Hallo?! Die NERVEN, diese Schwerhörigen!

— Edwina Meyer aus der Hertensteinstrasse schreibt. Wir zitieren mit freundlicher Genehmigung —

Sehr geehrter Herr not Beethoven!

Ich lebe mittlerweile seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit einem Schwerhörigen zusammen und ich halt es nicht mehr aus! Sie zeichnen hier ein viel zu weichgespültes und positives Bild von Schwerhörigen.

Nicht nur muss man sich ständig anstrengen, betont deutlich zu sprechen und dann oft trotzdem noch alles dreimal sagen. Sie ziehen ihre Hörgeräte nicht an, obwohl sie helfen würden, und sagen nicht, wenn sie nichts verstanden haben. Tut man was für sie und nimmt sie irgendwohin mit, dann sitzen sie nur da oder stehen herum und man weiß nicht, was sie denken: Macht es Ihnen Spaß? Finden sie alles doof? Sind sie einfach nur vom Eierlikör besoffen? Mein Mann macht das Nichthören durch Reden und sich in den Mittelpunkt stellen wett, ohne Rücksicht und ohne andere zu Wort kommen zu lassen.

Fragt man, was man für ihn tun kann, ob man z.B. andere auf die Schwerhörigkeit hinweisen soll, murmelt er „Nein, nein, danke, geht schon!“ Doch wenn er in der Eisdiele die Nachfrage des Verkäufers nicht versteht, schaut er einen doch wieder an und erwartet, dass man rettend einspringt. Schwerhörige hören nicht zu und sagen trotzdem „jaja“. Man spricht extra laut, doch es dringt nichts durch oder man wird angeblafft, man solle nicht so schreien. Dann wieder verstehen sie alles, obwohl es fast geflüstert war.

Ich fühle mich nicht ernst genommen! Bitte schreiben Sie in Ihrem Blog auch mal über Realitäten wie meine.

Freundlichst, Ihre
Edwina Meyer

87 Antworten zu “Hallo?! Die NERVEN, diese Schwerhörigen!

  1. Und Frauen erst! Kennste? Frauen? Kennste?

  2. Du meinst, ich sollte mal mein Themenspektrum verbreitern und Frauen loben? 😉

    Ansonsten, ich finde das gut, was Frau Meyer aus der Hertensteinstraße sagt. Das ist ja schließlich auch so. Und man muss sowas in diesem Blog doch wohl mal sagen dürfen.

  3. Pia Butzky

    (Ist jetzt Satire, oder? Eine ausgedachte Kunstfigur, oder warum steht der volle Name mit Straße da?)

    Wenn das echt ist:
    Ja, Schwerhörige nerven! Das wurde in diesem Blog bisher völlig verschwiegen. Beethoven, du schwärmst immer nur von deiner Schwerhörigkeit und wie toll das ist und wie überlegen du anderen damit bist. Aber das ist unfair gegenüber den Leuten, die gut hören können. Bitte mehr Rücksicht auf die Guthörenden! Die haben es viel schwerer als wir und werden noch nicht mal gehört.

  4. 😀
    Jawoll, Frau Meyer, sehr gut beobachtet: Egozentriker par excellence, selber labern bis die Zunge abfällt, ohne Rücksicht auf Verluste und Gelangweilte … außerdem schreien sie unerträglich laut beim Reden. In einer Dezibelzahl, die macht jeder Techno Disco Ehre. Selbst meine High End Hörgeräte fangen wild rauschend an zu oszillieren, und ich komme mir vor, wie beim Amateurfunk. Leider nützt Abschalten auch nichts, dann bin ich ja noch lärmempfindlicher. Weist man darauf hin, der Akustiker könne doch die Geräte vielleicht mal ein wenig lauter stellen, und ist das nach der dritten Wiederholung endlich angekommen, folgt die abwinkende Antwort auf dem Fuße: „Ach nee, dann höre ich mich selber ja so laut!“

    *mitkoppauftischplatteaufschlag*

  5. Liebe Frau Meyer,
    Schwerhörigkeit nervt – das glaub ich Ihnen. Ich lese auch heraus, dass Sie wenig Information über das schwere, andere Hören haben. Denn ‚lauter‘ ist tatsächlich nicht immer die Lösung.
    Also: Schluss mit dem Weichspülen! Glauben Sie wirklich, dass jemand freiwillig auf Spaß, Dabeisein und Kommunikation verzichtet? Schwerhörigkeit sucht sich niemand freiwillig aus.
    Was Sie in Ihrem Brief schildern, sind allesamt Kommunikationsstrategien von Menschen, die versuchen, irgendwie zurechtzukommen, und zwar möglichst, ohne groß aufzufallen. Das glückt mitunter, manchmal bewirkt es genau das Gegenteil.
    Nur zu gern glaubt man den Akustikern, dass superteure Geräte helfen, die sich unauffällig unter den Haaren verstecken lassen: aber manchmal pfeifen die blöden Dinger, schalten sich ins falsche Programm, oder es stimmt irgendwas nicht mit der Einstellung, oder just im wichtigen Moment sind die Batterien leer. Technik allein bringt es nicht.
    Und Schwerhörigkeit hat leider ein Imageproblem: Zeichen des Alters, sonderbar, ‚doof‘, Begriffstutzigkeit, nicht gerade sexy, peinlich … Und: Man merkt es vielleicht, aber man sieht es nicht, dass jemand schlecht hört.
    Ich verstehe es, wenn Sie genervt sind. Aber sitzen Sie doch mal jemandem gegenüber, der genervt ist, weil er was dreimal sagen muss. Fragen Sie dann wirklich noch ein viertes Mal? Geben Sie zu, dass Sie es nicht verstanden haben? Wollen Sie immer wieder auffallen? Wollen Sie immer diejenige sein, die die Pointe mal wieder nicht verstanden hat, und die sowieso nicht mitreden kann?
    Am besten wäre es, wenn mit der Verordnung fürs Hörgerät auch gleich mal eine Schulung für schwerhörige Menschen und Ihre Partner verbindlich angeordnet würden.
    An Themen mangelt es nicht:
    – die eigene Hörkurve verstehen,
    – übersteigerte Erwartungen an Hörgeräte senken,
    – Grenzen der Technik,
    – Akzeptanz der Schwerhörigkeit,
    – Akzeptanz des schwerhörigen Partners,
    – Umgehen mit verschiedenen Kommunikationssituationen…

    Leben mit Schwerhörigkeit – da lernt man nie aus 😉

    Jetzt bitte Fertigschleudern.

  6. Jetzt bitte Fertigschleudern. 🙂 Ich freue mich, dass Ihr mit soviel Formulierwitz und so aufklärend mit der guten Frau Meyer umgeht, die ich mir so liebevoll ausgedacht habe. Ich fand es einfach spannend, mich mal in die andere Seite einzufühlen. Und ich hoffe, ihr verzeiht mir die kleine Irreführung. Die fraufrogg weiß bestimmt, warum da der Name und die Straße steht. 🙂

    Frau Meyer ist, das muss ich jetzt mal zugeben, nicht echt. Aber sie könnte sehr gut echt sein: In letzter Zeit hatte ich mich mit einigen älteren Ehepaaren unterhalten und insbesondere in der Kombination „Mann ist schwerhörig, Frau nicht“ sah das Ergebnis häufig so aus wie dort oben beschrieben. Also, ich mag die Frau Meyer, die ist nicht bösartig, sondern einfach nur uninformiert und völlig überfordert, daher das „ich muss das jetzt mal sagen-Gefühl“. Sie wäre Euch bestimmt sehr dankbar (jedenfalls nachdem sie Ihren Schock überwunden hätte, nicht einfach nur auf Zustimmung zu stoßen). Vielleicht schaut ja auch mal eine echte „Frau Meyer“ hier rein…

    Die Idee mit der Schulung, die finde ich auch ziemlich gut. Vielleicht entwerfen wir mal eine Seminarreihe zusammen? Unkonventionell, ohne Selbstmitleid, wahnsinnig hilfreich und obendrein noch lustig? 🙂

  7. Ehrlich! Echt jetzt, die Frau Meyer hat auf mich echt echt gewirkt 😉
    wg. der Schulung: unkonventionell und dann noch lustig – genau das wärs! Gibt es eigentlich schon schwerhörige Comedians, die das Verhören thematisieren?

  8. Pia Butzky

    @ Naby: *mitkoppauftischplatteaufschlag*
    Lach. Das darf ich mal übernehmen, ja? Echt lustig.

    @ alle: Zur Konstallation Mann/Frau/Schwerhörigkeit kenne ich eine ältere schwerhörige Frau (jetzt mit CI) in langjähriger Ehe, die sich immer und überall auf das Heftigste über ihren hörenden Mann beschwert. Sie regt sich ständig über ihn auf und was er nicht alles falsch macht in ihren Augen. Furchtbar. Der schweigt dazu und hält still. Und die Ehe hält seit Jahrzehnten. Sachen gibt´s.

    Aber mal im Ernst:
    Mir gehen sie auch oft auf den Zeiger, die anderen Schwerhörigen. Booah, sind die bockig, plump und stur. Und die hören ja NIE zu!

  9. Pia Butzky

    (Oweiowei, jetzt echt mal im Ernst: Mich hat erst kürzlich ein guter Freund ganz verärgert angemeiert, ich würde zu sehr „monologisieren“. Das hat ein bischen *ähm* mit Schwerhörigkeit zu tun, aber auch damit, dass ich Fragen immer ernst nehme und vollständig beantworten will. Zwanghaft. Also er fragt: „Und wie läuft´s so bei dir?“ und ich lege los. Richtige Antwort wäre aber: „Gut, soweit. Und bei dir?“ Sage ich aber nicht, weil dann er loslegen würde. Und ich käme mit dem Hören nicht hinterher.

    Jetzt kommt mir der Verdacht, dass ich tatsächlich das typische Dauerlabern der Schwerhörigen mache, ohne es zu merken. Gibt es einen Tipp, wie man sich das wieder abgewöhnen kann? Bleibt aber unter uns. Echt peinlich.)

