Schlagwort-Archive: Hörgeräte

Gezwitscher hören und sehen

Gezwitscher ist eins der Dinge, die mir die Ertaubung relativ schnell genommen hat. Da ist es ja eigentlich passend, dass ich nun, mit  elektrischem Ohr, es nicht nur wieder höre — sondern eins drauf setze und schriftlich zwitschere: Mit Not quite like Beethoven kann man sich jetzt auch bei Twitter unterhalten.
Lesen wir uns dort? Würd‘ mich freuen! –>klick<–

Übrigens, ich bitte um Entschuldigung für die lange Abwesenheit. Ich werde jetzt nach und nach auf die Kommentare antworten.

Warum poltert er so?

Klopfen. Bisher war mir nicht klar wie gestört eigentlich meine Beziehung zu Klopfen ist. Die gute Freundin, bei der ich gerade zu Besuch war, wohnt mit ihrem Liebsten in einer wunderschön weitläufigen Altbauwohnung. Fast jedes Zimmer hat zwei Türen. Auch das Bad, eine in den Flur, eine direkt in ihr Schlafzimmer. Nur — beide Türen lassen sich nicht abschließen.  Und ich höre ja von außen nicht unbedingt, ob wer drin ist.

„Kein Problem“, sprach die Freundin, „Kannst ja klopfen, wenn Du rein willst. Dann rufen wir, wenn schon wer drin ist.“ Das leuchtete mir natürlich ein. Und es dauerte genau bis zum nächsten Morgen, genau bis ich mich ausgezogen und unter der Dusche eingeseift hatte, bevor mir einfiel, was ich vergessen hatte zu sagen: Dass ich so ein Klopfen gar nicht hören würde, ohne Hörgerät und ohne elektrisches Ohr. Keins davon hatte ich mit ins Bad genommen. Ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr so viel Krach im Bad gemacht, damit sie auch ja Bescheid wissen.

Muss wohl ausgleichende Gerechtigkeit gewesen sein.

[Auf Nachfrage in den Kommentaren hin: Das Problem bei der ganzen Badgeschichte ist nicht das Nacktsein, sondern dieses blöde Gefühl des Ausgeliefertseins.]

Was darf Werbung?

Jens Scholz vermißt Anstand in der Werbekampagne eines Hörgeräte-Akustikers. Ich finde zu Recht. Noch mehr aber finde ich sie einfach um ein schlechtes Wortspiel herum gemacht. Das habe ich drüben schon in einem Kommentar geschrieben. Und was denkt Ihr?

Nachtrag: Die Werbung auf der Homepage des fraglichen Akustikers dagegen („Sie verstehen Ihre Welt nicht mehr?“) finde ich wirklich sehr gut! Besonders die verstörten und deplatzierten Gesichtsausdrücke der Schwerhörigen.

Hörgeräte Kaufen — Nichts für zaghafte Naturen: Fünf Tips wie man einen guten Akustiker erkennt

Schnell „Ich hätte gern ein Hörgerät“ sagen, kaufen und damit weggehen. Hahaha, guter Witz. So einfach ist es nicht. Eher wie wenn man sich auf eine Beziehung einläßt. Eine langjährige, mit dem Akustiker oder der Akustikerin nämlich. Wenn‘ schief geht, ist man unglücklich oder hat viel Ärger.

Außerdem ist das immerhin jemand, der oder die einem glitschiges Zeugs ins Ohr drückt, was solange schmatzt bis das Ohr vollständig verschlossen (und der Druckausgleich im Kopf im Eimer) ist. Und es dann an einem Bindfaden mit sattem Ploppen wieder herauszieht. Vor dem man sich hörmäßig nackig machen muss. Wie erkenne ich also eine/n gute/n?

