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Verdreckte Gespräche — oder: Störschall, was ist das eigentlich?

Dreck, das ist eigentlich nur Materie am falschen Platz, so schon der alte Chemielehrer meiner Mutter. Da wo sie stört, nämlich. Und stören tut sie nur da wo sich jemand gestört fühlt. Was Schall angeht ist das ganz genauso — und unterscheidet mich vom großen Rest meiner normalhörenden Umgebung.

Anruf von dem Freund, bei dem wir gestern einen langen, warmen Abend verbrachten — auf dem Balkon, mit tollem Blick auf die Stadt im Tal und den Sonnenuntergang dahinter. Schön sei es gewesen, sehr nett. Nur bißchen anstrengend. Weil der Lärm von der Straße, der habe etwas gestört. Das Haus liegt an einer von sieben Buslinien befahrenen Hauptstraße. Immerhin, es war abends.

Mir war das gar nicht aufgefallen. Ich meine, natürlich hat mich der Lärm gestört und natürlich fand ich das Zuhören anstrengend. Aber für mich macht es keinen Unterschied, welche Sorte Hintergrundgeräusche es sind: Alle Nebengeräusche verdrecken mir die Gespräche, alle stören mich gleichermaßen. Und irgendwas ist ja eigentlich immer. Gestern abend war für mich also auch wie eigentlich immer.

Nur steh ich bei der Bewertung von etwas als anstrengender Störschall meist ziemlich allein da, vor allem bei normallauten Unterhaltungen am Nebentisch. Ganz zu schweigen von Musik im Hintergrund. Da stehen dann meine Bedürfnisse den Vorlieben der allermeisten komplett entgegen. Musikhören und Konversation sind bei mir zwei Welten, die säuberlich getrennt bleiben müssen, so gern ich es auch anders hätte. Bei Verkehrslärm, anfahrenden Bussen und hochschaltenden Motorrädern sind wir uns wenigstens alle einig. Insofern bin ich akustisch etwas anal und das gestern war eine äußerst seltene Einmütigkeit — was Dreck im Gespräch ist und was nicht.

Konversation und ihre Tücken: Wie macht man ein nettes Abendessen mit Schwerhörigen?

Mein täglich Brot beim geselligen Abendgelage zu mehreren ist: Ich komme einfach nicht mit.

Ich kann dem Lauf der Unterhaltung nicht folgen und oft nicht mal verstehen, wenn mich überraschend jemand direkt anspricht. Da ich nicht weiß, worüber geredet wird – was, selbst wenn ich den Anfang mitbekommen habe, nach drei, vier Wortwechseln der Fall ist – kann ich auch keine passenden Beiträge machen. Sondern im besten Fall ein neues Thema ansprechen. Was mir auch nicht immer einfällt. Und im schlechtesten seltsam unpassende Beiträge machen.

Man wechselt ja auch nicht einfach so das Thema, der Zeitpunkt muss schon passen. Wissen, was schon besprochen wurde, worüber sich gerade jemand ereifert oder begeistert hat, ist auch nicht schlecht. Und schließlich ist Reden ja ein Ping-Pong-Spiel: Man muss den Ball auch aufnehmen und wieder zurückspielen, antworten auf die Antworten der Leute. Das ist was anderes als eine Serie von Monologen. Und man muss den Moment finden, wenn der eine Sprecher schon fertig ist, der nächste aber noch nicht begonnen hat.

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Gebrauchsanweisung für Schwerhörige #7: Schlucke Dein Essen

Wie macht man’s Schwerhörigen leichter und das Gespräch erfolgreich?  11 Regeln von denen auch Andere profitieren.

Regel Nummer 7: Schlucke Dein Essen

Ich halte es ja mit Gott, Justitia und der Demokratie: Vor mir sind wirklich alle Menschen gleich. Wenn ich zuhöre, hänge ich an jedermanns Lippen — egal was er sagt und wer er ist. Wählerisch sein, kann ich mir nicht erlauben. Jedenfalls wenn ich gut verstehen will oder gar muss. Und zwar auch dann nicht, wenn dort nicht so Appetitliches passiert. Oder rumhängt. Oder rausfällt. Foto: Thommy Weiss / pixelio.deLeider.

Meistens spielt das keine Rolle bzw. kommt nicht vor. Aber manchmal ist es einfach nicht zum Aushalten. Und ich muss dann ganz stark sein.

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Gebrauchsanweisung für Schwerhörige #3: In den Strafraum

Wie macht man’s Schwerhörigen leichter und das Gespräch erfolgreich? 11 Regeln von denen auch Andere profitieren.