  10. @Pia: „Du darfst!“

    Ohne Schleichwerbung machen zu wollen. Und überhaupt, das wäre doch vielleicht ein schicker akzeptanzsteigernder Name für die nächste Gerätegeneration 😉

    Ansonsten: mich haben sie in der Reha auf dieses Muster gebracht. Da gibt es ausgezeichnete Seminare. Ich musste erst mal breit grinsen, als ich das hörte. Au weia, das bin ja ich. Meistens, vielleicht auch nur manchmal? Seither achte ich einfach drauf und gut iss. Inzwischen gibt es Menschen, die werfen mir vor, ich sei so schweigsam geworden.

    Auf der anderen Seite habe ich mir gleich noch ein paar andere „Macken“ abgewöhnt. Zwanghaftes Verstehenwollen beispielsweise. Und mir stattdessen so etwas zugelegt wie eine „angemessene Resignation“. Lehne mich also öfter’s gemütlich zurück und genieße die sinnliche Präsenz des Augenblicks. Bleibt vielleicht ohne verstandene Pointen, aber das macht nichts: nicht jeder Vortrag ist hörenswert, nicht jeder Witz ist gut. Ganz abgesehen davon, dass die Entspannung das Verstehen grundsätzlich eher fördert 😉

  11. @Pia Butzky -. Jede hat zu sagen, was sie zu sagen hat. Aber wenn der Gesprächspartner irgendwie zuckt, dich anschaut und die Lippen öffnet, das als Signal interpretieren. Falls dann doch nix kommt, weiterreden.
    Bei mir ist das Problem eher andersrum, vor lauter Zuhören komm ich nicht dazu, selbst was beizutragen. Und wenn dann die Lücke kommt, vergesse ich manchmal, was es war, was ich noch sagen wollte.
    @NQLB – ich hab sie inzwischen gefunden, die Frau Meyer in der Hertensteinstraße … sie ist hier im Blog ja gar keine Unbekannte 😉

  12. Ich ging zur Schwerhörigenschule. Sie können wirklich nerven 😉 Unter jüngeren Schwerhörigen herrscht oft Konkurrenzdruck im Bezug zur Hörfähigkeit und Lautsprechkompetenz.

    gruppli, die Schwerhörigkeit kann freiwillig ausgesucht werden, wenn z.B. taube Kinder implantiert werden. Interessant wäre die Frage, ob die Schwerhörigkeit für tauben Kindern wirklich erstrebenswert ist, wenn sie schon wie oben beschriebenen Charakterschwäche und Isolation fördert.

  13. Kompliment, Herr nqlb! Und danke, dass Sie endlich mal die Frau Meyer zu Wort kommen lassen! Das freut mich riesig! Ich wusste noch nicht mal, dass sie Edwina heisst. Ich hatte eher so an Rösli oder Theres gedacht. Aber Edwina ist goldrichtig – schweizerdeutsch: „s’Edi“. Es gibt ihr die richtige nqlb-Note!

    Und was sie sagt: Sehr bedenkenswert!

  14. Wow, und ich Naivchen nehms natürlich für bare Münze und denke zwei Tage über eine gute Antwort nach, die Frau Meyer behutsam darauf hinweist, dass die zwei ein Partnerschaftsproblem haben. Eines, das auch ein anderes Thema als die Schwerhörigkeit als Ausdruck des Problems finden würde, wenn beide guthörend wären. Wie schickt man die beiden freundlich und respektvoll in die Eheberatung….mann oh mann und dann schau ich grad hier wieder rein…

  15. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die typischen Menschen mit Schwerhörigkeit wirklich nerven, weil ich in einer langen Zeit zur Schwerhörigenschule ging, wo die Schulkamerad/innen wegen starker Einschränkung meiner auditiven Wahrnehmunung auslachten.
    Leider gibt es einige Schwerhörige, die so denken, dass sie sehr gut hören können und selbst unterdrücken.

    @Pia, „Bitte mehr Rücksicht auf die Guthörenden!“ naja typische Menschen möchten es sagen. Bitte mehr Rücksicht auf die Gutsehenden 😉
    Ich habe EINS nicht verstanden: warum haben viele Guthörenden zwei eigene Hände? und sie ignorieren leider oft kommunistische und gewöhnliche Problem der Schwerhörige und machen immer dieselbe Vorwürfe gegen Schwerhörigen.

    bisher ignoriere ich immer die Hörende, die immer gleich versuchen, mit mir NUR in Lautsprache zu kommunizieren, obwohl sie gewusst haben, dass ich nicht alles verstehen kann und oft Unterstützung der Gebärdensprache/Körpersprache brauche.

  16. Kia und bengie, also ist festzuhalten, dass offenbar weder Flotthörende noch Gehörlose Schwerhörige mögen. Was geht denn da in Schwerhörigenschulen ab? „Unter jüngeren Schwerhörigen herrscht oft Konkurrenzdruck im Bezug zur Hörfähigkeit und Lautsprechkompetenz.“ „Leider gibt es einige Schwerhörige, die so denken, dass sie sehr gut hören können und selbst unterdrücken.“– Ist ja schlimm. Was heißt denn das konkret, wie muss ich mir das vorstellen?

    Minali, ich hoffe, Du verzeihst. 😉 Aber inhaltlich hast Du natürlich sehr recht. Ich finde es nur auch mal ganz gut, einen Spiegel vorgehalten zu kriegen. Ich mache ja auch einiges von dem Bemängelten, manchmal. Nicht alles so kompakt, aber einiges.

  17. meine mutter ist auch eine edwina, jedenfalls ein bißchen -.-… ich versuche seit längerem, sie besser informiert zu ‚machen‘ und meinen vater zum hörgerät zu motivieren. beides bisher mit leider mäßigem erfolg.

  18. Ich roch es doch zutreffend, dass der Eingangstext nicht echt sein kann 🙂 ein „Vierteljahrhundert“ lang „ich halte es nicht mehr aus“,“Eierlikör“ und auffallende Verallgemeinerungen – Nachtigall ….
    Aber er hat einen wahren Kern.

    Die Art von Mobbing in der Schule unter Schwerhörigen habe ich selbst erlebt, von „hihi, der hört ja schlecht“ aus dem Munde eines Schwerhörigen bis „nee, ich brauche keine Hörgeräte“ oder gar „du brauchst nicht so mit den Händen fuchteln, wenn du redest“. Das war jedoch nicht Alltag und eher selten, zum Glück. Da Schöne unter Schwerhörigen überwog.

    Zur Therapie: Dafür gibt es seit einigen Jahren sogenannte Audiotherapeuten. Gute Idee, mit dem Rezept für Hörgeräte gleich ein Rezept zur Therapie auszustellen.

  19. NqlB – ist verziehen! Bin immer für Satire zu haben. Und wenn sie dann so gut ist, dass ich voll drauf reinfalle, kann ich nur sagen: Bravo – nicht schlecht! (anerkennendes Nicken)

  20. @Martin, @all – „die Art von Mobbing“ habe ich an einer Regelschule auch erlebt. 2x, um genau zu sein, in sechs Jahren Grundschule. Am Gymnasium überhaupt nicht. Die „Brillenschlangen“ hat’s mit Abstand öfter’s getroffen als mich, und die „Doofen“ sowieso regelmäßig – lässt man Kirchen im Dorf, ist das normaler Kinderkram und pädagogischer Alltag.

    Manchmal bin ich doch froh, dass ich auf einer stinknormalen Regelschule war. Nee, nix Rücksichtnahme, nix Integrationsklasse, das war damals noch ein Fremdwort. Ich habe sicherlich eines gelernt: mich durchzubeißen, tausende von Strategien zu entwickeln, die mir das Verstehen ermöglichen bzw. erleichtern. Somit gehöre ich tatsächlich zu den Leuten, die fast immer ausgerechnet das verstehen, was für ihre Ohren gar nicht bestimmt ist – das Verstehen ist nämlich auch ein Phänomen entspannt schweifender offener Aufmerksamkeit.

    @kia, @ nqlb „Ist ja schlimm. Was heißt denn das konkret, wie muss ich mir das vorstellen? “

    Stellt Euch das so vor: Hörgeräte habe ich (an Taubheit grenzend sowie mittel/hochgradig) jahrelang keine getragen. Damals wie heute – in ruhiger Umgebung ist alles schön, aber wehe, da hustet einer, oder raschelt mit Papier, oder das Fenster zur Straße hin wird geöffnet. An so eine primitive (digitale) Technik, die all das nicht automatisiert handlen kann, und die leider noch immer als „ausreichende Norm“ propagiert wird, auch und sogar von gehörlosen! HNO’lern – der schlechte Grottenwitz überhaupt – mit dem kessen Spruch „den Unterschied zum High End hören Sie sowieso nicht“, sollte man tatsächlich keine Anforderungen stellen.

    Und Rücksicht nehmen gefälligst.
    😀

  21. @Bengie zur Freiwilligkeit der Schwerhörigkeit, meinte ich in erster Linie einfach Menschen, die schwerhörig geboren werden oder im Lauf des Lebens schwerhörig werden. Ich z.B. mit 20. So gesehen besteht auch bei implantierten Kindern keine Freiwilligkeit, da das ja die Eltern im Fall des Falles entscheiden und nicht sie selbst. Es wird noch einige Jahre dauern, bis Kinder mit CI erwachsen werden und ihre Sicht schildern.
    Ich würde es Menschen nicht als Charakterschwäche auslegen, wenn sie versuchen, sich so oder so an ihre Behinderung anzupassen und ’normal‘ zu wirken. Jeder tut das, was er kann. Vielen ist es noch nicht mal bewusst, dass es eine Strategie ist.
    Letzlich ist es eine Antwort auf den Konkurrenzdruck, von dem du schreibst. In der besten aller Welten, gäbe es das natürlich nicht, dass die einen sagen „du bist behinderter als ich“.
    @NQLB – „dass offenbar weder Flotthörende noch Gehörlose Schwerhörige mögen“ – Och, so war das doch bestimmt nicht gemeint. Aber wir gehören halt nirgendwo so recht dazu, die Grenzen sind fließend.
    @Naby – für die Schwerhörigen-Rehas würde sehr gerne Schleichwerbung machen, da gibts ein paar gute Adressen 😉

  22. Pia Butzky

    @alle Schwerhörigen:
    Also, nun mal raus mit der Sprache (ihr redet hier alle gaaaanz weit um den heißen Brei herum): Was genau machst DU, wenn jemand ganz konkret etwas bemängelt an deiner Schwerhörigentaktik, die DU dir angewöhnt hast, um im Alltag zurecht zu kommen?

