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Brauchen Kinder Puppen, die aussehen wie sie selbst?

Eine Männerfantasie. Mädchen bekommen verschwurbelte Rollenbilder, wenn nicht gleich das Ticket in die Magersucht.  Die Argumente gegen Barbie-Puppen sind bekannt.
Also wurden Barbies Maße „normaler“, es gibt ethnische Barbies. Wie Puppen aussehen hat also etwas mit der fürs Kind gewünschten Entwicklung und mit Vorstellungen von Normalität zu tun.

Aber sollten Kinder mit Down-Syndrom darum Puppen mit Down-Syndrom bekommen? Kinder, denen ein Arm fehlt, solche, denen ein Arm fehlt? Und solche mit Hörgerät oder CI eine, mit ebendiesen Gerätschaften hinterm Ohr?

Im amerikanischen Tauben-Forum bin ich drauf gestoßen: Puppen mit Cochlea Implantat. Zum Beispiel diese Seite.

Ich kann mir schon vorstellen, dass es z.B. sinnvoll sein kann, beim Arzt oder Akustiker so eine Puppe zu haben. Um bestimmte Dinge zu erklären oder generell die Situation spielerischer zu gestalten. Aber so für den Alltag, zum Spielen? Ich finde das komisch. Ich kann nicht recht benennen, was mich daran stört. Vielleicht, dass es so wirkt wie eine „Behindertenfamilie“, also eine, die auf Behinderung hin orientiert ist? Genausogut könnte man aber vielleicht auch sagen: Hey, das ist einfach nur extrem lässiger Umgang damit. Aber gut, ich konnte mit Puppen schon früher nicht viel anfagen und finde sie heute noch zuweilen sehr unheimlich.

Und, wie seht Ihr das so? Brauchen schwarze Kinder schwarze Puppen und behinderte Kinder behinderte Puppen?

Kinderstimmen — oder: Die Geister, die ich rief

Die Menschheit wäre um einiges ärmer ohne die Sprüche ihrer Kinder. Mindestens aber würde einem ganzen Genre von Blogs die Amüsiergrundlage entzogen. Die Herzdamengeschichten wären nicht dieselben. Und auch die dunkle Seite müßte sich ohne Kinder-O-Ton öfters andere Würze ausdenken.

Für mich aber ist, was live aus Kindermund kommt, ein Buch mit sieben Siegeln. Kinderstimmchen und Schwerhörige, das geht nicht zusammen. Dazu noch kindliche Aussprache und sonstiges Rumgewusel, fertig sind unüberwindliche akustische Hindernisse.

Nur das Grinsen der anderen Anwesenden sagt mir, dass es lustig sein muss. Und zu Kindern selbst hab ich keinen Draht. Manchmal hatte ich schon Angst wenn ich nur wußte, dass Kinder anwesend sein würden. Weil eigentlich wollte ich ja gern mit ihnen was machen.

Ein wenig bang war mir also, als ich letztes Wochenende Freundin N. mit Mann und Kind besuchte. Und umso mehr freute ich mich, als ich merkte: Mit elektrischem Ohr und Hörgerät zusammen verstehe ich ihre Kleine einigermaßen. Ich glaube, es lief sogar sehr gut. Nachdem die Fünfjährige sich an mich gewöhnt hatte, zog sie an mir, zeigte mir ihr Zimmer und überreichte  selbstgemachte Geschenke. Sie wackelte für mich an ihrem Wackelzahn und, kurz gesagt, sie laberte mich nach Strich und Faden voll.

Puh. Wäre auf jeden Fall ruhiger gewesen ohne CI. Aber ich wollte es ja so. Jetzt ist der Geist aus der Flasche. Nur dass ich beim Memory so haushoch verlor, kann ich leider nicht auf die Schwerhörigkeit schieben…

Was 2009 in den Medien gefehlt hat: Sorgen Gehörlosenschulen für Ausgrenzung von Gehörlosen?

Fast alles, was wir über die Welt wissen, wissen wir aus den Massenmedien (dazu ein Interview mit dem Soziologen Niklas Luhmann). Darum ist es gut, ein Auge darauf zu haben, was in den Medien alles nicht vorkommt.

Eine der Gruppen, die dies tun, ist die  Initiative Nachrichtenaufklärung (INA). Sie stellt seit 1997 jährlich eine Top 10 der vernachlässigten Nachrichten des Jahres zusammen. Eine Jury wählt aus eingesandten Vorschlägen aus, Vorbild der Initiative ist das US-amerikanische Project Censored.

Gestern hat die Initiative nun die Situation an Gehörlosenschulen zu einem der wichtigsten, im Jahre 2009 vernachlässigten Themen gewählt: In den meisten Gehörlosenschulen werde keine Gebärdensprache unterrichtet.

Noch gibt es nur eine knappe Pressemitteilung, die ausführliche Begründung der Jury soll in den nächsten Tagen erscheinen. Ich bin gespannt, was genau darin steht. Warum sie ausgerechnet dieses Thema unter die Top 10 gewählt haben!

Ich habe selbst nicht genug Einblick um zu beurteilen, wie die Situation genau ist und warum sie so ist. Und leider auch keine Zeit, zu recherchieren. Aber ich habe nie verstanden, wie man sich von dem Argument überzeugen lassen kann, die Gebärdensprache grenze Gehörlose aus der Gesellschaft aus und sei darum zu vermeiden. Laut INA ist das das am häufigsten vorgebrachte Argument. Und das ist doch vom Grundgedanken her schon vollkommen wirr: Wie sollte die Kenntnis einer Sprache ausgrenzen? Sprachen ermöglichen Zugang.

