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Netter Versuch, aber Dialog sieht anders aus! o2 und die Behinderten

Die Situation? Ausgrenzung durch Unterlassung würde ich sagen. Denn zwar verbinden Handy und Internet Menschen in noch vor 15 Jahren unvorstellbarer Weise.  Aber wenn sie Ton- und Sprachausgabe nicht hören, Schrift und Bild nicht sehen oder die gängigen Eingabegeräte nicht bedienen können, dann können Behinderte Sprach- und Datendienste in festen und mobilen Netzen nicht nutzen. Und an der Gemeinschaft und Produktivität, die  die Anwendungen moderner Telekommunikation stiften, nicht teilhaben. Auch speziell auf bestimmte Einschränkungen zugeschnittene Tarife oder Möglichkeiten, Kundenbetreuung und Support zu erreichen, gibt es in Deutschland soweit ich sehe nicht. Was alles machbar wäre, habe ich an einem wirklich vorbildlichen Beispiel aus den USA beschrieben.

Darum will ich zuerst mal Telefónica o2 Germany loben — weil sich der viertgrößte Mobilfunknetzbetreiber Deutschlands des Themas annimmt!

O2 will den Dialog mit Behinderten (und dabei wie es scheint besonders mit Schwerhörigen und Gehörlosen) sowie an Behinderung Interessierten aufnehmen. Dafür haben O2 und UPJ, ein Verein, der Unternehmen bei gemeinnützigen Aktivitäten unterstützt, extra eine Online-Plattform eingerichtet. Dort kann jedermann Beiträge einstellen und die anderer kommentieren. So möchte O2 von Problemen erfahren, die Behinderte zu bewältigen haben damit Internet und Telefon nutzbar sind und diskutieren, welche Chancen sich für sie ergeben könnten. Ich finde das grundsätzlich gut und möchte meine Leser ermutigen: Schaut Euch das mal an! Ich habe mich dort vorgestern nach einigem Zögern auch beteiligt.

Wer mich kennt, weiß aber, dass ich hellhörig werde, wenn sich Behörden oder Unternehmen Dialog auf die Fahnen schreiben. Denn was passiert hier? O2 lässt eine Frage ins Netz schreiben („Brücke oder Graben: Welchen Einfluss hat die moderne Telekommunikation auf die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderung?“) und wartet ab, was kommt. Währenddessen wird die Aktion schonmal als corporate responsibility verkauft.

„Diskutieren Sie mit!“ sagt O2. Aber von Diskussion ist zumindest nach einem Monat Laufzeit nicht viel zu sehen. Und das ist auch kein Wunder. Denn welchen Einfluss auf wen man sich durch die Beteiligung erhoffen darf, ist unklar. Da werden Erfahrungen und Überlegungen abgefragt, Betroffene und Interessierte setzen sich hin und schreiben. Sie antworten O2. O2 dagegen will es einfach nur wissen. Dialog und Diskussion meinen in diesem Fall Dialog und Diskussion ohne O2.

Am Ende des Diskussionszeitraums wird eine Zusammenfassung der Beiträge erstellt und zumeist auf Grundlage der Ergebnisse eine Veranstaltung mit weiteren Experten und Mulitiplikatoren zum jeweiligen Thema organisiert. Die Auswertung der Beiträge sowie der direkte Dialog im Rahmen der Veranstaltung eröffnen den Auftraggebern der Fragestellung die Möglichkeit, die Meinungen und Sichtweisen der Teilnehmer und Experten, in ihren internen Entscheidungsprozess zu entsprechenden Fragestellungen einzubeziehen. […] Alle Teilnehmer erhalten nach dem Ende der Diskussion eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse sowie auch einen Hinweis darauf, wie der Fragesteller diese in seinen Entscheidungsprozess einbeziehen wird. [Quelle]

Das heißt: In den „Dialog“, den man anstoßen möchte, steigt man selbst nicht ein. Mehr noch, O2 fragt gar nicht, was O2 tun könnte, sondern was „Politik, Wissenschaft, Behindertenverbände und Unternehmen“ tun könnten und sollten. Damit ist jeder und niemand direkt angesprochen. Indem man sich beteilige könne man, wie es hier heißt, „Einfluss auf gesellschaftlich relevante Themen nehmen.“ Geht es vielleicht noch bißchen breiter und unbestimmter?  O2 macht sich systematisch frei von jeder direkten Antwortpflicht.

Ich finde es grundsätzlich gut, dass sich ein Unternehmen wie O2 offen, ja wißbegierig zeigt. So wie es bisher läuft, ist mir allerdings der Nutzen für das Unternehmen, sich wißbegierig und offen zu zeigen deutlicher als der für diejenigen, die dem Unternehmen ihre Zeit und Mühe schenken. Den Kunden und der Zielgruppe, um die es hier angeblich gehen soll.

Dialog mit Kunden sieht anders aus. Aber im Unterschied zum als Vodafail bekannt gewordenen Versuch eines Mitbewerbers sehe ich hier einigermaßen gute Möglichkeiten, das Ganze zum besseren zu wenden. Thema und Zielgruppe sind definierter, und vielleicht bietet gerade die Unklarheit dessen was dabei herauskommen soll, eine Chance.

Ein Konzern sucht — jedenfalls nach eigener Aussage — den Dialog. Tun wir was dafür! Geht mal rüber , bildet Euch Eure Meinung und beteiligt Euch. Kritisch. Ich würde mir nur wünschen, dass sich auch O2 an seinem eigenen Dialog beteiligt, damit dieser den Namen auch verdient. Und bin wie immer auch hier an Euren Meinungen und Kommentaren interessiert.

[Nachtrag: Wie die Geschichte (vorerst) zu Ende ging, lest ihr hier.]