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Der Meister der Erwartungen in Augsburg

Nein, ich kann wirklich nicht behaupten, niemand hätte es mir gesagt: Am Cochlea Implantat entzünden sich die Erwartungen — Endlich wieder Hören und Verstehen! Und wer sich eins implantieren läßt, muss zum Meister der eigenen Erwartungen werden.

Schon bevor ich mich überhaupt auf das elektrische Ohr einließ wußte ich: Das Implantat ist keine Reparatur. Wie gut man damit in vivo, also bei schnellen, leisen oder undeutlichen Sprechern, über Entfernungen, mit Nebengeräuschen, am Telefon etc. hören und verstehen können wird, ist sehr individuell. Und damit nicht exakt vorhersagbar. Vor allem aber ist das alles nicht über Nacht zu erreichen. Viel Geduld und Spucke ist angesagt.

Dennoch war ich nach den überraschenden und schön-schaurigen Erlebnissen in letzter Zeit enttäuscht.  Augsburg hieß der Ort und es lag Schnee. Es waren nette Leute und interessante Gespräche. Das Essen war vorzüglich — oder habt Ihr schon einmal in Kirsch-Sushi mit Pistazien- und Schokoladensoße sowie dazu echte Maracuja gegessen?

Nur die Leute hinter der Rezeption im Hotel, am Infoschalter bei der Bahn, im Meeting um den großen Tisch herum, in der Gruppe in der Kneipe und im Auto, das mich gerade so um die große Karambolage auf der A8 herum bugsierte — die verstand ich nur sehr mühsam bis, leider leider, gar nicht. Ich werde weiter meine Erwartungen im Zaum halten, Geduld haben und weiterüben. Frustriert, wer ich? Ommm.

Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #6: Gesprächsführung in Teamsitzung und Besprechung

Manchmal denke ich, ich sollte extra Geld dafür nehmen. Einen selbstbewußten Schwerhörigen dabeizuhaben, macht Teamsitzungen und Besprechungen oft kürzer und viel effektiver. Das muss ich zumindest aus den Berichten meiner Kollegen schließen.

Denn man muss ja nicht erst schwerhörig sein, um von Meetings und Sitzungen nicht begeistert zu sein: Ohne  kommt zwar kein Unternehmen und kein Projekt aus. Sie sind aber oft genug unproduktiv und damit eigentlich Zeitverschwendung. Wenn sie so betrieben werden, dass ich als Schwerhöriger auch etwas davon habe, ändert sich das. Und zwar ganz nebenbei.

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Gebrauchsanweisung für Schwerhörige #3: In den Strafraum

Wie macht man’s Schwerhörigen leichter und das Gespräch erfolgreich? 11 Regeln von denen auch Andere profitieren.

Regel Nummer 3: In den Strafraum

Ich bin immer wieder fasziniert, wenn sich Leute von Zimmer zu Zimmer, über eine vielbefahrene Straße hinweg oder vom Bürgersteig zum Balkon im fünften Stock rauf unterhalten. Gut, das ist extrem. Und so richtig unterhalten will sich ja so auch kaum einer. Typischerweise ist das, was so stattfindet wohl eher vom Typ Vergiß-nicht, Hast-Du oder vielleicht auch Du-$#*%§! Oder seh ich das falsch? Ich meine, ich versteh’s ja nicht.

Schon was sehr Bequemes, so ein schneller Austausch ohne erst mühsam rüber-, rauf- oder runterlaufen zu müssen. Kann ich schon verstehen. Würd ich auch so machen. Warum manche Menschen aber auch sonst beim Reden am liebsten Distanz halten, ist mir unbegreiflich. Bestes Beispiel vielleicht: Ein Meeting oder Seminar in einem Raum, der für wesentlich mehr Leute ausgelegt ist als da sind. Wenn man nicht dringend vorzeitig weg muss, gibt es einfach keinen Grund sich gleich neben die Tür, ganz nach hinten oder in alle vier Ecken des Raumes zu setzen. Ich weiß schon, dass es unliebsame Verpflichtungen gibt. Aber wer nicht da sein will, soll einfach gleich zu Hause bleiben! Anstatt nur zu kommen um sich soweit als möglich zum Verschwinden zu bringen.

Das Gespräch als — körperlich gesehen — vorsichtiges Paßspiel gibt’s leider oft genug auch unter Freunden. Besonders in größerer Gruppe. Wenn’s nach mir geht: Kommt einfach näher ran. Wenn Du schon da bist, laß uns zusammenrücken. So nah, dass ich Dich berühren könnte. Distanzschützen mag ich nicht so, ich will Dich nicht nur aus der Ferne hören. Ist ja nicht so als müßtest Du was riskieren, wenn Du in meinen Strafraum kommst:  Auch wenn ich anderer Meinung bin, hau ich dich nicht gleich. Hab ja grad erst wieder Zuhören gelernt.

Was soll ich sagen? Ich mag einfach kleine, heimelige Runden – und versuch sie mir zu schaffen, wo immer es geht. Und Du?

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