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Der gehörlose Vorsitzende (alternate Version)

Plötzlich redeten alle vier durcheinander, gestern bei Twitter — darüber, ob es einen gehörlosen Parteivorsitzenden geben könnte oder überhaupt nur sollte. Nicht überraschend war, dass diejenigen zustimmten, die eh für Inklusion sind: Natürlich könnte es das, warum auch nicht, es komme doch auf das Individuum an und die Gesellschaft könne sich (und das ruhig mal) anpassen.

Überraschend war der Widerspruch von @ennomane. Man solle, bildlich gesprochen, aufhören Rollifahrern das Schwimmen beibringen zu wollen. Er würde keinen gehörlosen Vorsitzenden wollen. Enno hat seine Gedanken gestern nacht in einem Blogeintrag ausgeführt. Ich stimme ihm teilweise zu. Hier ein paar Überlegungen meinerseits unter demselben Titel:

Ich finde es ziemlich sinnlos, jetzt einem solchen Beispiel vehement zu widersprechen oder dagegen zu sein, weil es völlig abstrakt ist. Man diskutiert dann eigentlich darüber was wäre, wenn sich jetzt plötzlich ein Gehörloser auf dem Stuhl des jetzigen Parteivorsitzenden materialisieren würde. Und mit den Bedingungen, wie sie gerade sind, klarkommen oder draufgehen müsste.

In Wirklichkeit wäre es doch so, dass jemand schon länger in der Partei auf sich aufmerksam gemacht, was geleistet haben müsste. Man wüßte um ihre oder seine Fähigkeiten (und Schwächen), zumindest ein Teil der Parteistrukturen und Parteikollegen — wenn nicht sogar der Medien — hätte sich schon darauf eingestellt. Ich glaube nicht, dass überhaupt ein Gehörloser auf die Idee kommen würde, sich um ein Amt wie den Parteivorsitz zu bewerben, wenn er nicht einigermaßen sicher wäre (und auf Nachfrage auch erklären könnte), wie er sich die tägliche Arbeit vorstellt. Ich glaube z.B. auch nicht, dass eine Gehörlose —  erstmal in die Nähe einer solchen Position gelangt — nur noch vom guten Willen ihrer Umgebung abhängig wäre. Denn dann hätte sie bereits Unterstützer, einen Kreis Vertrauter, ein Netzwerk. Wenn nicht, dann würde sie einfach nicht gewählt. Und das müsste man dann akzeptieren. Ob es einem gefällt oder nicht.

Sehr interessant finde ich Ennos Überlegung, vielleicht aus strategischen Gründen gegen eine Gehörlose an der Spitze zu sein.  Um dem politischen Gegner nicht zuviel Angriffsfläche zu bieten. Die Frage, ob man sich mit einem gehörlosen Vorsitzenden nicht parteitaktisch ins Bein schießen würde, stellt sich in der Tat. Aber eben auch nur, wenn man annimmt, dass man jetzt sofort plötzlich und in der gegenwärtigen Situation darüber entscheiden müsste. Nicht, wenn da in (hoffentlich naher) Zukunft jemand wäre, der oder die auch irgendwie dahin gekommen ist, sich zu bewerben.

Infofern: Im Augenblick finde ich Barrierefreiheit in den unteren Rängen, den Parteitagen und in den Arbeitskreisen viel wichtiger. Damit überhaupt mal (z.B.) Gehörlose in die Nähe einer solchen Position kommen und sich die Frage konkret stellt! Solange das nicht passiert, halte ich die Abwehr fiktiver Beispiele für müßig. Da geht’s dann fast nur um Glaubensbekenntnisse.
Ich kenne auch keinen Gehörlosen, den ich in so ein Amt wählen würde. Aber das will nichts heißen.

–Die naiven Vorstellungen von Politik (und Autofahren) im Fall Helene Jarmer, der ersten österreichischen gehörlosen Abgeordneten, habe ich hier kritisiert. Meinen Standpunkt zu Beruf und Behinderung generell habe ich vor kurzem hier zusammengefaßt.–

„Warum sollte sich ausgerechnet der Schwerhörige schämen?“ — Günther Beckstein über seine Ertaubung und die Arbeit als Politiker

Schwerhörige in hohen Ämtern gibt es ja einige. Bill Clinton zum Beispiel, der mit zwei Hörgeräten Präsident der USA war. Aber das ist nur leichter Hörverlust. Leute, die ertauben und trotzdem weitermachen, sind schon seltener.
Darum bin ich neugierig geworden als im letzten Herbst berichtet wurde, dass der bayerische Landespolitiker Günther Beckstein langsam sein Gehör verloren hatte und nun ein Innenohrimplantat (CI) trägt. Schon 2004 hatte er — als bayerischer Staatsminister des Innern und stellvertretender Ministerpräsident — einen ersten Hörsturz erlitten. Seit damals trägt er auf einem Ohr ein Hörgerät und ein Tinnitus nimmt ihm die Ruhe.