    Ihr erzählt hier was von „früher“ und von „Gruppenzugehörigkeiten“ oder dass „die Frau Meyer“ in eine audiotherapeutische Beratung gehen soll. Aber rückt doch hier mal ehrlich damit raus, ob ihr es erlebt, dass sich jemand über eure Schwerhörigentaktik beschwert, weil derjenige wirklich an dem Kontakt interessiert ist – Freunde oder Familie eben, die man nicht einfach übergehen kann.

    Beethoven hat die barsche alte Frau Meyer so klischeehaft dargestellt, dass man sich ganz leicht von ihr distanzieren kann, aber es sind die jungen liebenswerten Katjas und Sebastians, die ganz dicht mit uns leben und sich bemerkbar machen, wenn was nervt. Über die kann man sich nicht lustig machen, das löst das Problem nicht.

    Was ist, wenn dir jemand wichtig ist, der echt genervt ist?!
    Da nützt es dann nichts, noch mehr Distanz aufzubauen („die anderen sind doof, mit denen spiele ich nicht mehr“). Und die Haltung „Wer mein Freund sein will, muss meine Hörtaktik verstehen und immer tolerieren“ geht ja wohl auch nicht, denn es nervt einfach, so isses eben.

    Also mal ehrlich (an alle):
    Was machst DU in der Situation? Beleidigt sein? Streiten? Dein Verhalten ändern? Sich auf etwas einigen? Den Mund halten?
    Raus mit der Sprache!

  23. Pia Butzky

    @naby und @gruppli:
    Ja, danke, genau das meine ich!
    Gibt es ein Mittelding zwischen der Taktik „Dauerreden“ und „Sich ganz rausziehen“? Ich pendele selbst oft zwischen den beiden Extremen. Aber wie bekommt man das hin, wieder mit anderen in ein Gesprächsgeflecht zu kommen, in dem jede/r beteiligt ist? Wie soll das ohne überhöhte Anstrengung gehen?

    Ich habe – erleicht gesagt – erstmal sehr verletzt und gekränkt reagiert, als der schon genannte Freund mir vorwarf, zu „monologisieren“. Denn das will ich ja eigentlich gar nicht, es erlöst mich aber von der Dauereinsatzbereitschaft beim Zuhören. So langsam dämmert mir auch, dass wir im gleichen Boot sitzen, denn ich bin ja auch genervt davon, zuviel hören zu müssen. Wenn andere mich deswegen bremsen dürfen, darf ich auch andere bremsen und es mir damit leichter machen.
    Wäre eine Lösung.

  24. Pia Butzky

    Tippfehler:
    „erleicht gesagt“ meint natürlich „ehrlich gesagt“.
    Und „erleichtert“ bin ich natürlich über gute Lösungen.

  25. @Pia .. sehr schön, volle Zustimmung.

    Ich denke, „Hinweisen auf..“ ist das Zauberwort.
    In Verbindung mit Humor durchaus auch „Zurechtweisen“.

    Alledem sollte immer zugrunde liegen ein gutes Gespür für Deinen aktuellen Batterieladestand. Den Deines seelischen Akkus wohlgemerkt. Wenn der nämlich alle ist, und das ist er bei Schwerhörigen weitaus öfter am Tag und weitaus schneller als normal, nützt alles Hin- und Zurechtweisen nichts. Dein Gegenüber kann sich die Fusseln deutlich quatschen und Du wirst trotzdem nicht besser verstehen. Das ist nämlich kein HNO Phänomen, sondern ein psychologisches, genannt Tunnelwahrnehmung oder eingeschränkte Aufmerksamkeit bei Ermüdung.

    Ist also der Akku geladen, will jemand was von mir konkret, und schneide ich das nicht mit, reagiere ich je nach Situtation mit einem „wie bitte?“, einem „sorry, war grad nicht bei der Sache, kannst Du das nochmal wiederholen“. Einem „schau mich bitte an, wenn Du mit mir redest“, gar einem „nuschel bitte nicht so und quatsch nicht so schnell, wir sind hier nicht auf der Flucht. Oder hast Du gleich noch was anderes vor?“. Die Verkäuferin aus dem Zeitungsladen habe ich erst letzte Woche grinsend darauf hingewiesen, dass es doch vielleicht weitaus kundenfreundlicher sei, mit mir zu reden, anstatt mit ihrem Regal, wenn sie wissen möchte, ob ich nun dieses oder jenes meine. Weil, ich hätte gegenüber dem Regal den Vorteil, ich könne auch antworten, wenn ich direkt angesprochen werde 😉

    Einmalige Hinweise reichen eben nicht. Da hilft nur stoische Wiederholung. Selbst meine Mutter, die ja nun wirklich mit meiner Schwerhörigkeit groß geworden ist, hat immer wieder „vergessen“. Ohne jede böse Absicht.

    Ansonsten kennen meine Freunde das schon, dass ich mittendrin auch mal lieber scheinbar vor mich hin träumend im Sessel sitze und bitte nicht angesprochen werden will. Wie besoffen von zu viel Eierlikör. Um keine halbe Stunde später wieder voll da zu sein. Oder auch wie von der Tarantel gestochen Einladungen schon nach 1 Stunde verlasse, weil’s mir grad reicht für heute. Die Freiheit nehme ich mir nicht nur, die wird respektiert. Und verstanden.

  26. buehlersblog2

    Vielleicht sollte ich doch noch schnell etwas zu dem sagen, was die Frau Meyer sagt. Als Teilzeit-Schwerhörige (Meniere beidohrig mit dem typischen schwankenden Hörvermögen) habe ich beides erlebt: den Umgang mit schwerhörigen Menschen als Hörende und akute Schwerhörigkeit mit einem hörenden Partner. Deshalb traf ich neulich eine Abmachung mit meinem Partner: dass ich so oft nachfragen darf, wie ich muss, um ihn wirklich zu verstehen – und wenn es fünfmal ist. Das ist anstrengend und manchmal demütigend, und manchmal frage ich drei- bis viermal nach. Aber es beinhaltet auch die Chance, dass der Gesprächspartner schliesslich merkt, dass zur Kommunikation zwei gehören – und dass er nicht spricht, wenn gerade ein Auto vorbeibrettert und beim Sprechen nicht in die andere Richtung schaut. Aber ich glaube, für ältere Männer ist die Lage generell schwieriger. Männer geben einfach nicht so gerne zu, dass sie überfordert sind – und tun alles mögliche, damit man es nicht merkt.

  27. Pia Butzky

    Ja, echt gut, wenn man das überwiegend mit Humor und Gelassenheit nehmen kann, Naby.

    Worauf ich aber hinaus will, ist dies:
    Hast du es schon mal erlebt, dass DU die Person bist, die es jemand anderem schwer macht? Ohne es bewusst zu wollen, aber trotzdem kann es passieren, dass andere geschafft und genervt sind – und man merkt es selbst nicht. Es wäre ja recht simpel, wenn die anderen immer die „Falschmacher“ sind und wir die ewig unverstandenen Behinderten, die *großesaugenlidgeklimper* nichts dazu können.

    Als ganz normaler Mensch möchte ich mich irgendwie steuern können und schlechte Angewohnheiten vermeiden, die sich zwischen Freundschaften und nahe Beziehungen stellen. (Darum geht es wohl bei Beethovens exemplarischer Meyer-Figur). Es ist ja nicht alles an mir absolut unveränderlich, auch wenn ich mein Hörvermögen nicht verbessern kann.

    *nachdenkundgrübel*

  28. Pia Butzky

    @buehlersblog2: Teilzeitschwerhörige, na das trifft es. Menriere stresst, das ist wohl wahr.
    Die Abmachung (fünfmal fragen) ist übrigens klasse, schön konkret und auch zu schaffen. Sowas werde ich auch machen, also mit Freunden mal über konkrete Regeln sprechen und sie auch daran erinnern. Denn solche allgemeinen Forderungen wie „Nimm bitte Rücksicht“ sind ja von niemandem einzuhalten. Je konkreter also, desto besser.

  29. Pia, ja, ich erlebe es, dass ich mit meiner Schwerhörigkeit für einige irgendwie vom anderen Stern bin. Da bin ich nicht anders dran als jeder andere Mensch mit Besonderheiten wie Blindheit, Rollstuhl oder hohem IQ.
    Im Gespräch mit vertrauten Personen frage ich immer nach. Ist das Gespräch weniger wichtig, tue ich manchmal so, also hätte ich verstanden. Ich finde das nicht unehrlich oder eine schlechte Angewohnheit, sondern ein Mittelweg, der gut funktioniert, für beide Seiten. Dieser Weg geht, weil ich relativ viel verstehe, vieles zusammen kombinieren kann und nur bei undeutlicher Sprache nachfragen muss. Eine Party verlassen musste ich bisher nicht, ich nehme bei lautem Umfeld aber hin und wieder eine kurze Auftankpause.
    Manchen geht mein Nachfragen oder das Muss zum deutlichen Reden auch mal auf die Nerven, aber das ist der Preis, um mit mir zu kommunizieren. Ich kann die Schwerhörigkeit nicht ändern.
    Eine Freundin hat mal von einer anderen das Lob bekommen, dass sie deutlicher reden würde, worauf sie entgegnete, dass das von ihrem schwerhörigen Freund käme. Ergo, meine Taktik halte ich nicht für so falsch.

  30. Manche Möchtegern-Hörende haben unter sich jahrelang audiologischen Schwanzvergleich gemacht. Ansonsten gibt es natürlich Schwerhörigen, die nicht von schlechten Eltern sind, bewusst leben und mit eigener „Grenze“ klarkommen. Bin heute mit vielen von dieser Menschenart befreundet 🙂 Es wird dann anstrengend, wenn die Verbesserung eigener Lautsprechfähigkeit und Hörfähigkeit zur Lebensaufgabe geworden ist. Durch diesen Ehrgeiz haben sie nicht Zeit und Möglichkeit gehabt, eigenes Leben frei und individuell zu gestalten. Eine Weltreise zum Beispiel. Man soll doch auch ruhig über „Gott und Morgenpost Online“ reden können. Der Durchschnittsschwerhörige bleibt in der Nähe von Eltern und ist charakterlos.