Vor ein paar Monaten wurde ich über HörBiz auf  diesen Test von Hörgeräteakustikern aufmerksam. Das fand ich zwar interessant aber nicht besonders aussagekräftig. Ich kenne diese Ketten auch nicht, daher kann ich nicht beurteilen ob ich zustimmen würde. Hier eine saloppe Reihe von Punkten, die mir wichtig sind:

  1. Darauf achten, dass man persönlich mit dem Akustiker oder der Akustikerin kann. Denn man wird viel Zeit dort verbringen. Also einfach mal darauf achten, ob man sich mit der Person gut aufgehoben fühlt.
  2. Gleich am Anfang mal die Geduld des Akustikers oder der Akustikerin testen. Denn die rechte Anpassung fällt nicht vom Himmel — es ist oft zu laut, zu leise oder zu verzerrt. Und es wird 100%ig mehrere Termine dauern, bis die richtige gefunden ist. Man muss oft viel herumprobieren; es ist schwierig, Höreindrücke in Worte zu fassen. Man sollte nie das Gefühl haben müssen, dass man stört.
  3. Mindestens zwei verschiedene Marken und Modelle sollten einem angeboten werden, nachdem der Typ des Hörverlusts geschildert ist. Denn die unterscheiden sich oft deutlich in Einstellmöglichkeiten, Extras, Preis und nicht zuletzt: Klang.
  4. Einfach zum Vergleich sollte man sich auch mal ein ganz billiges Gerät anpassen lassen und ein paar Tage damit herumlaufen. Vielleicht braucht man ja gar kein teureres mit viel Schnickschnack — und wenn doch, dann weiß man wenigstens warum. Ich habe das selbst gemacht und dabei viel gelernt.
  5. Und am Schluss, auch wenn’s schwer fällt: Einen Kostenvoranschlag eines anderen Akustikers einholen. Es könnte sich lohnen. Auch das ist etwas, das mir eigentlich zu mühsam und zu unangenehm war, mit dem ich aber einiges Geld gespart habe.

Übrigens, die schönste Beschreibung was man erleben kann, wenn man ein Hörgerät erhält, stammt von Moira (englisch und die Serie hat inzwischen mehrere Teile. Einfach drüben bei ihr im Blog den Titel suchen.)

Und an die Hörgeräteträger unter uns: Was habt Ihr für Erfahrungen beim Hörgerätekauf gemacht? Wie erkenne ich einen guten Akustiker oder eine gute Akustikerin? Worauf kommt es an?

Punkrocksicher — Wie Hörgeräte meinen Musikgeschmack veränderten

Ich hatte mal Hörgeräte, die waren punkrocksicher. Widex C18, es waren die besten Geräte die ich je hatte, vor allem weil sie eine super Störschallerkennung hatten. Ich verstand in lauten Restaurants besser als meine Eltern und ihre Freunde. Das ansonsten unerträglich laute Geplapper der anderen Menschen wurde auf ein sanftes Säuseln herabgedämpft. Das müsst Ihr euch mal vorstellen: Ich. Als Schwerhöriger. Verstand! BESSER! Solche Freude!!

Nur, sobald irgendwo Punkrock kam — ich rede hier von sowas wie The Exploited, Dead Kennedys, Slime — regelten die Geräte ihn automatisch runter. Drehte ich die Lautstärke hoch, regelten sie noch mehr runter. Selbst auf Konzerten war das so. Es war frustrierend!

Ich glaube damals begann ich, etwas melodischere Sachen zu hören. Zuerst Primus

… und irgendwann war ich dann eher bei so Sachen, wie Ihr sie (neben anderem) hier im Blog unter Schöne Töne findet.

(Und ein andermal gibt’s dann auch was über aktuelle Musik.)

Innenohr-Implantate: Das Objekt der (Wachstums-)Begierde für Hörgerätehersteller

Zuletzt ging’s hier so persönlich und intensiv zu — weiß gar nicht wo ich den Faden wieder aufnehmen und weiterbloggen soll. Drum greif ich mal etwas auf, das mir schon länger im Kopf rumschwirrt: Die Hör-Geräte-Industrie.  Denn bei aller Hilfe, die die Geräte zweifellos sind, existieren sie ja auch, damit jemand damit Geld verdienen kann. Und zwar, wie immer, möglichst viel Geld.

Das sieht man gut an einer Schlagzeile der letzten Woche, über die ich mir im folgenden ein paar schnelle Gedanken mache: Für umgerechnet rund 340 Millionen Euro wird Sonova, einer der weltweit größten Hörgeräte-Hersteller, Advanced Bionics (AB) kaufen — einen amerikanischen Hersteller von Cochlea Implantaten (CIs).