Ich wollte gerne mehr erfahren. Und da der Franke Beckstein ein offener Mensch ist, kam alsbald folgender Email-Austausch zustande…

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Noch einmal: Sind Behinderte die besseren Arbeitnehmer?

Aufmerksamen Lesern dieses Blogs wird sie bekannt vorkommen — die Überschrift, unter der gerade ein Gastbeitrag von mir für die aktuelle Caritas-Kampagne erschienen ist: Klick hier!

Die Caritas fordert dort für Schule, Politik und Arbeit ein inklusives Miteinander. Ich habe daraufhin versucht, mal pointiert zusammenzufassen, wie ich über Behinderung, Arbeit, Job- und Personalsuche denke. Und ich hoffe, es reizt Euch zu Widerspruch, Zustimmung oder Kommentar.

Als nächstes schreibe ich dann hier mal wieder Beiträge, versprochen!

Der große Test: Nach außen dazu stehen

Vielleicht der interessanteste Moment in einer jungen  Beziehung ist, wenn die Partnerin vor ihren Freundinnen und Freunden über einen redet. Schlimm ist jedenfalls, wenn sie einen verschweigt. Oder verschweigt, dass wir zusammen sind. Wenn sie zwar irgendetwas abholt bei mir und in unserer Beziehung. Oder mich nicht enttäuschen will, vielleicht weil sie sich nicht traut. Aber nach außen hin nicht dazu steht, mich zum Freund zu haben.

Ungefähr so kam mir der folgende Fall vor, in der eine gehörlose Diplomatin das britische Außenministerium verklagt, weil es sie plötzlich doch nicht mehr nach Kasachstan senden will. Als stellvertretende Leiterin wohlgemerkt.

Die offizielle Begründung ist, es sei zu teuer, man müsse sparen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es auch darum geht, dass sie das Gesicht Englands im Ausland wäre. Und da muss man erstmal dazu stehen, dass das eine Gehörlose macht. Oder was denkt ihr?

[Danke, J., für den Hinweis]

Der gleichgestellte Straßenräuber

Ich finde: Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit sind kein Grund, Jobs zu meiden, in denen es auf Kommunikation ankommt. Notfalls muss man sich halt ein paar Gedanken über Arbeitsassistenz machen — der Kleinunternehmer in dem Video macht’s vor.

Was man in Deutschland für Hilfen bekommt und wie man sie beantragt, steht in diesem und diesem Merkblatt der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen. Für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Selbständige. Nur was man aus all den Möglichkeiten macht, liegt immer noch an einem selber.

(Wie sieht’s eigentlich in Österreich aus? Über Hinweise würde ich mich freuen.)

Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #12: Smalltalk und Netzwerken bei Empfängen und Konferenzen

Es ist vielleicht das Furchterregendste und Schwierigste was man sich für Schwerhörige vorstellen kann: Smalltalk und Netzwerken am Rande von anderen Ereignissen, Abendessen oder bei Empfängen vereint alles — den Druck des Berufs, das Ansprechen fremder Leute, oft schlechte Akustik, Gruppengespräche. Und obwohl es Beruf ist auch diesen ganz besonderen Schrecken des Feierabends, es soll ja alles möglichst zwanglos vonstatten gehen. So als ob es eine ganz normale Party sei und keiner eine Agenda verfolge. Immerhin haben damit ja oft genug auch Flotthörige ihre Schwierigkeiten und Ängste.

Was kann man da als Schwerhöriger tun? Zuerst mal… Weiterlesen

Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #11: Präsentation vor dem Kunden oder Auftraggeber

Es ist leicht, schwerhörig zu sein, solange alle lieb und nett sind. Schwer wird’s erst bei hohem Druck oder sogar Gegenwind. Zum Beispiel der Moment, in dem die Früchte tage-, vielleicht wochenlanger Arbeit präsentiert werden. In dem’s ums Geld oder den nächsten Auftrag geht.