  31. CharlyBrown

    Ich bin mit acht Jahren auf beiden Ohren ertaubt, kein Restgehör.
    Danach war ich auf einer Schwerhörigenschule.
    Die MitschülerInnen waren von leicht- über mittel- bis hochgradig sh.
    Hörgeräte hatte damals noch kein Kind an der Schule.
    Konkurrenz gab es damals nicht im hören sondern
    bei den Jungen im Sport und bei den Mädchen im Schönsein.
    Erst einige Jahre später erlebte ich erwachsene Schwerhörige, bei
    denen sich fast jedes Gespräch um hören und Hörgeräte drehte.
    Die nervten wirklich sehr.
    Aber die meisten Schwerhörigen sind im Prinzip ganz normale Menschen.
    „Die Schwerhörigen“ oder „Die Gehörlosen“ gibt es nicht als einheitliche Gruppe.
    Jeder ist im Prinzip genauso individuell und unterschiedlich wie Hörende.
    Später lernte ich bei den Gehörlosen einige charakterlose Typen kennen,
    Die waren nur schwerhörig , nannten sich aber „von Geburt gehörlos“.
    Einige dieser schwerhörigen Gehörlosen konnten mit Hörgerät sogar telefonieren.
    Aber sie gönnten tauben Menschen kein CI, stänkerten bei jeder
    Gelegenheit gegen CI-Träger und beleidigten Eltern von CI-Kindern.
    Zwei dieser Typen kapierten erst nach einem Hörsturz, was Taubheit ist
    und ließen sich ganz schnell ein CI implantieren!

  32. @Pia ..

    Jeder ist für jeden eine Herausforderung. Wie Martin schon schrieb.
    Ich würde das Grundsatzproblem nicht ausschließlich auf die Fehlhörigkeit beziehen. Schließlich hat mensch noch tausend andere Macken, die anderen den Umgang mit einem schwer machen können, ohne, dass mensch dies wollte oder beabsichtigte. Es gibt Dinge, da kann und/oder will ich nicht aus meiner Haut. Entweder es passt, oder es passt nicht. Die Verantwortung für sein Wohlergehen, die darfst Du auch bei Deinem Gegenüber lassen, anstatt Dir den Kopf zu zermartern.

    Muster „Monologisieren“: wenn es Dir noch schwerfällt, die ausgewogene Mitte von Nirgendwo für Dich zu finden, dann beziehe doch diesen Freund aktiv in Deinen Lernprozess mit ein. Erlaube ihm ausdrücklich, Dich zu stoppen, anstatt Deine Konzentration nun auch noch zu zweiteilen. Macht ein Spiel daraus, das bringt ohnehin viel mehr Spaß. Erkläre ihm die Dynamik Deines Verhaltens. Dann kann er damit besser umgehen.

    Muster „ständig angespanntes Verstehenwollen“ auflösen, obwohl es wichtig scheint, das Gesagte auch 100% mitzubekommen, kann etwas länger dauern. Weil dafür zunächst eine Reihe von Erfahrungen nötig ist, dass es auch ohne Anspannung und damit der ausschließlichen Konzentration auf den Hörsinn oft sehr viel besser geht. Stichworte zum Lernprozess sind hier: Selbstgewahrsein und Vertrauen. Ganz gewiss ein heikler psychodynamischer und letztlich auch beziehungsdynamischer Punkt für Schwerhörige: wir trauen ja nicht nur unseren Ohren nicht über den Weg.

  33. Pia Butzky

    @naby: „… dann beziehe doch diesen Freund aktiv in Deinen Lernprozess mit ein. Erlaube ihm ausdrücklich, Dich zu stoppen … Macht ein Spiel daraus, das bringt ohnehin viel mehr Spaß.“

    Jaaaa, genau, gute Idee, das machen wir! Wer in zu langes Reden verfällt, bekommt zuerst einen deutlichen Warnhinweis, ein sichtbares Zeichen, und darf dann noch einen Satz sagen, um zum Schluß zu kommen. Und wer sich trotzdem nicht dran hält und viel zu lange Monologe hält, muss im Biergarten oder Cafe die Getränke zahlen. 😉

    Wird lustig werden. Mir hilft das aber auch, mich selbst beim Reden wieder mehr zu fangen (gut!) und auch anderen zu sagen, wenn es mir zuviel wird mit dem Zuhören. Gleiches Recht für alle. *freu*

    @bengie und @Charly Brown:
    Ihr macht also immer alles richtig, nicht wahr, und die anderen sind die „Doofen“? Klingt jedenfalls so. Ich vermisse bei euch eine gesunde Portion Selbstkritik. Habt ihr denn auch den Mumm, eigene schlechte Angewohnheiten zu erkennen und zu ändern? Das ist nämlich nicht so einfach. Das Lästern über Andere ist vermutlich eine gute Taktik, um von sich abzulenken, aber ehrlich gesagt: Es ist laaaangweilig.

  34. @Pia: Selbstkritik ist immer gut und führt zum Positiven. Ich bin aber gar nicht schwerhörig und würde mit einer Selbstkritik vom Thema abweichen 😉 Vielleicht meinst du, dass ich als tauber Mensch die Situation von Schwerhörigen ändern könnte?

  35. @Bengie, vielleicht meint Pia, dass du nicht andere, sondern dich ändern könntest? Ich fand deine zwei Beiträge nicht sympathisch.

  36. CharlyBrown

    Pia, nein, ich habe nie behauptet, alles richtig zu machen.
    Mein Beitrag war NICHT Zustimmung für Bengie.
    Im Gegenteil, mir hat nicht gefallen, das er Schwerhörige
    charakterschwach nannte.
    Bengie hat im Beitrag vom 30.4. sogar behauptet, das CI mache aus
    tauben Kindern charakterschwache schwerhörige Kinder.
    Zitat aus Bengies Beitrag vom 30.4.:
    „Interessant wäre die Frage, ob die Schwerhörigkeit für taube Kindern wirklich erstrebenswert ist, wenn sie schon wie oben beschriebenen Charakterschwäche und Isolation fördert.“
    Darum habe ich ihn darauf hingewiesen, das es bei den Gehörlosen charakterlose Typen gibt, die mit Hörgerät gut auskommen aber tauben Menschen das CI nicht gönnen.

  37. Pia Butzky

    @ Martin: Danke, genau das meinte ich. 🙂

    @ Charly Brown: Und du? Was machst du, wenn jemand dich auf DEINE unschönen Angewohnheiten hinweist? Ist das noch nie vorgekommen?

    Es ist richtig lustig, wie jemand immer wieder „die anderen“ hervorholt, wenn es um das eigene Verhalten geht. Der Zank zwischen Bengie und Charly Brown ist so ein typisches Ablenkungsmanöver. Aber wer macht das nicht? Selbstkritik ist ja wirklich sehr, sehr schwer und meistens auch nicht angenehm.

    Es müsste besser SELBSTBEOBACHTUNG heißen, das hat nichts Negatives. Es sorgt dafür, dass man selbst erkennt, warum man etwas tut. Jedenfalls glaube ich, dass man auch mit einer Behinderung (egal welcher Art) noch innerlich beweglich ist und auch eigene störende Angewohnheiten ändern kann. So starr und stur sind Hörbehinderte eben nicht, wie manche denken, oder? *Vorsicht, Klischee*

  38. Es war mir auch klar, dass meine Beiträge nicht sympathisch waren. Das Thema hier ist schon etwas heikel. Die Problematik, die NqlB hier angesprochen hat, mag in euren Augen, liebe Pia und lieber Martin, vielleicht rein individuelle und persönliche Sache zwischen einer schwerhörigen Einzelperson und ihrer hörenden Mitmenschen sein. Vielleicht ist euch nicht bewusst, dass viele taube Menschen von Schwerhörigen in der Hörbehindertenschule gemobbt und diskriminiert werden, nur weil der Hörstatus über die Hierachie entscheidet. Ich habe Glück, sehr netten Schwerhörigen in meiner ehemaligen Klasse zu haben. Meine Schwester zum Beispiel hat dagegen Pech. Heutzutage noch wird die Entwicklung von der Hörfähigkeit und der Lautsprechfähigkeit in der Sonderschule von Lehrkräften höher bewertet als die Intelligenz und die Schreibkompetenz. Schwerhörige kommen bei Pädagogen ohne Gebärdensprachkenntnisse einfach besser an. Der Konflikt zwischen schwerhörigen und tauben Kindern und Jugendlichen existiert seit Jahrzehnten. In der Zeit meiner Mutter traten beide Gruppen bei Sportveranstaltungen gegeneinander an. Manchmal wird der diskriminierende Gebärde für Schwerhörigen verwendet: Stinkefinger am Ohr. Ich kann über den Komplex von Schwerhörigen und ihren Auswirkungen auf den tauben Menschen schlecht sympathisch, lustig und herzerwärmend schreiben.

    Der Umgang mit eigener Schwerhörigkeit ist nicht nur eine indivudelle und persönliche Sache, sondern auch eine zwischenmenschliche Angelegenheit.

    Es ist mir natürlich klar, dass auch taube Menschen Charakterschwäche haben können. Hörende ebenso! Mir ist nur aufgefallen, dass Schwerhörige es schwerer als taube und hörende Menschen haben, ein normales und gesundes Leben zu führen und eigenes Leben frei und individuell zu gestalten. Deshalb habe ich auch geschrieben, welcher Sinn es hat, die Schwerhörigkeit bei tauben Kindern freiwillig auszusuchen.

  39. Viele Dinge sind mir als Hörende selbstverständlich, dementsprechend reagiere ich manchmal unsensibel. Manchmal mag ich mir den Schuh aber auch wirklich nicht anziehen, denn ich kann nicht in jeder Situation erkennen, ob mich mein Gegenüber nun verstanden hat oder nicht oder nur so tut und erst später grantig herausplatzt, dass er mir schon seit langem nicht mehr folgen kann. Meines Erachtens haben beide Seiten mal ’nen schlechten Tag, der oder die andere muss das dann eben entsprechend durch Geduld ausgleichen – ich glaube anders kann man das kaum lösen. Geduld und Nachsicht auf beiden Seiten selbstverständlich, schließlich sind wir alle nur Menschen.