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Die Welt mit den Naidas hören

Hearing Aids -- Photo by BitBoy / flickr, some rights reserved

Man darf sich das Anprobieren und Tragen von Hörgeräten nicht wie das von Kleidern vorstellen. Jedenfalls wenn es keine leichte Schwerhörigkeit ist, sind damit so umwälzende Änderungen des, man kann’s nicht anders sagen, In-der-Welt-Seins verbunden wie sonst nur mit Drogen. Mit dem Höreindruck der Geräte, die ich gerade getestet hab, war ich 4 Wochen ständig unsicher und angestrengt. Und bei der Musik schließlich haben sie mich nur noch zum Heulen gebracht.

Das Besondere an Phonak Naida Hörgeräten ist, sie transponieren Frequenzen, die man nicht oder nur sehr schlecht hört, in Bereiche, in denen man noch etwas hört. Für viele bedeutet dass, das sie Töne hören, die sie schon lange nicht mehr gehört haben. Vogelzwitschern etwa.

Hören mit den Naidas war als hätte sich ein Nebel über die (akustische) Welt gelegt, aus dem Geräusche irrlichternd und gepreßt hervordrangen. Und das obwohl meine Augen sagten, dass alles wie immer war. Manches klang näher als ich vermutet hätte. Anderes, Nahes, hörte ich gar nicht — und erschrak wenn dann auf einmal jemand direkt neben mir stand und mich schon zweimal angesprochen hatte. Was ich sah paßte überhaupt nicht zu dem was ich hörte. Es hörte sich nicht einfach komisch an, meine ganze Welt war verschoben und verzerrt. Nur wenn ich die Augen schloss paßte es wieder.

Ich hätte die Geräte am liebsten ziemlich schnell wieder weggelegt, doch ich musste zumindest probieren ob ich mich eingewöhne. Aber so richtig wurde das Zähne Zusammenbeißen nicht belohnt. Es irrlichterte weniger, ich gewöhnte mich daran. Nur: Die Naidas mögen vielen deutlich besser als andere Geräte helfen, mir nicht. Wohl hörte ich mehr mittlere Frequenzen in Geräuschen und Stimmen. Aber das trug kaum zu besserem Verstehen oder schönerem Klang bei. Beileibe nicht. Ich denke, ich höre einfach zu schlecht als dass ich von der Technik groß profitieren würde. Zwischen gerade so hören und ZU LAUT ES SCHMERZT ist bei mir kaum Raum. Möglich auch, dass die Transposition sogar für schlechteres Verstehen im Störschall sorgte, weil im mittleren Frequenzbereich zu viele Information gedrängt waren.

Und schließlich, die Tränen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sich Musik mit der Transpositionsschaltung anhörte. Ich hörte — soweit ich das sagen kann — alles, denn ich prüfte es an Stücken, die ich sehr gut kenne. Ich hörte sogar hohe, das heißt dann mittlere, Frequenzen etwas besser. Aber was ich hörte war — tot.

Es riss nicht mit, es fehlte, was Musik zur Musik macht. Ich saß vor der Stereoanlage, strengte mich an und hörte: Geräusche. Keine Musik. Der Rhythmus war da, aber er trieb nicht. Die Melodie war da aber sie klang nicht. Und auch nach vier Wochen änderte sich das nur ein bißchen.

Ich habe ja viel über Cochlea Implantate gelesen – und dass die Implantierten Stücke, die sie schon vorher schon kannten wiedererkennen können, nicht aber neue erkennen. Und dass sie zwar Musik hören aber kaum genießen können. Das muss so ähnlich sein wie das, was ich mit den Naidas erlebt habe.

Noch eine Bemerkung: Dies alles liegt wahrlich nicht daran, dass die Naidas schlechte Geräte wären– im Gegenteil! Dies ist ein Bericht darüber, wie eigenartig, kraft- und gefühlezehrend Hörgerätetesten und -tragen sein kann.

