„Ist das nicht ein starkes Hörgerät?“, fragte mich Freund P. mit Stolz. Und nach einem Blick auf das Foto, das er mir hinhielt, musste ich zustimmen. Wie ein Weltempfänger sieht es aus, findet Ihr nicht? So als ob er der ganzen Welt zuhören könnte.
„Das ist übrigens mein Vater“, fügte P. hinzu. „1951, da war er 57. Das eine Ohr wurde in der Kindheit durch eine schlecht behandelte Mittelohrentzündung taub, das andere durch einen Geschütz-Abschuss in unmittelbarer Nähe, im 1.Weltkrieg. Ein Trottel von Kriegskamerad hatte vergessen, den Warnruf zum Zuhalten der Ohren zu geben.“
Traurig, wenn einem so etwas widerfährt. Auch heute noch sind ja Krieg und Wehrdienst, neben dem iPod, wohl die größten Schwerhörigkeitsproduzenten. Es zeugt von Größe, diesem Menschen hinterher nicht immer wieder die Schuld zu geben und sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Orgien des „Ach, wäre doch nicht!“ zu ergehen.
P. erzählte weiter: „Das Foto habe ich rausgesucht, weil Du neulich von Dir selbst als ‚ich als alter Schwerhöriger‘ sprachst. Da musste ich an ihn denken. Das Lächeln und freundliche Nicken hatte er auch zur Perfektion gebracht. Wenn das nicht mehr reichte für sein Gefühl, hat er einfach angefangen etwas mit lauter Stimme zu erzählen, das passte zwar oft nicht so direkt, war aber immer interessant. Etwas aus der Zeitung oder aus der Kunst, etwas von Goethe oder von seiner Filmarbeit,von den Lügen der Werbung, die er ja mit Zeichentrickfilmen betrieb. Danach hat er oft freundlich lächelnd das Hörgerät einfach abgeschaltet und hatte Ruhe.
Eine grosse Grund-Zufriedenheit strahlte er trotz der Behinderung aus. Er hatte beide grossen Kriege nach schrecklichen Erfahrungen wundersam überlebt. Er liebte seine Arbeit, das Zeichnen. Und er hatte eine liebende Frau, die alles übernahm, was mit dem Hören zu tun hatte und ihm das ‚übersetzte‘. Sie sprach das Wichtige nach, das konnte er dann von ihren Lippen ablesen.“
Lieber P., vielen Dank für die Geschichte und das Foto! Nur eine bißchen komische Bildkomposition ist das. So mit dem Abstellbrett und dem laufenden Wasserhahn im Vordergrund…
„Ich weiss noch ,dass der Fotograf damals das Hören oder Nichthören damit sichtbar machen wollte. Ob das so schwer vorstellbar war?“