  40. Pia Butzky

    @Cassionette: „…denn ich kann nicht in jeder Situation erkennen, ob mich mein Gegenüber nun verstanden hat.“

    Stimmt! Und dein schwerhöriges Gegenüber sagt in dem Moment vielleicht nur „jaja“, weil alles andere einfach anstrengend ist (nachfragen, nochmal nachfragen, durch Störkrach durchhören usw.). Geduld und Nachsicht hat man ja leider nicht immer, oft reagiert man mit Schuldzuweisung. Dann fängt der Ärger erst so richtig an.

    Eigentlich wundere ich mich, dass andere sich selten bei mir beschweren, wenn ich irgendwelche Hörtaktiken anwende (zuviel reden, „jaja“ sagen, schweigen). Sie nehmen das schon so hin. Schade eigentlich.

    @bengie:
    So wie du es verstehst, war das Thema sicher nicht gemeint. Leider hat NQLB die Kunstfigur „Frau Meyer“ benutzt, um verdreht satirisch zu schreiben, das sorgt wohl für Verwirrung. Das Thema bezieht sich aber nicht auf die Grabenkämpfe zwischen Gehörlosen und Schwerhörigen. Das wäre ein ganz, ganz anderes Thema. Echt, jetzt.

    Stattdessen geht es um die nahestehenden Personen, die für den hörbehinderten Menschen da sind, die aber sein Verhalten oft nicht verstehen. Du wirst in deiner Familie vielleicht auch Hörende haben, die dir nahe stehen, oder? Die Frage ist, wie man diese Leute respektieren kann. Wir schimpfen ja immer darüber, was sie alles falsch machen mit uns. Aber man kann ja auch Geduld und Nachsicht aufbringen – schreibt Cassionette.

  41. hewritesilent

    Bengie, aber hallo? Die lautsprachliche Schwerhörigen und Gehörlosen haben nach meiner Meinung es leichter, als die Gebärdensprachkommunizierende, weil die in beiden Gruppen (in der gehörlosen Gruppe und in der lautsprachlichen Gruppe) dabei sein können und beides verstehen . Die Gehörlosen mit Gebärdensprache können aber nur in einer Gruppe bleiben. Wie sieht es beim Einkaufen aus, wenn er Fleisch haben will und in der Theke nicht viel Auskunft geben kann, was er will, sondern kann nur auf dieses Fleisch zeigen. Wie sieht es aus, wenn er eine Frage zu diesem Fleisch hätte? Aufschreiben? Ok, das wäre eine Möglichkeit, aber kostet mehr Zeit. Dieser Flucht in die GL Welt ist schon bemerkbar, was ich schon schade finde.

  42. hewritesilent

    Und die Wahrheit ist hier zu finden: http://www.gl-cafe.de/viewtopic.php?f=99&t=9151

    🙂

  43. @hewritesilent, „Wie sieht es aus, wenn er eine Frage zu diesem Fleisch hätte? Aufschreiben? Ok, das wäre eine Möglichkeit, aber kostet mehr Zeit.“ ey du denkst viel zu kompliziert. Kannst du mit deiner Zeit nicht genug umgehen? ^^
    ich wachse in mittleren Bereich von BadenWü auf. Dort ist schwäbisch. ABer ich ging zur SH-Schule in KA. können unsere Schwerhörige einen schwäbischen Metzger verstehen? Sie können auch nicht Lippenablesen, weil das Mundbild der Schwaben chinesisch oder… ^^.. der spricht so aus: z.b. „Wat deist du da?“, „Haalt jo dor drut“, „Mir kennat älles. Außer Hochdeutsch“ 😉 sollen unsere Schwerhörige dann es aufgeben, ein Menge Fleisch zu kaufen?

  44. Warum so kompliziert? Zwischen lautsprachkommunizierende und gebärdensprachkommunizierende sind was anderes. In der Praxis zeigte sich immer wieder, denen die Gebärdensprache verwehrt wurde. Da kann ein gebärdensprachunkundige Metzger nichts mehr für gehörlose Kunde weiter vertiefen, wenn die Gehörlose nur nach Gebärdensprache verlangen.

    Sehr wohl können die meisten schwäbischen Metzger Hochdeutsch sprechen. Wenn die Schwerhörigen nicht verstehen können, dann sollen sie den Metzger höflichst bitten auf sauberen Hochdeutsch kommunizieren.

    Vielleicht kann Julia Probst dir beim Lippenlesen beibringen, sie kommt ja aus dem gleichen Bundesland wie du. Sie hat ein großes Herz für alle, also sie ist wirklich ein Mädchen für alles.

  45. Sollen sie den Metzger höflichst bitten auf SAUBEREN Hochdeutsch kommunizieren? die Dialektsprecher, die sehr stolz auf ihre Heimat sind, werden schnell benachteiligt. Ich weiß, dass sie zwar hochdeutsche Aussprache hören können, aber können Hochdeutsch oft nicht sauber aussprechen.

    „Da kann ein gebärdensprachunkundige Metzger nichts mehr für gehörlose Kunde weiter vertiefen, wenn die Gehörlose nur nach Gebärdensprache verlangen.“
    Ja, die Deutsche sind leider nicht offen 😉 *lol* was bedeutet, dass die Metgzer nichts für die GL vertiefen kann? wann? wofür gibt es ein kleiner Zettel auf Fleisch? sagen einach Hahn, Rumpsteak oder.. 500 gramm…
    Warum konzentrierst du dich nur auf diese möglichen „Kleinigkeiten“ /Details statt Gesamtbild?
    Einige gebärdensprachlichen Gehörlose finden sowieso einen anderen Weg, welche wir noch nicht erleben. =)

    ja, ich habe daran mich erinnert, dass Julia in der Region Bayerisch-Schwaben wohnt und ihr Talent Lippenablesen ist, nicht so wie mein Talent.

  46. Pia Butzky

    Man kann ja alle unwichtigen Leute (z.B. schwäbische Metzger) ganz leicht umgehen, das ist wirklich überhaupt kein Problem. Aber kann man wirklich seine ganze Umgebung so genau „aus“sortieren? Bei manchen GL klingt es so, als ob sie auf einer Insel nur mit Gebärdensprachlern leben möchten und alle anderen nur stören.

    Wie kommunizieren Gehörlose denn mit nahestehende Verwandten, die hörend sind? Es werden ja vermutlich nicht alle in der Familie Gebärdensprache lernen (siehe oben den Link zum http://www.gl-cafe.de). Bleiben denn die Familienmitglieder, die nicht gebärden, einfach „links liegen“? Was ist mit den Großeltern, Onkeln und Tanten, Geschwister, Cousins und Cousinen? Kein Kontakt ohne Gebärdensprache? Oder WIE macht ihr das?

    Finden Gehörlose denn die Verständigung mit Hörenden (und Schwerhörigen) nur negativ und lästig? Zumindest wer schreiben möchte, muss sich ja doch irgendwie mit Lautsprache befassen, denn die Schriftsprache ist ja wie Lautsprache. Also, man kann sich nicht ganz isolieren und nur auf Gebärden beharren, denke ich. Oder man muss sogar auf das Schreiben und Lesen verzichten und alles mit Video machen.

  47. hewritesilent, die reibungslose Kommunikation mit einem Verkäufer ist nicht entscheidend für die persönliche Entwicklung.

    Pia Butzky, ich schrieb dir bereits, dass ich mit einer Selbstkritik (oder einer Selbstbeobachtung) vom Thema abweichen würde 😉

  48. ???
    Als Schwerhöriger verstehe ich hier bald nicht ein Wort mehr.
    Was laufen denn da für seltsame Diskussionen in den GL Communities?

    Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit GL während meiner Reha muss ich @hewritessilent Recht geben. Häufigst anzutreffende Unwilligkeit, die persönliche Komfortzone zu verlassen, und im abgeschotteten, vermeintlich sicheren Nest zu bleiben. Allein eine gemeinsame therapeutische Gruppe mit Schwerhörigen schien so manchem GL die reinste Zumutung zu sein. Permanenter Kampf mit den Komplexen, anstatt Akzeptanz und Gelassenheit. Die Empfindlichkeiten sind von Außen betrachtet schon ausgesprochen breit gestreut, der Fettnäpfchen viele. Was für jeden Nichtkomplexbehafteten den Umgang mit einem GL, bei dem eine solche Psychodynamik der Abwehr auftritt, bisweilen kompliziert und unerfreulich macht. Aber auf ganz anderen, weil psychologischen, Ebenen des Umgangs miteinander.

    Ist unter „Normalhörenden“ nicht anders. Sobald zwischen Zweien einseitige Unterlegenheitsgefühle aus welchen Gründen heraus auch immer ins Spiel kommen. Für den vermeintlich Überlegenen immer! eine unkomfortable Situation, weil sie von ihm eine Dauerbereitschaft zur Metakommunikation und zu langatmigen Erklärungen voraussetzt. Und wehe, diese erhöhte Wachsamkeit lässt einmal nach. Dann hat der „Unterlegene“ seinen Beweis, auf den er die ganze Zeit stiert, wie ein hypnotisiertes Kaninchen.

  49. Pia, wenn Verwandten keine Gebärdensprache erlernen wollen, wird dann schriftlich oder mit Gesten kommuniziert. Viele taube Menschen versuchen aber, den Hörenden anzupassen und mit ihnen lautzusprechen. Sie werden bei Familienfesten aber oft vergessen und ignoriert. Es gibt eine Diskussion zu diesem Thema, welches von Ace ausgelöst wurde und im Facebook gründlich diskutiert wurde. Frustfaktor hoch zehn bei tauben Menschen aus hörenden Familien. Ich habe aber eine taube Familie und kommuniziere mit wenigen hörenden Angehörigen eher per E-Mails.

    Um gut mit hörenden Mitmenschen lautsprachlich kommunizieren zu können, muss man täglich bis zu 2 Stunden trainieren. Es bleibt dann weniger Zeit für persönliches Interesse übrig.

    Bezeichnungen wie Insel, sicherer Nest oder gar Ghetto finde ich abwertend. Punks sind auch gern unter sich. Sowie auch Studierenden eines bestimmten Instituts. Ich lebe rein gebärden- und schriftsprachlich. Ganz zufrieden bin ich schon! Ich lebe ja in einer WG mit hörenden Mitbewohnern. Ich kann einen Vöner oder einen Kaffee in meinem Kiez bestellen. Ein Leben ohne Lautsprache soll bitte respektiert werden.