Teil 2 von  „Wie Hörgeräte tragen die Welt verändert“, hier ist  Teil 1

Hört sich an wie 3 Kilo zuviel — Wie Hörgeräte Tragen die Welt verändert

Ich bin ja wirklich ein Veteran, was Hörgeräte angeht — in den letzten fast 30 Jahren habe ich bei unterschiedlichen Graden von Schwerhörigkeit sechs verschiedene Modelle getragen. Und mit jedem war die Welt deutlich anders.

Grundsätzlich ist Hörgerätehören, wie soll ich sagen, zweidimensionaler. Auch mit zweien und auch wenn man Geräusche im Raum gut orten kann. Was ich meine ist, dass von dem was man hört Tiefe fehlt. Wie wenn man auf ein Foto der Welt sieht im Vergleich zu wenn man direkt mit den Augen in die Welt guckt. Und so ist es ja auch: Man hört nicht die Lautquellen selbst, sondern eine Lautquelle am Ohr versucht, die anderen so gut es geht darzustellen.

Fotos haben ja alle möglichen interessanten Effekte: Steht ein Mensch halb vor einem anderen, dann hat man in 3D trotzdem eine Ahnung, dass hinter dem ersten was dahinter ist. Dass es da weitergeht. Auf  einem Foto verdeckt der erste streng genommen nicht den zweiten, an der Stelle wo der erste ist, ist einfach nur der erste. Anderes Beispiel: Weil sie so flach wirken, sehen ohnehin schlanke Models zweidimensional noch aus als hätten sie 3 Kilo zu viel.

Schwerhörig und mit Hörgeräten verdecken sich Geräusche und Klänge gegenseitig in ganz anderem Ausmaß. Das leise Kratzen, Schaben und Schleifen was unsere Bewegungen und die der anderen begleitet, das Geschirrklappern und der Straßenlärm, aber auch die Stimme der Sängerin und die Gitarre, das Klavier und die Violine oder ein eigentlich leises Gespräch am Nebentisch: Sie unterliegen nicht den anderen Geräuschen, sie sind nicht auch da. Sie übertünchen sie. Oder sie vermischen sich, verlieren wie Farben ihr eigenes Leuchten und werden zu Brauntönen.

Sicher, die Elektronik ist immer besser geworden. Und je weniger schwerhörig man ist umso geringer der Effekt, weil man besser gezielt nur das was fehlt ersetzen kann. Aber dennoch muss ich auch mit hochgradiger Schwerhörigkeit und optimal eingestellten Geräten sagen: Wenn ich die Geräte herausnehme, kommt zwar deutlich weniger an bei mir.  Das was ankommt, klingt aber um Lichtjahre besser, mehrdimensionaler und auch mitreißender als die Welt mit Hörgeräten. Denn hören ist ja immer auch mit Gefühlen verbunden.

Wirklich zu doof, dass sich die Welt nicht selbst so verändert, dass sie sich für mich gut anhört — wie die Models, die hungern, nur damit sie auf Fotos gut aussehen.

Morgen berichte ich, warum mich ein Hörgerät, das ich die letzten 4 Wochen getestet habe, zum Weinen gebracht hat…

Das himmlische Kind

Der Wind, der Wind — man denkt gar nicht wo überall leichter Wind ist, den man normalerweise nicht bemerkt. Außer als Tontechniker bei der Aufnahme oder eben mit Hörgeräten. Im Grunde bräuchte man da jederzeit einen dicken, fluffigen Fell-Windschutz am Ohr. Ein Glück für die, bei denen der eh angewachsen ist. Pech für alle anderen.

Übrigens, wir reden hier von keinem leisen Flüstern. Sondern von einem markerschütternden Heulen. Auch bei modernsten Hörgeräten ist die Windautomatikerkennungsfunktion noch optimierbar. Wir reden von einem grausigen Geräusch.

Behinderung: Selbstverwirklichung nur ohne Hörgerät möglich?

Bin ich als Schwerhöriger oder Ertaubter nur halb der Mensch, der ich sein könnte, solange ich Medizintechnik nutze? Also Hörgeräte oder Cochlea Implantate (CIs)?

