Am Schlimmsten sind diese Momente, in denen man eigentlich nichts als Zuspruch und Motivation braucht — aber dennoch eine ordentliche Watschen bekommt. So wie heute mein Bekannter D.
Als er nach einem Hörsturz plötzlich kaum noch etwas hörte, entschloss er sich ziemlich schnell zu elektrischen Ohren, also Cochlea-Implantaten (CIs). Dann kehrte er wieder ins Berufsleben zurück, allerdings bei einem anderen Arbeitgeber. Telefonieren war ein wichtiger Teil des Jobs. Dem Arbeitgeber und den Kollegen erzählte er zunächst nichts von seiner Schwerhörigkeit. Erst als die Nerven nach ein paar Monaten blank lagen, weil er bei jedem Telefonklingeln in Panik geriet, ob er den Anrufer auch verstehen würde, überlegte er hin und her, ob er es vielleicht doch erzählen sollte. Schließlich erzählte er es. Das Gespräch war wohl nicht schön. Er wurde nach Ende der Probezeit nicht weiterbeschäftigt. Seine ansonsten guten Leistungen hätten keine Rolle gespielt, sondern nur dass er nicht richtig funktioniert habe.
Danach hat er an die 50 Bewerbungsgespräche gehabt und keines davon hatte den gewünschten Erfolg. Immer wieder das Gleiche, sagte er, so viel Aufklärungsarbeit sei noch zu leisten. Immer wenn er das CI offen erwähnt habe, dann sei er in der ersten Runde gescheitert, wenn er es verschwiegen habe, dann oft erst in der zweiten. Die Gesellschaft wisse einfach nicht genug über die Möglichkeiten und Grenzen von Schwerhörigen im Allgemeinen und CI-Trägern im Besonderen. Und die Behörden, die seien eben auch oft nicht hilfreich.
So sehr ich den letzten beiden Sätzen auch zustimme. Bei solchen Geschichten glaube ich, liegt der Hase zumindest teilweise auch anderswo im Pfeffer als bei der Gesellschaft.
Ich sagte also nur sehr kurz: „Och, verdammt, Recht hast Du. Diese Idioten, komm, wird schon. Mach Dir nichts draus, werden schon sehen, was sie davon haben.“
Dann sagte ich: „Wer soll denn den Arbeitgeber aufklären außer Du selbst? Wer, außer Dir selbst, soll den Leuten, die Dir im Vorstellungsgespräch gegenübersitzen, denn einen Eindruck vermitteln auf was sie sich einlassen, wenn sie Dich nehmen? Wer außer Dir soll darüber bestimmen, was Du kannst und was nicht? Wenn überhaupt irgendjemand im Vorhinein eine Einschätzung darüber treffen soll, ist es doch besser, man macht es selbst. Wenn Du herumdruckst oder ganz schweigst, stehen die Chancen gut, dass Du später mal nicht nur ein Problem hast, sondern selbst eins wirst für Deinen Chef. Wenn Du es offen ansprichst und erzählst, wie Du damit umgehst, hast Du die Chance, Dich als Problemlöser zu präsentieren.“
Das ist alles nicht einfach. Als ob es nicht schon schwer genug wäre, nur schwerhörig zu sein. Aber das reicht eben nicht. Und daran kann man nicht nur den anderen die Schuld geben.