  50. @Pia, Ich habe hier nur kleine Familie. große Verwandte wohnen in einem Ausland. Deshalb schreiben wir uns nur per email statt Telefon. Außerdem ich selbst bin nicht GL, weswegen ich deine Frage nicht beantworten kann.

  51. @bengie …
    Punk zu sein ist eine psychologische Frage der „Identifikation mit …“ Allerdings in der Regel eine vorübergehende und flexiblere. Du vergleichst Äpfel mit Birnen.

    „So wie ich den Menschen sehe, so klingt er auch“
    Sarah Neef

  52. ja, bengie hat recht dass ein Leben ohne lautsprache respektiert werden soll.

    meine nichtdeutsche amilie kommuniziert mit mir selten in Deutsch. Nein schroftssprache ist nicht so einfach wie Lautsprache weil meine hörenden Eltern deutsche Lautsprache mcht korrekt beherrschen. auch weil sie nur Dialektsprache durch hören lernten.

  53. Pia Butzky

    @bengie: „Pia Butzky, ich schrieb dir bereits, dass ich mit einer Selbstkritik (oder einer Selbstbeobachtung) vom Thema abweichen würde“.

    Nein, genau darum (!!!!!!!!!) geht es in dem Thema, das Beethoven eröffnet hat. Exakt das ist das Thema!

    Du wohnst also mit Hörenden in einer WG zusammen? Wow. Hätte ich echt nicht gedacht! Wie kommuniziert ihr denn? Mich interessiert der ganz banale und konkrete Alltag. Also, ich nehme an, ihr verwendet alle die Gebärdensprache, auch die Hörenden, oder? Oder auch Lautsprache (Lippenabsehen?) mit besonderen Vereinbarungen, z.B. deutlich und langsam sprechen? Also, wie stellst du dich auf deine hörenden Mitbewohner ein? Welche Besonderheiten beachten deine Mitbewohner? Klappt das immer gut oder gibt es auch was, was nervt? Das würde ich sehr gern mal wissen, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie das ist.

  54. @Kia und bengie: Natürlich ist es überhaupt für Gehörlose kein Problem ein Döner oder Kaffee zu bestellen, das weiss ich auch selbst. Was ich hier damit sagen will, um mit ins Gespräch mit Metzger zu vertiefen (z.B. welche Fleischarten, welche Herstellung ob direkt beim Bauern oder beim Schlachthof, welche Tierhaltung, usw….). Das ist schon ein feiner Unterschied zu Döner- und Kaffeebestellung.

  55. Bitte, die lange Abwesenheit zu entschuldigen, ich bin die ganze letzte Woche leider nur zum oberflächlich mitlesen gekommen.

    Zum Thema Abwertung/Hör- und Nichtbehindertseinwettbewerbe unter Schwerhörigen:
    Die Idee, mit der Diganose SH bzw. Hörgeräteverschreibung gleich eine Therapie zu verschreiben, finde ich außerordentlich charmant. Käme allerdings wohl nicht gut an, weil welch herber Schlag fürs Selbstbewußtsein wäre das! Wo man doch schon mit dem Schlechthören so beschäftigt ist, jetzt auch noch weitere Probleme?!
    Ich glaube, Christiane hat mal erzählt, dass es so etwas in UK bei Blindheit gibt…

    Übrigens, wenn jemand von meinem Hör- und Zuhörverhalten genervt ist und es tatsächlich mein Fehler ist (ich habe alle der oben beschriebenen schon gemacht!) dann bin ich erstmal betroffen. Dann pendelt sich meist recht schnell Adaption von beiden Seiten ein, so wie oben auch schon von anderen beschrieben. Wenn nicht gerade eine Beziehung vorliegt, die eh nicht so stabil ist…

  56. Nein, NqlB, bitte meinen Kommentar oben nicht falsch verstehen: niemand braucht eine Therapie, nur weil er schwerhörig wird – so ein Quatsch. Aber bei Deiner Frau Meyer ist es einfach mehr als deutlich, dass die Eheleute ein Problem miteinander haben, das sich nur ganz am Rande an der Schwerhörigkeit austobt. Die könnten auch über Herrn Meyers Kaffeekonsum oder über Frau Meyers Topfpflanzen streiten, der Punkt wäre derselbe: sie kommunizieren miteinander nicht mehr freundlich, sind genervt voneinander und ihnen täte professionelle Hilfe gut. Das meinte ich (-;

  57. @Pia, eine Mitbewohnerin studiert zusammen mit mir den Studiengang Deaf Studies. Sie beherrscht die Gebärdensprache gut. Der andere Mitbewohner kann nicht gebärden. Unsere Kommunikation hat sich seit meinem Einzug langsam verbessert. Volle Kommunikation ist nur am Laptop möglich. Meine Anwesenheit bedeutet aber sehr positves für ihn, weil mein hörender Vorgänger nur Ärger und schlechte Stimmung machte. Das gemeinsame Wohnen mit einer stummen Gestalt kann auch angenehm sein 😉

    Seit ich nach Berlin gezogen bin, habe ich im Bezug zum Zusammenleben mit hörenden Mitmenschen vieles dazu gelernt. Mir ist vieles aufgefallen, was mir vorher nicht bewusst war. In einer tauben Umgebung kriegt man nichts mit, was man im Nebenzimmer wie z.B. in der Toilette macht. In einer WG mit hörenden Leuten ist die totale Privatsphäre nicht mehr möglich. Wenn ich mir irgendeinen Film anschaue, kann eine taube Mitbewohnerin in ihrem Zimmer einen hemmungslosen Sex haben. Ich bin zur hörenden WG gezogen, weil ich diesen Personen wertschätze und einfach mag.

    @naby, der Vergleich hinkt in meinen Augen nicht wirklich. Ich weiß nicht, wie du die Taubheit oder die Schwerhörigkeit definierst. Eher rein medizinisch? Das kulturelle Taubsein bedeutet für mich auch eine Identifikationsform und Zugehörigkeit zur einer Subkultur. Nur ein kleiner Teil von 14 Millionen Hörbehinderten in Deutschland lebt das Leben als kultureller tauber Mensch. Ich vertrete nun mal die Ansicht, dass jeder Mensch gern unter Gleichgesinnten in einer bestimmten Nische lebt.

    @hewritesilent, du meinst also, dass zigtausende Stunden Hör- und Lautsprechtraining wert sind, um mit einem Bäcker ins Detail zu gehen? Übrigens habe ich vom Vöner gesprochen 😀 Wie Döner hergestellt wird, interessiert mich sowieso gar nicht.

  58. @bengie .. ich hoffe Gott, ich mich selbst, oder was auch immer, wird mich davor bewahren, jemals in meinem Leben kulturell taub zu werden. Das stelle ich mir ausgesprochen öde und uninspiriert vor auf Dauer.

    Als ich in Deinem Alter war, war ich vielleicht allerhöchstens noch mit der Berliner Hausbesetzer Szene identifiziert. Auch das hat sich irgendwann gelegt. Ich definiere mein Selbst doch nicht über meine Schwerhörigkeit. Ebenso wenig wie über mein Alter, mein Geschlecht, mein Haus oder mein Auto. All diese Dinge mögen Bestandteil sein der Form und als solcher der Psyche. Mit dem Selbst haben sie sehr wenig zu tun.

    Seltsames Ansinnen das ist in meinen Ohren 😉

  59. Pia Butzky

    Aaach so. Danke, bengie, ist ja interessant!
    Also, du und der hörende Mitbewohner, ihr nutzt den Computer und Schriftsprache? Habt ihr auch Notizzettel? Hat er ein paar Gebärden gelernt, die man so braucht, zum Beispiel für „hallo, guten morgen“, „wer ist dran mit Abwasch“, „muss grad schnell mal weg“? Wenn man zusammen wohnt, lernt sich das ja recht schnell und übt sich auch gut.

    (Das ist mit ein Grund, weshalb Ertaubte ungern Gebärden lernen: Mit wem soll man üben, wenn die Familie und die Freunde alle hören können? Deshalb helfen Gebärden nicht im gewohnten Umfeld, man muss dazu ganz neue Kontakte suchen – das ganze Leben ändert sich radikal.)

    Privatsphäre in WG:
    Naja, kommt drauf an, wie locker die Leute sind. 🙂 Das gab wohl schon oft manchmal Stress, wenn jemand nachts zu laut war. Und der Abwasch …der nervte!

    Früher, als ich noch hören konnte, wusste ich, was „schleichen“ und „ganz leise machen“ ist. Wie merkt man das als gehörloser Mensch? Gar nicht? Sagen wir mal: Wenn du nachts in die Küche gehst und der Besteckkasten knallt runter auf den Fußboden (*SCHEPPPERR* heißt es im Comic*), dann hörst du das ja nicht, aber die ganze WG wacht davon auf. Hast du ein Gefühl dafür, wann Leute auf ein Geräusch reagieren, was du selbst nicht hören kannst?

  60. Pia Butzky

    @bengie: „Seit ich nach Berlin gezogen bin, habe ich im Bezug zum Zusammenleben mit hörenden Mitmenschen vieles dazu gelernt. Mir ist vieles aufgefallen, was mir vorher nicht bewusst war.“

    DAS ist mal interessant!
    Schreib doch mal mehr dazu. Echtes Leben, echte Erfahrungen. Die ganze Stadt ist ja VOLL von Hörenden und manche quatschen einen auch einfach mal so an. Denen kann man ja nicht aus dem Weg gehen. Gibt es Dinge, die es erleichtern, mit Hörenden zurecht zu kommen? Gibt es Dinge, es schwerer machen? Hast du Taktiken entwickelt für bestimmte Situationen? Hast du eigene Ideen entwickelt, um im Alltag mit Hörenden zurecht zu kommen?