Bloßes Vortragen-und-Schwitzen ist nichts dagegen: Es geht um was, es muss begeistert und überzeugt werden. Und nicht selten sind die, vor denen man da präsentiert, ziemlich hoch in der Hierarchie. Dazu noch ungeduldig, unverständig oder gar feindselig eingestellt, z.B. weil ihr Intimfeind den Auftrag in Auftrag gegeben hat oder ihm eins reingewürgt werden muss. Mehrfach nicht verstehen oder falsch Antworten kann hier tödlich sein.

Die Lösung — nichts Neues eigentlich: Versuche, vor Beginn der Präsentation Sitzordnung sowie Gegenstände und Möbel im Raum zu beeinflussen. Wenn Fragen gestellt werden, Analyse, Strategie oder Idee kritisiert werden — gehe zum Sprecher hin (aber stelle Dich nicht zu dicht vor sie, manche Leute mögen es nicht, nach oben zu sprechen).
Und, ganz wichtig: Wenn Du kannst, mach es nicht allein! Besprich Dich mit Deinem Team, dass sie helfen, falls es Probleme gibt. Kläre auch, ob bei Problemen der Vorgesetzte oder Teamkollege sofort einspringen soll oder erst einmal der Schwerhörige selber. Manche mögen’s so, manche so. Sonst passiert es schnell, dass man bemuttert wird. Oder sich bevormunden läßt und Verantwortung abwälzt.

Und was habt Ihr für Erfahrungen?

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #10: Kundenkontakt per Telefon

Hier gibt es eigentlich nur einen einzigen Ratschlag: Vermeiden! Am besten komplett. Selbst wenn man einigermaßen telefonieren kann, gibt es einfach zu viele Möglichkeiten, wie das schiefgehen kann. Mindestens bedeutet es Streß pur!

Das Problem besteht darin, dass der Anrufer die Initiative hat. Und man ja selbst erst einmal verstehen muss, wer dran ist und was er überhaupt will. Man hat keinerlei oder nur sehr wenig Anhaltspunkte, die das Verstehen erleichtern. Womöglich ist der Anrufer auch noch aufgebracht oder in Eile…

Ich gebe beruflich meine Telefonnummer gar nicht erst heraus. Sie steht auch nicht auf meiner Visitenkarte. Stattdessen betone ich meine Erreichbarkeit per E-Mail (oder je nach Anlass manchmal auch Chat). Das zu betonen ist aus mehreren Gründen wichtig:  Man muss gleich am Anfang für klare Verhältnisse sorgen und die Schwerhörigkeit oder Ertaubung offen kommunizieren. Es muss klar sein, dass man genauso erreichbar ist wie alle anderen. Und netter Nebeneffekt ist, dass man sich dem Gesprächspartner/Kunden oft deutlich einprägt — die erinnern sich an mich.

Ob der Verzicht auf Telefonnummern machbar ist, hängt natürlich von der eigenen Funktion, von Branche, Unternehmen und vom Chef ab. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich aber, es zu versuchen — wenn man dabei erstmal überlegt und dann klarmacht, welche Alternativen es gibt und das sie tatsächlich machbar sind, ohne die Abläufe zu gefährden. Dazu gehört z.B. auch, im Büro einen Kollegen zu suchen, der Notfallanrufe übernehmen kann (z.B. auch ans Reisebüro für kurzfristige Reisen).

E-Mail und Chat haben den Vorteil, dass man hinterher alles gleich schriftlich hat. Falls sich telefonieren gar nicht vermeiden läßt: Am besten alles noch einmal schriftlich notieren und per E-Mail bestätigen lassen, dass man alles und das auch richtig verstanden hat.

Was haltet Ihr von diesen Ratschlägen? Wie sind Eure Erfahrungen mit dem Telefon und seiner Vermeidbarkeit?

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #9: Konferenzgespräche

Wie gewünscht, geht’s taub aber erfolgreich weiter. Wenn Telefonieren für Schwerhörige irgendwo zwischen Belastung und Alptraum rangiert, dann sind Konferenzgespräche die blanke Hölle. Ohne Sicht kein Lippenlesen, dazu der wahnwitzige und doch vergebliche Streß der Unterhaltung einer Gruppe. Und schließlich oft genug unanschauliche Themen und womöglich delikater Kundenkontakt.

Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wird es eher schlimmer: Konferenzgespräche sind einfach billiger als Dienstreisen.

Was kann man tun? Vorneweg: Es gibt keine richtig gute Lösung. Ich erzähle einfach mal, wie ich bisher damit umgegangen bin. Kurz gesagt: Mit Vorbereitung, Technik, Video und Kollaborations-Tools.