Darüber habe ich mich gerade überraschend mit der Bekannten einer Freundin gestritten. Überraschend deswegen, weil ich dachte, niemand würde diese Frage rundheraus mit „ja“ beantworten. Meine Gesprächspartnerin war jedoch der Ansicht, dass nur das Weglassen jeglicher Geräte und die Verwendung von Gebärdensprache als meine neue Muttersprache mich vollkommen befreien würde. (Die Unterhaltung fand auf Englisch statt, es ging um „self-actualization, also darum, das eigene Potential auszuschöpfen, was übrigens auch das Erkennen von Grenzen beinhaltet, sowohl persönlicher als auch gesellschaftlicher.)

Ich denke immer noch darüber nach, darum wollte ich hier ein bißchen was dazu schreiben. Würde mich freuen wenn Ihr reinschaut.

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Würden Sie nach diesem Filmchen ein Hörgerät kaufen?

Tja, hätte die Dame mal meine Tips für Schwerhörige in Teamsitzung und Besprechung beherzigt. Dann wär’s gleich besser gelaufen. Hier sieht man gut wie’s im Job allzu oft zugeht für Schwerhörige.

Ist eine ganz typische Situation, finde ich also ganz gut ausgewählt für Hörgerätewerbung. Auch wenn ich den Spot selbst zu lang finde und das Vorspiel unnötig und nicht so witzig wie die Macher das wohl denken. Übrigens: In den Kommentaren bei youtube wird bemängelt, dass die Darstellerin nicht selbst schwerhörig ist. Das, finde ich, ist doch vollkommen egal. Oder? Wie findet Ihr das Video? Zumindest besser als dieses hier?

Okay, dieses Mal hab ich aufgepaßt…

…und habe die letzte Gruppe noch gesehen!

Marathon, Photo by Not quite like Beethoven, all rights reserved

Seit knapp 10 Jahren wohne ich an der Berliner Marathonstrecke, von Abwesenheiten mal abgesehen. Das heißt: Direkt etwa fünf Meter vor meinem Balkon spielt sich das ganze Spektakel ab, mit Lautsprecherdurchsagen, lautem Klatschen und anfeuernden Rufen. Vier Stunden lang. Bestimmt dreimal hab ich’s ganz verpaßt. Und oft war ich total überrascht beim irgendwann Vor-die-Tür-Treten oder Aus-dem-Fenster-Schauen.

Was soll ich sagen — es ist sonntags, ich schlafe ohne Hörgeräte und setze sie auch manchmal erst lange nach dem Frühstück ein.

Nur keine Scham beim Arzt

„Oh, Sie haben wenig Zeit. Soll ich mich beeilen?!“

Ich bemühe mich, meiner Stimme eine Mischung aus Unschuld und Mißbilligung zu geben. Schielt dieser neue Arzt doch tatsächlich immer wieder verstohlen auf seine Armbanduhr! Während ich ihm knapp (!) meine Krankengeschichte schildere. Schnösel!!

„Oh äh, tut mir leid…“

Mein Lächeln wird mild-verachtend.

„…ich habe auch Hörgeräte. Das ist meine Fernbedienung.“

Ich blinzele zweimal und lächele weiter.

Das ist aber auch eine blöde Idee, da ne Fernbedienung reinzupacken. Nächstens kommt sie noch ins Handy und ich denke der verschickt währenddessen SMS….

Tauben Ohren ist gut predigen: An wen richtet sich eigentlich Werbung für Hörgeräte?

Komisch habe sie geklungen, berichtete gestern meine Freundin J. Eine Mischung aus salbungsvoll und als ob man kleinen Kindern etwas zum fünften Mal erkläre: Werbung für Hörgeräte im Berliner Klassikradio.

Hat das zufällig wer gehört?

Abgesehen von dem Tonfall fanden wir es beide äußerst merkwürdig, dass im Radio Werbung für Hörgeräte lauft. Das ist doch wohl das Medium, das Schwerhörige am wenigsten nutzen. Dann schon eher Print, Online oder Fernsehen — oder bin ich da ein Einzelfall?

Aber vielleicht — haben wir dann weiterüberlegt — vielleicht zielen die ja gar nicht auf die Schwerhörigen selbst, sondern auf Freunde und Familie. Damit diese die Betroffenen überzeugen? Meist braucht es ja ein wenig Arschtreten Ermutigung, bevor einer sich ein Hörgerät anschafft. Oder ist schonmal einer nur vom Werbung betrachten auf die Idee gekommen, jetzt ein Hörgerät zu wollen?