Wenn die Absolventen von Gehörlosenschulen aus der „normalen“ Gesellschaft ausgegrenzt werden, dann liegt das doch bestimmt nicht daran, dass sie in der Schule neben anderem Gebärdensprache gelernt haben. Sondern daran, dass die Gehörlosenschulen den Rest ihres Bildungsauftrages nicht auf die Reihe kriegen. Ich denke da vor allem an schriftsprachliche Kompetenz.

[gefunden via KoopTech]

[Nachtrag: Um einem Mißverständnis gleich vorzubeugen, das mir bereits einen wütenden E-Mail-Schreiber bescherte — ich meine nicht, dass schriftsprachliche Kompetenz vor Ausgrenzung schützt. Und auch nicht, dass mit deren Vermittlung die Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber Gehörlosen und Behinderten erfüllt sei. Aber ich halte sie für eine der wichtigeren Fähigkeiten, die einem die Schule mitgeben kann und sollte.]

Mein Sohn ist taub, endlich!

Sollen Eltern ihren kleinen Kindern Cochlea Implantate einsetzen lassen, wenn sie taub geboren sind? Elektrisches Hören als Ersatz für akustisches ohne dass man das selber entschieden hat? Ein Reizthema. Beim Lesen der Diskussionen in Spiegel-Forum und der Kommentare hier ist mir dieses Video wieder eingefallen, das vor einiger Zeit in der amerikanischen Deaf-Community die Runde gemacht hat und dort kontrovers diskutiert wurde. Ich poste es um mal eine Perspektive aus der Gehörlosenwelt zu zeigen.

Man sieht dort auch gut ASL, die US-Gebärdensprache. Leider gibt es das Video nur mit englischen Untertiteln, ich hoffe Ihr könnt folgen. Es ist etwas länger, aber wenn Ihr es guckt, bitte unbedingt bis zum Schluss gucken!

Der Radio-Skandal in den 80ern: Mutter nachträglich rehabilitiert

Deutschland in den 1980ern: Es wird Verstecken gespielt; eine kleine Gruppe Erstklässler verteilt sich im ganzen Haus. Die Kreativität wird immer größer. Nicht nur in, unter oder auf Schränken, nein — auch in Topfpflanzen und Wäscheschubladen, unter Teppichen und in Kronleuchtern wird sich versteckt. Der Klassiker, weil im Falle des Erfolgs beleidigend für den Sucher: Hinter der Tür.

Hide-and-Seek, Photo by Stéfan / flickr -- some rights reserved

Nur eines stört. Warum muss diese doofe Mutter nur ausgerechnet mittendrin anfangen, so laut Radio zu hören? Und dann auch noch die ganzen Schmachtfetzen des öffentlich-rechtlichen Radios rauf und runter?!

„Mamaaa! Stell doch das Gedudel mal ab. Ist ja furchtbar,“ ruft der junge Notquite nach kurzer Besprechung unter den Anwesenden, denn es ist sein Haus und seine Mama. Dass sie das erst gar nicht und später widerwillig tut, ärgert ihn. Immerhin hat sie ihm damit vor seinen Freunden widersprochen. Und sowas merken sich Grundschüler.

Im späteren Verhör unter vier Augen, das durch böse gucken und laut reden gleichzeitig der Bestrafung dienen soll, gesteht sie ihm: Sie habe es alles nur aus Liebe getan. Sie habe mitbekommen, dass die anderen den jungen Notquite in seinem Versteck atmen hören konnten. Und habe nur Chancengleichheit herstellen wollen.

Ist mir grad so wieder eingefallen, nachdem ich endlich mal Heat gesehen hab. So Verfolgungsjagden zu Fuß auf Leben und Tod, wo man sich wenn’s nicht mehr weitergeht versteckt, einander auflauert und japst — ich glaub da hätte ich schlechte Karten.

Kinder und Schwerhörige — geht das zusammen?

Das ist ja alles schön und gut mit meinen Regeln, der Gebrauchsanweisung für Schwerhörige. Aber Sigrid hat eine gute Frage gestellt, hier in den Kommentaren:

Aber wie bringe ich es meinen Wirbelwinden von Kindern bei, wie sie mit [dem schwerhörigen] Opa sprechen müssen?

Kinder beim Spielen, Foto by Torsten-Schröder / pixelio.de

Ja, wie macht man das? Wie geht man als Schwerhöriger mit Kindern um oder wie bereitet man sie auf den Umgang mit einem vor?

Ehrlich gesagt, ich habe ich dazu rein gar nichts zu sagen. Ich kenne nur das Problem. Kinder, insbesondere kleine Kinder verstehe ich so gut wie nie! Die hellen Stimmen, das Rumgewusel, die kindliche Aussprache… Das ist so schlimm, dass ich ihnen oft ausweiche oder mir übersetzen lasse — so dass ich schon wirklich Angst davor habe wie das wohl wird, wenn ich selber mal welche habe. Denen sollte man ja wohl nicht ausweichen. Und Angst haben vor ihnen auch nicht.

Darum mal von mir die Frage in die Runde: Was habt Ihr für Erfahrungen mit Kindern und Schwerhörigkeit gemacht? Wie geht man damit um? Gibt’s da mehr zu zu sagen als „es ihnen in ner ruhigen Minute erklären“?