Dir es leider nicht so gut gelernt, offensiv mit meiner Schwerhörigkeit umzugehen. Manche schwerhörig aufgewachsenen Kinder haben ja ausserdem so wie ich noch weitere Defizite. Ich selbst habe die Erfahrung mit Dir gemeinsam, dass man nirgendwo richtig dazugehört. Mit zunehmendem Alter ist auch jedes Gespräch anstrengender als früher.
Ich habe die Gebärdensprache schon früh als Unterstützung der Kommunikation begriffen und verwende sie auch gern dazu.Das heisst jedoch nicht, dass ich in der Welt der Gehörlosen zuhause bin.
Ich bin auch hier nur Gast,nur dabei,nicht mittendrin. So ist meine Welt klein ngeworden und beschränkt sich zurzeit auf Ehe und Herkunftsfamilie.
Ich freue mich aber für jeden Hörgschädigten, wenn dieser einen Beruf finden konnnte, der ihn ausfüllt und befriedigt und der ausserdem ein gutes privates Umfeld hat. Ich wünsche Dir,Alxander, weiterhin alles Gute und werde Deinen Blog weiterhin verfolgen.
Grüssele Dorena
Freut mich, wünsche viel Spaß!
Hallo, ich lese mit Begeisterung.
ich bin von Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig. Meine Eltern haben es nicht wahr haben wollen. Ich habe „normale“ Schule besucht, meine Mutti hat mit mir bis zur Verzweiflung lesen geübt, sie ging in meinen ersten Schuljahren nicht arbeiten. Mein Vati machte Diplom, so konnte ich mich mit ihm über Mathe, Physik etc. austauschen. Lese perfekt vom Mund ab, muss aber wissen um was es geht. Danach frage ich manchmal, ja da bekommt man mitunter auch einen etwas merkwürdigen Blick.
Es ist für mich das erste Mal, dass ich mich so wieder erkenne. Stille Post war auch für mich ein Graus. Ich muss so lachen.
Sehe schon lange die Sendung „sehen statt hören“.
Bewundere die Menschen, die da vorgestellt werden. Auch dich Alexander bewundere ich, wie weit du es gebracht hast.
Danke für deinen Blog und ich werde mir das Buch kaufen.
Gruß Cornelia
Vielen Dank, bitteschön — und wünsche viel Spaß beim Lesen!
Einfach toll, ich könnte immer weiterlesen… :o)