Oder kann man beim Klassikradio einfach besonders gut betuchte Hörer erwarten? Schließlich handelte es sich um diese implantierbaren Hörgeräte. Kosten nur etwas über 13.000 Euro. Sind gerade runtergesetzt.

Wer hätte das gedacht? Wie cool sind denn bitte diese alten Hörgeräte?!

Es ist von 1949 und man muss es wohl Hörgeräte-Bling nennen — so ganz in Gold und mit dem Wappen mit der Krone…

Zenith Miniature 75 Vacuum Tube Hearing Aid, Photo used by kind permission of HearingAidMuseum.com

Ich hätte nie gedacht, dass alte Hörgeräte spannend sein können, aber heut hab ich dieses Online Hörgeräte-Museum gefunden. Und bestimmt ne halbe Stunde rumgeguckt.

Eher furchterregend ist  dieses drei Pfund schwere Umhänge-Hörgerät von 1910, man hält sich eine Art Telefonhörer ans Ohr.

Acousticon Model RF "Multi-Acousticon" Carbon Hearing Aid, Photo by kind permission of HearingAidMuseum.com

Am Spannendsten aber fand ich die nicht-elektrischen Hörgeräte. Da gibt es tausend Arten von ziemlich wild aussehenden Hörrohren, die — wie mir der Museumschef sagte — auch bei hochgradiger Schwerhörrigkeit erstaunlich gut funktionieren. Und je nach Form die Höhen oder Tiefen hervorheben und auch sehr (sehr!) laut werden können!

Dann Gesprächsrohre, bei denen man in einen Schlauch spricht, dessen anderes Ende sich der Schwerhörige ans Ohr hält. Und schließlich filigran gefertigte künstliche Ohrmuscheln, die man aufsetzen und mit denen man offensichtlich ganz wunderbar im Störschall verstehen kann. Wie diese hier von 1890, in Schildkrötenpanzer-Anmutung.

Celluloid Auricles, Photo by kind permission of HearingAidMuseum.com

Celluloid Auricles, Photo by kind permission of HearingAidMuseum.com

Würde ich ja alles gerne mal ausprobieren. Vor allem — da können einem nicht die Batterien ausgehen…

Seht Euch das Hearing Aid Museum mal ein bißchen an!

Blindes Vertrauen, überhört zu werden — und die Folgen

Ein Werbespot für Hörgeräte: Was meint Ihr?   Lustig? Brutal? Unrealistisch? Ist Euch schonmal was ähnliches passiert?

Du findest Hörgeräte doof, willst lieber gut aussehen? Ab nach Thailand

Brauchen tu ich’s ja nicht. Aber ich überlege, ob ich beim Bewerbungsgespräch ein Hörgerät anziehe. Läßt mich einfach kompetenter wirken. Schonmal gehört sowas? Ich auch nicht. Aber das ist wirklich alles eine Frage der Perspektive. Und Reisen hilft, das zu erkennen.

Not quite like Beethovens Hörgerät

Im Gegensatz zu Brillen haben Hörgeräte ein echtes Imageproblem. Brillen sind schick – und machen intellektuell. Aber Hörgeräte? Naja. Außer ein paar Star-Trek-Freaks kenne ich persönlich niemanden, der die Dinger wirklich schön findet. Ich übrigens auch nicht. Habe immmer versucht, sie durch Farbwahl und durchsichtige Ohrstücke zum Verschwinden zu bringen. Bunte Geräte fand ich allenfalls bei Kindern und Jugendlichen gut. Wobei man dazu sagen muss, dass ich seit 10 Jahren sehr kurzhaarig bin. Jetzt hab ich die auf dem Bild. Und was mir mit denen passiert ist, gleich nach dem Klick. Weiterlesen

Online? Da hilft auch Schwerhörigkeit nix

Gestern war’s eher ein kleiner Scherz, aber das Thema Leben mit Internet und Web 2.0 beschäftigt mich weiter: Wenn ich nicht aufpasse, verliere ich als Schwerhöriger dadurch Wettbewerbsvorteile.