  61. @naby, wie genau stellst du dir ein Leben als kultureller tauber Mensch vor? Die Gebärdensprachgemeinschaft kann für Schwerhörigen, die die Gebärdensprache – aus welchem Grund auch immer – nicht erlernen möchten, eine unentdeckte Schatzinsel voller unbegrenzten Möglichkeiten sein 🙂

    @Pia, mein Mitbewohner und ich haben glücklicherweise nicht den Erzählungsdrang. Vielleicht weil wir Männer sind 😉 Er hat das Lippenlesen ein wenig erlernt und kann mich ab und zu verstehen, wenn ich zu ihn ohne Ton spreche. Die Gebärdensprache hat er nicht gelernt, weil er schon seit meinem Einzug vor einem Jahr mit seinem Weggang aus berüflichen Gründen geplant hat. Meine Wohnungsgemeinschaft ist ein wenig anarchisch und trotzdem (relativ) sauber. Ich selbst bin schon immer sehr leise und mache wenige Geräusche. Beide Mitbewohner sind – zum Glück – auch nicht hellhörig. Ich habe ja ein Gefühl für Geräusche. Ich kann aber schlecht einschätzen, ob sie wirklich zu laut sind. Jeder hörender Mensch empfindet auch unterschiedlich. Ich habe keine Ahnung, warum manche auf Geräusche scharf reagieren und andere nicht 😉

    Ich komme mit Hörenden besser zurecht, seit dem ich komplett auf die Lautsprache verzichte. Mit schlechter Artikulation werde ich nicht unbedingt als vollwertiger Mensch wahrgenommen. Sie gehen mehr auf mich ein, wenn ich den Wildfremden mit Gesten, schriftlich oder gar in Gebärdensprache anspreche. Interessanterweise reagieren viele aber auf Englisch 😉 Dass hörende Mitmenschen mich ein wenig anpassen sollen, ist meine Taktik.

    Es bleibt immer schwierig, wenn ahnungslose Leuten mich von hinten oder nebenan ansprechen. Zum Beispiel „Gesundheit“ nach dem Niesen. Ich schaue manchmal herum, ob jemand mir Gesundheit ausgesprochen hat. Mit meinen Blicken fordere ich anderen aber auch unabsichtlich dazu auf. Mir ist bei der langen Zugfahrt mit ICE oder IC oft unangenehm und auch etwas stressig, wenn jemand gegenüber oder neben mir sitzt und noch nichts über meine Taubheit weiß. Besonders ältere Leuten sind sehr gesprächig. Wenn ich ihnen erkläre, dass ich taub bin, wird es dann einfacherer. Ich möchte ihnen auch nicht von Anfang an erzählen.

    Ich kann natürlich gut verstehen, wenn Ertaubte die Gebärdensprache nicht unbedingt erlernen möchten. Ich würde auch versuchen, mein bisheriges Leben aufrechtzuhalten, falls ich eine Körperfunktion plötzlich verliere.

  62. @bengie – „Kulturelles Taubsein“ ist so ein intellektuelles Wortungetüm, da sträuben sich mir schon beim Lesen innerlich sämtliche feingeschliffenen Kultursinne; ich mein, das sollte man vielleicht auch mal über den unmittelbaren Anwendungskontext hinein übersetzen, was das heißt und was man sich damit suggeriert 😉

    Die Sprache bestimmt das Sein.
    Und der unbewusste Verstand nimmt nahezu alles wortwörtlich.

  63. @bengie: Aha Danke, „vegetarische Döner“ ist mir neu. Lustig, wenn Deutschland in Veutschland umbenannt werden könnte. 😀

  64. Minali, ok, verstehe. Trotzdem, ich finde die Idee gut. Vielleicht nicht „Therapie“, aber doch irgendeine Form von „Training“. Aber gut, wir wollen nicht zu paternalistisch sein. Jede/r hat das Recht so zu scheitern wie er/sie will…

    Ansonsten, nabyich bin da ziemlich dicht bei Bengie und denke, klar kann Taubsein (also die Abwendung von der Lautsprache und die Hinwendung zur Gebärdensprache) genauso selbstgewählte Identität sein wie Punksein. Warum auch nicht? Dazu muss man ja noch nicht einmal taub sein. Und man kann (muss aber nicht) das selbstverständlich auch als „so ne Phase haben“…

    Kann übrigens auch bestätigen: Es ist deutlich einfacher mit Menschen umzugehen, wenn man deren Spiel gar nicht spielt als wenn man es schlecht spielt…

  65. Ohne alle Kommentare gelesen zu haben, habe ich oft erlebt, wie Schwerhoerige (wie definiert als diejenigen, die Lautsprache durch Verstaerkung mit oder ohne Lippenlesen verstehen koennen) sich in der Kommunikation mit uns Tauben verhalten. Die Beschreibungen, wie oben angefuehrt, habe ich erlebt. Die betreffen hauptsaechlich solche Schwerhoerige, die nicht gebaerden koennen und weiterhin wie Hoerende zu kommunizieren versuchen. Manche Schwerhoerige, die gelernt haben, sich wie Tauben zu verhalten, scheinen „normal“ im Kommunikationsverhalten geworden zu sein. Sie verlieren das Monologisieren und Schreien allmaehlich im Umgang mit tauben Gebaerdenden und lernen, die Augen mehr zu benutzen (gleich das „Deaf Gain“ zu gewinnen).

    Daher sehe ich in den USA, wie manche Rehabilitationsberater den Schwerhoerigen den Ratschlag geben, die Geaberdensprache zu lernen und mit tauben Gebaerdenden zu sozialisieren, um weiterhin kommunikationsweise normal zu bleiben. In meinen ASL Klassen kommen zahlreiche Schwerhoerige als Folge dieser Empfehlung.

    Danach entwickeln sie weniger problematischere Kommunikationsstrategien fuer lautsprachliche Kommunkationen.

  66. Weiterhin muss ich NqlB loben fuer das Meisterstueck, einen typischen Fall eines Schwerhoerigen als einen perseonlichen Fall interessant zu thematisieren. Als ich den Eingangsblog las, dachte ich, „ja, das ist typisch, sah ich oefters“ und dachte gar nicht an Edwina Meyer und ihren schwerhoerigen Mann persoenlich. Der beschriebene Fall wurde sofort entpersonalisiert und verallgemeinert.

    Ich sehe die Problematik in erster Linie als ob man sich weiterhin mit Technik wie ein Hoerender weiterhin leben sollte oder sich umstellte, was von tauben Personen vorgelebt wird.

  67. @nqlb .. es ist wirklich nicht ganz dasselbe .. bunte Igelhaare, nervzerfetzenden Musikgeschmack und Fahrradkettenschmuck kann ich jederzeit ablegen. Taub oder schwerhörig werde ich bleiben.

    Die weitaus grundlegendere Frage ist deshalb: woraus ziehe ich meine Selbstdefinitionen und ist nicht jede Identifikation eine Form der Selbsttäuschung? Ob nun selbstgewählt oder unbewusst. Ob nun der Mangel oder die Umkehrung des Mangels zum Talent ist wurscht. Man lese sich doch mal auf einer grundlegenderen Ebene durch, was dabei passiert: es geht einzig und allein um Strategien der Durchsetzung. Spielchen. Kampf. Herr der Lage zu sein, Spieße umzudrehen. Die Metapher ist immer Täter – Opfer, überlegen – unterlegen, Anpassung – Revolte. Das ist der Stoff, aus dem solche Diskussionen und Identifikationen gemacht sind. Und nur auf dieser Ebene des Musters haben wir eine sinnvolle Analogie mit dem Punk.

    Wie aber beantworte ich jenseits von all dem die Frage: „Wer bin ich?“
    Spätestens dann, wenn auch nur eine dieser vielen möglichen Identifikationen bei der nächsten Lebenskrise schon zu kulturellem Staub zerfällt 😉

  68. Wow, diese Diskussion ging ja munter weiter, soviele Erfahrungen und Ideen in den vielen Kommentaren, einfach klasse! Und jetzt sind wir sogar bei der „Wer bin ich“-Frage.
    Hierzu und zum Thema Therapie/Training möchte ich nur ergänzen: ich hab beinahe 20 Jahre als Schwerhörige gelebt und meine Strategien entwickelt, bis ich feststellen musste, dass ich so nicht glücklich werde. Erst in einer sehr guten Reha erfuhr ich, dass ich mit diesen Taktiken versucht habe, eine Scheinkommunikation aufrecht zu erhalten. Die Reha war auch die erste Möglichkeit für mich als Spät-Schwerhörige, um mit anderen Hörbehinderten in Kontakt zu kommen. Ich meine, dass es genau das braucht, um seine Identität als Hörbehinderte zu finden: Kontakt mit anderen Schwerhörigen.

  69. Pia Butzky

    @bengie: Also, das finde ich alles seeehr interessant und sehr anschaulich. Ich muss auch lachen, wenn du von den Leuten erzählst, die in Englisch verfallen. 🙂
    Die Hörenden brauchen oft extrem lange, um die Situation zu begreifen. Wenn man ihnen entgegen kommt, überfordern sie einen gleich und können einfach nicht erkennen, dass das Hören einfach nicht geht. (Ich brauche allerdings auch lange, um die Situation eines anderen Menschen zu begreifen, also will ich mal nicht meckern).

    Kennst du das auch, dass sie einfach Gebärden erfinden? *lach*
    Sie fangen an, übertrieben herumzufuchteln, als ob man dann besser verstünde. Aber sie sind wirr und fahrig und haben Null Ahnung davon. Kennst du das? Manchmal ist es lustig, manchmal nervt es. (Aber die Gebärdensprache ist ja auf diese Weise entstanden – durch Erfinden -, deshalb will ich mal nicht so lästern. Komisch ist es trotzdem, wenn jemand einfach nur dolle herumfuchtelt.)

    Mich würde noch interessieren, ob du eine charmante „Kontaktlösung“ hast für solche Leute (z.B. im Zug), die einfach echt nett sind und die dir auch wirklich gut gefallen. Wenn du weißt, die Verständigung geht einfach nicht, aber dein Gegenüber ist ungewöhnlich freundlich, niedlich, sexy, oder sympathisch, dann ist es ja schade, wenn du abblocken musst. Kommst du manchmal in so einen Konflikt, dass dich jemand (hörend) interessiert, aber leider versteht derjenige / diejenige dich nicht? Suchst du nach „Brückenlösungen“?

  70. Hartmut, danke für das Lob! 🙂 Ich würde denken, dass man auch als Schwerhöriger (im Unterschied zum Tauben) überwiegend entspannt sein kann. Und dass auch Gebärdensprache nicht vor zumindest gelegentlicher Nervigkeit schützt.