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Schwerhörig und gehörlos im Beruf: Gut informiert?

Bin gerade beeindruckt von talentplus.de, einer Info-Seite über Behinderung und Arbeitsleben. Das ist ein Angebot von Rehadat, einem vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. betriebenen Informationssystem zur beruflichen Rehabilitation. Sehr gut zusammengestellte Informations- und Linksammlungen über Hilfsangebote und finanzielle Förderung für den Job. Geht mal schauen!

Man kann sich allgemein über Formen der Hörbehinderung informieren, als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber.  Beide Seiten sind zwar nicht sehr unterschiedlich, aber immerhin. Und Selbständige müssen sich halt rauspicken was für sie paßt.

Ich hoffe ja, dass solche Angebote endlich dazu führen, dass (Hör-)Behinderte nicht immer nur die gleichen Jobs angeboten kriegen und ergreifen.

Da fällt mir ein: Ich wollte doch meine Serie Taub im Job, trotzdem erfolgreich endlich mal weiterschreiben…

Sind Behinderte die besseren Arbeitnehmer?

Seit einiger Zeit sitze ich von morgens bis abends nur noch vor dem Rechner und tippe. Spannende Berichte über echte Erlebnisse sind darum leider etwas selten geworden. Darum auch heute wieder — (hoffentlich) spannende Gedanken. Die Kommentare gestern haben mich daran erinnert:

Man hört ja immer mal, dass es Arbeitgeber gibt, die Behinderte nicht gerne einstellen. Zum Beispiel weil sie im Gespräch nicht so flott sind und nicht telefonieren (Schwerhörige/Gehörlose), Ansprüche an ihren Sitzplatz und den Aufzug stellen (Rollstuhlfahrer) oder vielleicht Arbeit in ihrer Freizeit erledigen (weil sie wegen ihrer Behinderung nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt oder über die gesamte Dauer arbeiten können).

Sicher, man würde Schwerhörige kaum in ein Call-Center setzen, Gehörlose vielleicht keine Kampfjets fliegen lassen,  einen Rollstuhlfahrer eher nichts als Tierarzt auf die Weide schicken. Das würden die meisten vermutlich selbst nicht wollen. Aber sonst?

Ist es nicht so, dass Behinderte oft sogar die besseren Arbeitnehmer sind? Weil sie es gewohnt sind, Probleme zu lösen und sich mehr als normal anzustrengen? Weil sie gut über ihre Grenzen Bescheid wissen, mehr vor- und nachbereiten, vielleicht auch einfach mehr Angst um ihren Job haben? Weil es ihr täglich Brot ist oder zumindest zeitweise war, sich beweisen zu müssen — aber auch zu scheitern, daraus zu lernen und dennoch weiterzumachen?

Kurz, weil sie quasi von Haus aus vieles von dem mitbringen, das man neben der fachlichen Qualifikation noch braucht, um erfolgreich zu sein? Und das auch noch ohne dafür mehr Lohn zu verlangen.

Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #8: Auf Dienstreise

Es ist schon länger her, seit ich das letzte Mal Tips zum Arbeitsleben als Schwerhöriger gegeben habe (hier Gesprächsführung in Teamsitzung und Meeting, da  akustisches Überleben bei Geschäftsessen). Aber da ich ja mit dem elektrischen Ohr nun langsam wieder zur Tagesordnung übergehe, soll es endlich auch hier weitergehen.

Auf Dienstreise — zahlt sich einfach aus, wenn die Rezeption weiß, dass sie einen nicht anrufen soll. Es muss nicht erst brennen, damit man das zu  schätzen weiß…

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #7: Akustisches Überleben beim Geschäftsessen

Säuiges oder schwieriges Essen soll man ja eh sein lassen. Aber auch ohne Artischocken, Rippchen oder Makkaroni mit Tomatensoße sind Geschäftsessen für Schwerhörige schwer. Ein noch unformuliertes Naturgesetz bewirkt, dass wo man sich gern schnell über Mittag trifft, mit dem Team zu Abend ißt oder auch wo das Bankett nach dem Kongress stattfindet gar zu oft ganz furchtbare Akustik herrscht. Schließlich ist es ja der Inbegriff eines Restaurants, dass man dort nicht alleine ißt — am liebsten noch mit Musik im Hintergrund. Und all die Hintergrundgeräusche ersäufen die Sprache, um die es doch geht.

