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„Behindert ist man nicht, behindert wird man“ — doch kein guter Spruch?

Es ist ja einiges dran, gerade wenn man ihn benutzt um gegen Diskriminierung anzugehen. Aber ist so zu reden wirklich eine gute Idee? Zumindest ist es nur die halbe Wahrheit, finde ich, jedenfalls was Hörbehinderung angeht.

Damit behauptet man ja, Behindertsein sei keine Eigenschaft einzelner Menschen, sondern das Ergebnis des diskriminierenden Tuns von Menschen. Und schiebt denen damit den schwarzen Peter zu. Aber wenn man das wirklich ernst nimmt, dann müsste man doch auch sagen: Wer schwerhörig ist, behindert Normalhörende. In ihren Kommunikations- und Entfaltungsmöglichkeiten nämlich.

The Fountain on Washington Square -- Photo by Not quite like Beethoven, all rights reserved

Das ist jetzt nicht nur Wortakrobatik, sondern genau das, was mich oft an meiner Schwerhörigkeit verzweifeln läßt. Dass es nämlich letztlich immer wieder darauf hinausläuft, anderen zur Last zu fallen — indem man sie um Hilfe bittet. Nochmal sagen. Nicht so, sondern so reden. Etwas aufschreiben, einen Moment warten weil gerade ein Störgeräusch da ist. Näher herankommen. Was hat der da drüben gerade gesagt? Man lese nur all die Regeln die ich selbst aufgestellt habe. Natürlich hab ich guten Grund, das zu fordern; nette Menschen sehen das ein und wollen mir helfen. Es ist ja auch nicht so viel verlangt. Und es gibt sogar Situationen, in denen alle davon profitieren, wenn ‚ordentlich‘ geredet wird.

Aber trotzdem, es bleiben Forderungen. Und zwar viele und immer wieder. Dieses dauernde Querulantsein macht mich echt fertig. Mal ganz davon abgesehen, dass selbst beste Freunde oder Ehepartner von ständigem Wiederholen öfters unwillkürlich aggressiver werden oder von den ganzen Notwendigkeiten genervt sind. Weil es einfach nie leicht ist mit mir.

Wäre es dann nicht eigentlich zutreffender — und vielleicht auch politisch schlauer — wenn man den Spruch sein ließe? Und stattdessen sagte, es sind gar nicht Menschen die behindert werden, sondern die Kommunikation?

Erstens verteilt man dann keine schwarzen Peter. Und zweitens sieht man dann gleich, dass Hörbehinderung ein Problem ist, das nie nur einen allein betrifft. Und auch nicht von einem allein gelöst werden kann. Egal wie sehr man sich anstrengt. Es braucht immer beide (oder alle) Beteiligte.

Nur mal so in den Raum gestellt…