Dass das Internet nicht nur das Lesen sondern auch das Denken verändert – und zwar nicht nur zum Guten – brennt offensichtlich vielen unter den Nägeln. So wird z.B. dieser sehr lesenswerte Artikel von Nicholas Carr aus The Atlantic seit fast ein Jahr immer wieder in Blogs thematisiert (letztens etwa hier von Berlinessa). Und ich hab  ja auch das Gefühl, dass es mir schwerer fällt, mich in längere Texte zu vertiefen.  Nach ein paar Minuten beginnt der Kopf einfach, im Hintergrund an was anderes zu denken. Das zerstreut die Aufmerksamkeit. Bin allerdings nicht restlos überzeugt, dass das nur am Internet liegt. Ich fürchte es ist auch einfach ein Teil des Berufstätig Seins und Älter Werdens.

Übrigens, kommt Dir dieser Eintrag eigentlich lang vor? 😉

So weit, so gleich ist das Problem für alle, die beruflich viel im WWW unterwegs sind oder sich privat dem Web 2.0 hingeben. Für mich als schwerhöriger bzw. ertaubter Mensch ist aber Konzentrationsfähigkeit einer meiner wenigen Wettbewerbsvorteile. Viele nervige Ablenkungen nehme ich gar nicht erst wahr oder kann mich ihnen entziehen, einfach durch Hörgeräte ausschalten. Außerdem: Das bißchen was ich verstehe, verstehe ich nur weil ich jahrelang extreme Konzentration geübt habe. Es steht also was auf dem Spiel!

Gleichzeitig sind das Netz und all die Möglichkeiten zum sozialen Netzwerken – Email, Instant Messages, SMS, Facebook, von sowas wie Twitter gar nicht zu reden – für mich ein unglaublich wichtiger Draht zum Leben: Endlich verstehe ich zur Abwechslung mal perfekt, weil sie ja schriftlich ablaufen. Welche Erleichterung! Ich WILL sie also. Auch beruflich bin ich auf Chat und Emails angewiesen. Aber wenn all diese Lese- und Kommunikationsmöglichkeiten die Ruheräume füllen, die tiefe Konzentration braucht, dann hilft auch Nichthören oder Hörgeräte ausschalten nix. Zu diesem Dilemma wird hier sicherlich noch häufiger was zu lesen sein…

Blindflug im Bett – Vom Sex mit und ohne Hörgerät

Magst Du Sex mit verbundenen Augen? Zumindest schließt Du sie doch manchmal, oder? Hat ja auch was: Sind die Augen zu oder verbunden trennt das ja komischerweise gar nicht vom anderen, eher macht es das Erleben direkter, unmittelbarer oder auch – je nach Variante – ausgelieferter. Kinky.

Ganz anders mit den Ohren. Für diejenigen unter Euch, die vom Sex mit Ohrstöpseln träumen, muss ich leider sagen – it sucks. Ich kann das beurteilen. Denn Hörgeräte stören beim Sex. Sie drücken oder pfeifen sogar dazwischen. Ne Brille nimmt man ja auch ab, oder?

Ohne Ton allerdings fühle ich mich erstaunlich allein dabei. Ich weiß dann nicht, woran ich bin. Erst durch all die kleinen und großen Laute, die Seufzer meiner Liebsten wird mir das Ganze zum Liebesspiel. Nur dann sind wir wirklich zu zweit und ich fühle: Wir tun’s miteinander! Gut für die Erregung, finde ich. Ohne Ton dagegen ist die andere einfach nicht so ganz da. Mitten in der Nacht mit Begehren geweckt, tasten andere vielleicht nach Kondomen oder ihrem Lieblingsspielzeug; ich taste nach wenigstens einem Hörgerät. Klar, manchmal ist die Lust so groß, da ist nix mehr mit nebenbei hinterm Rücken tasten. Aber das ist dann eine Art – Blindflug.

Nachtrag: Auch schwerhörig kuscheln ist so eine Sache. Außerdem wurde mir inwzischen gesagt, dass — wenn man auf Ausgeliefertheit steht — es mitunter ganz nett sein könne, verbundene Augen und verschlossene Ohren zu haben….