Die Lösung? Wie immer: Initiative ergreifen — und versuchen, Einfluss auf die Wahl von Restaurant und Tischreservierung zu nehmen. Aber was macht eigentlich gute Akustik aus? Wie soll man auswählen oder — wenn man es nicht selbst in der Hand hat — was soll man denen, die auswählen, sagen? Zumal, wenn obendrein für Schwerhörige laut und leise nicht das gleiche bedeutet wie für Normalhörige.

Um es kurz zu machen, es ist ganz einfach: Man muss nur dem kitschigen Italiener oder Griechen möglichst nahe kommen…

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #6: Gesprächsführung in Teamsitzung und Besprechung

Manchmal denke ich, ich sollte extra Geld dafür nehmen. Einen selbstbewußten Schwerhörigen dabeizuhaben, macht Teamsitzungen und Besprechungen oft kürzer und viel effektiver. Das muss ich zumindest aus den Berichten meiner Kollegen schließen.

Denn man muss ja nicht erst schwerhörig sein, um von Meetings und Sitzungen nicht begeistert zu sein: Ohne  kommt zwar kein Unternehmen und kein Projekt aus. Sie sind aber oft genug unproduktiv und damit eigentlich Zeitverschwendung. Wenn sie so betrieben werden, dass ich als Schwerhöriger auch etwas davon habe, ändert sich das. Und zwar ganz nebenbei.

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #5: Raum und Gegenstände in Teamsitzung, Besprechung und Präsentation

Manche Sitzungsräume können es Schwerhörigen schwer machen. Meist wird man an den Räumen am Arbeitsplatz relativ wenig ändern können. Aber oft stehen unterschiedliche Räume zur Auswahl oder es läßt sich längerfristig was an der Einrichtung ändern. Zumindest aber kann man meist auf die Gegenstände einwirken, die jedesmal hinein- und herausgebracht werden. Hier ein paar Vorschläge, von denen auch Normalhörende profitieren:

  • Manche Klimaanlagen machen mit ihrem lauten Summen und Surren das Verstehen schwierig. Besonders, wenn die Sitzung lange dauert und dennoch volle Konzentration verlangt. Wenn möglich also einen Raum ohne laute Klimaanlage wählen, sie herunterdrehen oder gar für die Dauer der Sitzung ausschalten — und stattdessen vorher und hinterher lüften.
  • Ich habe einige Menschen kennengelernt, die durch das Lüftergeräusch von Computern gestört wurden, besonders Desktopmodelle älteren Jahrgangs. Außerdem: Wenn die Anwesenden beim Reden auf ihre Bildschirme starren und von dort ablesen ist Lippenlesen kaum möglich. Da kann es helfen, alle nicht dringend benötigten Rechner auszuschalten oder möglichst leise Modelle anzuschaffen.
  • Wenn die Akustik im Raum generell schlecht ist, kann man oft durch kleine Änderungen etwas erreichen, z.B. indem man den Tisch umstellt, verschiebt oder dreht. Häufig sind ja große Tische aus mehreren kleinen zusammengestellt um flexibler zu sein — diese Möglichkeit sollte man dann auch nutzen und sich je nach Zweck und Gruppengröße Passendes zusammenstellen (lassen).
  • Wenn möglich einen nicht zu hohen Raum mit Teppichboden wählen. Aber schon ein paar Pflanzen, ein kleinerer Teppich oder — kein Witz — mehr Möbel oder auch nur Aktenschränke oder -stapel können Hall entscheidend mindern.
  • Dünne Jalousien können vermeiden, dass einige Personen vor starkem Gegenlicht sitzen — das erleichtert Allen das Ansehen und Schwerhörigen das Lippenlesen.

Über Eure Erfahrungen und Kommentare zu diesen Hinweisen würde ich mich freuen.

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #4: Beeinflusse die Sitzordnungen

Hätte ich nur einen einzigen Wunsch frei, um mein Leben als Schwerhöriger im Berufsleben zu verbessern — ich würde sagen: Ich will die Kontrolle über die Sitzordnungen. Denn die sind wohl das einfachste Mittel mit der größten Wirkung.

Wenn etwa zwischen allen Anwesenden zu großer Abstand herrscht, wichtige oder gar alle Redner auf der Seite mit dem schlechteren Ohr sitzen oder mitten im Gegenlicht vor einem Fenster, dann wird das Verstehen mühsam bis unmöglich. Ideal ist, wenn der Schwerhörige sich im Raum dorthin setzen kann wo er oder sie will — und dann alle anderen entsprechend platziert werden.

