Andrea Diener hat mich drauf gebracht: Bis heute bin ich einer der weniger duldsamen Menschen beim Filmegucken, und das alles nur wegen nur diesem einen Kopfhörer.
Als ich klein war, hörte ich nicht so schlecht wie heute. Ich war nur leicht und dann mittelgradig schwerhörig. Darum hatte ich Probleme, Filme zu verstehen. Doch es war nicht unmöglich. Zuhause — denn Kino war etwas Besonderes, Filmegucken hieß also meistens Fernsehgucken — nahm ich dazu den großen, geschlossenen Kopfhörer meines Vaters.
Mit Kopfhörer gab es nur mich und den Film. Etwaiges Rumoren oder die Unterhaltungen meiner Eltern hörte ich nicht.
So ging das jahrelang, und meine Begeisterung für Filme wuchs. Ich weiß nicht mehr genau, warum ich irgendwann mit dem Kopfhörer aufhörte. Vermutlich, weil ich ohne Hörgeräte auch mit Kopfhörer nicht mehr gut verstand. Ab da hörte ich wie alle anderen im Raum auch — per Lautsprecher. Mit Hörgeräten, so gut es eben ging, später mit Untertiteln.
Bald darauf hatte ich als etwa 12-jähriger Naseweis das Gefühl, dass früher die Filme besser, fesselnder gewesen waren. Und ich brauchte eine Weile um zu merken, dass das an den fehlenden Kopfhörern lag. Daran, dass ich nicht mehr vollkommen eingehüllt war in den Sound des Films und nur den Sound des Films. Statt dass ich im Film zu versank, lief da halt ein Film im Raum.
Und bald stellte ich fest, dass mich nicht nur störte, wenn Mitzuschauer Geräusche machten oder den Film kommentierten. Nein, ich fand es auf schwer beschreibbare Weise dem Film gegenüber nicht gerecht. Es war nicht so, wie ich Filme zu gucken gelernt hatte. Das einzige, was mich komischerweise nie störte, war Lachen. Natürlich nur, wenn es auch ein lustiger Film war.
Heute gucke ich zwar sehr gerne Filme mit Freunden. Und ich bin jemand, der so gut wie nie allein ins Kino geht. Aber ich lerne nur langsam, Popcornkino zu mögen, bei dem nicht alle still und aufmerksam sind. Die Geräusche und Bewegungen der anderen irritieren mich. Wer schwatzt, kriegt fast immer einen bösen Blick ab. Und manchmal muss es einfach per Kopfhörer sein. Nur der Film und ich.
[Nachtrag: Weil ich per E-Mail gefragt wurde — Nerd nenne ich das weil ich nur entweder Filmegucken oder soziale Beziehungen zu Anwesenden pflegen kann. Allenfalls ein bißchen streicheln, das geht.]