    Naby, dass es dasselbe sei wollte ich auch nicht sagen. Ist es selbstverständlich nicht. Dennoch, Identität baut man sich, egal welche. Darin gleichen sie sich, als Identitätsprojekt. Und wenn die gewählte/gefundene/erarbeitete Identität mit der Umgebung zusammenpaßt oder man clever genug ist, gangbare Lösungen zu schaffen, dann kann man auch sehr lange und mit Spaß Punk sein — oder hörfrei in der Welt der Hörenden. Ist nicht mein Weg, aber

  71. @gruppli .. ich fand die Reha auch Klasse. Nirgends else so viele Neger aus Wumbaba. Wir sind aus dem Lachen gar nicht mehr herausgekommen 😀

  72. @naby … das ist wirklich so, wir lachen immer sehr viel bei unseren Schlappohren-Treffen – während manche Guthörende erstmal betroffene Gesichter machen angesichts unserer Schicksale.

  73. @gruppli
    Mein Tischnachbar, ein Blechohr, war besonders bezaubernd.
    Nee, was hat der für herrliche Dinger rausgehauen, da ist mir mehr als einmal das Essen quer durch den Saal geflogen 😀

    Bei ihm war beispielsweise interessant zu beobachten, wie das hilfreich fürsorgliche Eheweib bei ihren Besuchen dazu tendierte, ständig für ihn zu antworten, wenn er nicht auf Anhieb verstand. Daraufhin habe ich sie freundlich aber bestimmt gebeten, doch bitte ihn verstehen und antworten zu lassen. Er könne das durchaus, soviel Vertrauen solle sie in ihn schon setzen. Und sich einfach mal angenehm überraschen lassen. Was für sein männliches Ego nicht unbedingt die verkehrteste paartherapeutische Intervention war 😉

    Ich war deshalb auch erschüttert, mitzubekommen, wieviele Schwerhörige doch unter einem extrem schlechten Selbstbewusstsein leiden. Etwas, wogegen ich anscheinend irgendwie immun bin. Was auch an meiner Profession liegen mag.

  74. Das macht neugierig! Was ist es denn? Verkäufer? Hypnotiseur? PR-Mensch? Löwenbändiger? 🙂

  75. lol
    ymmd

    Mit etwas Phantasie passt tatsächlich alles.
    Nur Löwen bändige ich nicht mehr.

    Trotzdem, die Löwengeschichte erzähle ich noch heute besonders gerne. Die von dem Löwen, der im Wald wohnt. Natürlich weiß jedes Kind: Löwen wohnen nicht im Wald. Aber dieser Löwe hier, in meiner Geschichte, unser Löwe, der wohnt im Wald. Und im Wald, da windelts immer .. er hört den Wind und er hört ihn nicht … er kann einfach so daliegen an seinem Wasserloch, ganz entspannt, ganz ohne Druck, ganz ohne Zeit …

    (Tinnitus und Bluthochdruck sprechen im therapeutischen Setting auf zwei kleine Sätze wie diese mitunter besonders gut an)

    Deshalb bin ich aus Erfahrung heraus auch sehr vorsichtig im Umgang mit intellektuellen Wortungetümen wie „Kulturelle Taubheit“. Jedes Wort ist Suggestion, auch im sogenannten Wachbewusstsein.

    P.S.
    Inzwischen, nach nur drei Jahren, telefoniert mein Blechohr fließend. Stundenlang und im großen und ganzen ohne Verhörer. Ich bin wirklich stolz auf ihn!

  76. 🙂
    Ja, wenn man es jahrelang nicht konnte, dann entwickelt man ganz neues Gefühl dafür wie un-glaub-lich telefonieren eigentlich ist. Man ist versucht zu sagen: „Wahnsinn! Ich höre Sie. Aber ich sehe Sie nicht!“

  77. Sorry, wenn ich hier einfach so reinplatze, aber ich wüsste zu gerne, wie ihr das mit dem Telefonieren geschafft habt?
    Anna

  78. Hi Anna, also kurze Antwort ist: mit einem Cochlea Implantat. Aber vielleicht meintest Du etwas anderes?

  79. Sorry, ich hab mich wohl missverständlich ausgedrückt!
    CI war schon klar, ich frage mich, wie man das übt? Es geht um ein Familienmitglied, beidseitig CI versorgt seit drei Jahren, aber Telefonieren geht fast gar nicht. 😦
    Ist das einfach Übungssache? Schaltet ihr auf Lautsprech-Taste?
    Gibt es da einen Trick? Oder einfach tägliche Praxis?

  80. Einen Trick gibt es leider nicht, denke ich. Außer vielleicht wenn es bislang technisch-telefonseitig sehr schlecht aussieht, dann kann man relativ schnell für die bestmögliche Ausstattung zu sorgen. Bei mir ist das Beste was geht: Headset mit Kopfhörern (also nicht Induktion) und dann am CI „M/T“ aktivieren, so dass die beiden Signale von Mikrophon und Induktionsspule zusammengemischt werden, man beides hört. Das alles sollte natürlich rechtzeitig aufgesetzt und eingeschaltet werden können bevor das Gegenüber wieder auflegt.
    Ansonsten kann man nur raten: Vielleicht geht per Hörverstehensübungen noch ein bißchen was. Die müssen nicht unbedingt am Telefon sein, Radio- bzw. Hörspielhören und Fernsehgucken auf regelmäßiger Basis tut den gleichen Zweck. Vielleicht sind die CIs noch nicht gut eingestellt. Und am wichtigsten: Mit dem Gesprächspartner zusammenarbeiten, so dass man besser verstehen kann.

  81. Vielen Dank für deine Infos – das ist wirklich sehr hilfreich. 🙂 Und dann auch noch ein neues Post zum Thema! DAAAAAANKE, das ist wirklich total lieb von dir!! 🙂
    Wir werden das alles mal ausprobieren! 🙂

  82. Arno Nühm

    All diese Vorurteile würde nie jemand sagen, der 25 Jahre mit einem Schwerhörigen lebt. Denn entweder die Person befasst sich mit dem Thema und begreift, oder wirft nach kurzer Zeit das Handtuch.

    Worte eines jungen Mannes, welcher seit 2 Jahren von 100 auf 0 gesürtzt ist und heute in einer Woche sein erstes CI bekommt. Ahja, und nicht zu vergessen, in einer 4 jährigen Beziehung lebt.

  83. Vielleicht nicht jemand, der 25 Jahre mit einem Schwerhörigen lebt, eher jemand, der 35 Jahre mit jemandem lebt, der in den letzten 10 Jahren immer weniger hört (aber nicht allzu wenig).
    Dir alles Gute!

  84. Weiß nicht, ob das hier rein passt.
    In letzter Zeit verstehe ich besser, warum vor allem Ältere sich das schlechtere Hören nicht eingestehen wollen. Ich musste mich nämlich jetzt dazu durchringen, mir eine Gleitsichtbrille anzuschaffen. Ich bin schwerhörig, trage Hörgeräte, und ich bin kurzsichtig und trage längst eine Brille. Aber was hab ich denn mit ‚Alterssichtigkeit‘ zu tun: Stichwort: Alter!!! Zuerst fand ich es nur amüsant, die Brille kurz anzuheben und mir Texte vor die Augen zu halten. Aber irgendwann musste ich mich doch geschlagen geben und mir so ein teures Ding anschaffen. Es sind dabei einige Monate ins Land gegangen.
    Ich schätze, den „Altersschwerhörenden“ geht es ähnlich. Das Hörgerät wird als Zeichen des Alters wahrgenommen – und erstmal bekämpft oder ignoriert.
    Die Gleitsichtbrille mag man noch leichter akzeptieren als das Hörgerät. Dazu kommt, dass man die Augen nur einmal ausmisst, dann wird die Brille geschliffen und man kommt in der Regel gut zurecht (wobei bei Gleitsicht die Meinungen auch auseinandergehen).
    Bei Schwerhörigkeit ist das Messen nur der Anfang, die Feineinstellung der Geräte kann sehr lange dauern, und trotzdem ist das Hören nicht mehr wie es vorher war – und so landen wir wieder bei den „nervigen Schwerhörigen“, die ihre Geräte lieber verstecken (z.B. in der Schublade).

  85. „Und es geht doch auch so“, sagen sie sich dabei.

  86. Hallo Frau und Herr Meyer, bzw. Frau und Herr Beethoven,
    In Essen gibt es eine Selbsthilfegruppe von schwerhörigen und hörenden Partnern. Sie ist vom Schwerhörigenbund Essen intiiert worden. Na wäre das was für euch?
    Ich finde es könnte in Deutschland ruhig noch mehr von diesen Gruppen geben.
    Jeder sucht sich in seinem Leben seine Technik aus, wie er durch das Leben kommt. Nur auch hier wieder, es gibt viel zu wenig Informationen, auf beiden Seiten. Audiotherapie, siehe http://www.audiotherapie.info/index.php, ist ein sehr gutes Mittel, um sich selber einzuschätzen, um Taktiken für die Aufrechterhaltung eines Gespräches zu lernen, um zusätzliche Techniken zu trainieren usw..
    Ich habe durch diese Fortbildung sehr viel über mich erfahren, konnte meine Grenzen und Möglichkeiten ausloten, meinen Selbstwert erhöhen und meine Kommunikationsfähigkeit erweitern. Und mir ist bewußt, dass ich weiterhin lernen darf, mit jeder Begegnung.
    Folgendes Zitat hilft mir gelassener damit umzugehen:
    Gewiß, zwei Völker und zwei Sprachen werden einander nie sich so verständlich und so intim mitteilen können wie zwei einzelne, die derselben Nation und Sprache angehören. Aber das ist kein Grund, auf Verständigung und Mitteilung zu verzichten. Auch zwischen Volks- und Sprachgenossen stehen Schranken, die eine volle Mitteilung und ein volles gegenseitiges Vertrauen verhindern, Schranken der Bildung, der Erziehung, der Begabung, der Individualität. Man kann behaupten, jeder Mensch auf Erden könne grundsätzlich mit jedem andern sich aussprechen, und man kann behaupten, es gebe überhaupt keine zwei Menschen in der Welt, zwischen denen eine echte, lückenlose, intime Mitteilung und Verständigung möglich sei – eins ist so wahr wie das andre.
    – Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel

  87. Schönes Zitat! Und guter Link, danke. Es ist nicht immer ganz leicht, aus den Gewohnheiten auszubrechen, besonders, wenn sie in langen Jahren erworben sind. Sowohl so schöne Prosa als auch Beratungsangebote können da helfen, finde ich, auf ganz unterschiedlichen Ebenen!

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