Regel Nummer 3: In den Strafraum

Ich bin immer wieder fasziniert, wenn sich Leute von Zimmer zu Zimmer, über eine vielbefahrene Straße hinweg oder vom Bürgersteig zum Balkon im fünften Stock rauf unterhalten. Gut, das ist extrem. Und so richtig unterhalten will sich ja so auch kaum einer. Typischerweise ist das, was so stattfindet wohl eher vom Typ Vergiß-nicht, Hast-Du oder vielleicht auch Du-$#*%§! Oder seh ich das falsch? Ich meine, ich versteh’s ja nicht.

Schon was sehr Bequemes, so ein schneller Austausch ohne erst mühsam rüber-, rauf- oder runterlaufen zu müssen. Kann ich schon verstehen. Würd ich auch so machen. Warum manche Menschen aber auch sonst beim Reden am liebsten Distanz halten, ist mir unbegreiflich. Bestes Beispiel vielleicht: Ein Meeting oder Seminar in einem Raum, der für wesentlich mehr Leute ausgelegt ist als da sind. Wenn man nicht dringend vorzeitig weg muss, gibt es einfach keinen Grund sich gleich neben die Tür, ganz nach hinten oder in alle vier Ecken des Raumes zu setzen. Ich weiß schon, dass es unliebsame Verpflichtungen gibt. Aber wer nicht da sein will, soll einfach gleich zu Hause bleiben! Anstatt nur zu kommen um sich soweit als möglich zum Verschwinden zu bringen.

Das Gespräch als — körperlich gesehen — vorsichtiges Paßspiel gibt’s leider oft genug auch unter Freunden. Besonders in größerer Gruppe. Wenn’s nach mir geht: Kommt einfach näher ran. Wenn Du schon da bist, laß uns zusammenrücken. So nah, dass ich Dich berühren könnte. Distanzschützen mag ich nicht so, ich will Dich nicht nur aus der Ferne hören. Ist ja nicht so als müßtest Du was riskieren, wenn Du in meinen Strafraum kommst:  Auch wenn ich anderer Meinung bin, hau ich dich nicht gleich. Hab ja grad erst wieder Zuhören gelernt.

Was soll ich sagen? Ich mag einfach kleine, heimelige Runden – und versuch sie mir zu schaffen, wo immer es geht. Und Du?

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Hallo und willkommen bei „Not quite like Beethoven“

Als Ludwig van Beethoven mit nicht ganz 30 Jahren taub wurde, hat es ihn innerlich zerrissen. Sechs Jahre hatte er seine zunehmende Taubheit geheim gehalten und gehofft, er könne geheilt werden. Er traute sich nicht zuzugeben, dass ihm der Sinn abhanden gekommen war, den er einst in der größten Vollkommenheit besaß und den jedermann von ihm, dem genialen Komponisten, erwartete. Im sogenannten Heiligenstädter Testament beschreibt er seine heiße Angst, seine Angespanntheit, das Zurückweichen vor den Menschen, sogar seinen Freunden – und seine Vereinsamung trotz eines eigentlich lebhaften Wesens. Hätte er sich nicht der Musik verpflichtet gefühlt, er hätte sich umgebracht. „Und so“, schreibt er, „fristete ich dieses elende Leben – wahrhaft elend.“

Für das, was mir hier vorschwebt, ist Beethoven die richtige Person. In seiner Verzweiflung über das langsame Ertauben erkenne ich so viel von mir, in seiner Resignation aber – Leben nur als Pflichterfüllung, so hoch man das auch ansieht  — mag ich mich nicht wiederfinden.

Schwerhörigkeit sieht man nicht. Und viele handeln leider nach dem Motto, dass was man nicht sieht, auch nicht existiert. Andererseits — woher sollen sie auch wissen, wie es ist, schwerhörig zu sein? Oder wie man mit Schwerhörigen am besten reden soll? Darum ist Not quite like Beethoven ein Ort, an dem ich über Unhörbares, Unerhörtes und Nicht-Gehörtes schreibe. Darüber wie man in Liebe, Kunst und Kultur, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft schlecht hören, Tinnitus haben und trotzdem gut leben kann. Und selbstverständlich, was mir im Zusammenhang mit Hören — gut, schlecht, anders oder gar nicht — sonst noch ein- und auffällt. Ich hoffe, es gefällt und inspiriert Euch,  ob nun normal- oder schwerhörig.

Nachtrag: Hier wurde ich befragt — warum bloggt man über Schwerhörigkeit? Wie hat das alles angefangen? Und wie ist das eigentlich mit Beethovens Musik?