Wie genau „entsprechend“ geht, kann ich hier nur für mich sagen, denn jede Schwerhörigkeit ist anders. Für mich am besten ist: In der Mitte des Tisches bzw. ein bißchen in die eine oder andere Richtung versetzt, wenn dort Personen sitzen, von denen wichtige Beiträge erwartet werden (Kunden, Berater, Lehrpersonen, etc.). Die will ich halbrechts von mir haben. Nur halbrechts, damit ich mir nicht den Kopf verrenken muss um sie anzusehen. Manchmal setze ich mich auch mit dem schechten Ohr dicht an eine wichtige Person und lasse das gute ‚den Raum überwachen‘. Ich bin außerdem als jemand bekannt, der Leute bittet, doch ein bißchen zusammenzurücken, wenn sie sich gar zu sehr in alle vier Ecken des Raumes verteilen. Bei Vorträgen gehe ich in die erste Reihe, manchmal auch in die zweite oder dritte, wenn von dort aus die Sicht angenehmer ist. Und ich setze mich nie in die Mitte des Raumes, sondern immer ein wenig seitlich an den Rand, möglichst mit einer Wand im Rücken. Wegen des Halls.

Meiner Erfahrung nach sind die meisten Menschen, schnell bereit sich entsprechend zu setzen — wenn man ihnen die Sache vorher nett und nicht auf den letzten Drücker erklärt (siehe dazu Tipp #2) .Wenn Hierarchie freie Platzwahl nicht zuläßt, kann man meist immer noch die gesamte Runde ‚um den Tisch drehen‘. Oder über die Kontrolle des Mobiliars Verbesserungen erreichen (Tische umstellen oder anders anordnen). Oder wie seht Ihr das?

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Die Kritik an der gehörlosen Politikerin Helene Jarmer: Naives Verständnis von Politik — und Autofahren

Wenn’s um die österreichische Abgeordnete Helene Jarmer geht, heißt es schnell: Ohne Gehör könne man kein Politiker sein (zuletzt hier, in den Kommentaren zu: Gehörlos im Parlament: „Tu einfach so als könntest Du hören“, Die Presse, 4.7.2009). <Der Artikel ist seit 6.7. 18:30 nicht erreichbar> <Ist wieder da.> Das offenbart ein vielleicht ehrenwertes, in jedem Fall aber naives Politikverständnis. Und vom Autofahren noch dazu. Letztlich geht es ausschließlich darum, ob man schwerhörige oder gehörlose Abgeordnete zulässt oder draußenhält — was leider einfach möglich ist. Ich erläutere das mal anhand der Kommentare zu dem oben verlinkten Artikel.

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #3: Selbstvermarktung und das erfolgreiche Bewerbungsgespräch

Wie soll man sich als Schwerhöriger oder Ertaubter beruflich verkaufen?  Natürlich ist es schwierig, hier Tipps zu geben ohne auf die jeweilige Kombination aus Person, Behinderung und Job einzugehen. Ich versuche es trotzdem mal. Dabei greife ich auf meine Erfahrung im Umgang mit meiner Behinderung zurück — eigene Vorstellungsgespräche und Berufserfahrung sowie Unterhaltungen mit Leuten aus unterschiedlichsten Positionen und Branchen, von Wissenschaft über Film und Fernsehen bis Unternehmensberatung.

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Nie wieder Feierabend, die Lösung für Schwerhörigkeit — dachte ich mal

Letzten August war ich so frustriert, dass ich gar kein Privatleben mehr haben wollte. Stattdessen: einen dieser Jobs, bei denen man 70 Stunden die Woche arbeitet und den Rest des Lebens maximal fernguckt. Denn spätestens seit der Industrialisierung haben wir ja Arbeit und Feierabend – und Arbeit ist für mich mit meiner Ertaubung trotz aller Schwierigkeiten leichter als Feierabend. Traurig, aber wahr.

Das mag erstmal komisch klingen, hat aber einen ganz einfachen Grund.

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #2: Offen sein, es nicht alleine versuchen, Initiative ergreifen

Ich glaube,  der folgenreichste Irrtum über Schwerhörigkeit/Taubheit ist, dass sie nur einen alleine betrifft. Hab ich früher selber mal gedacht, stimmt aber nicht. Hörbehinderung betrifft die Kommunikation. Und damit immer auch andere. Egal ob in der Familie, unter Freunden — oder im Job unter Normalhörenden.

Darum ist dies ein ganz, ganz grundsätzlicher Tipp: Von Anfang an offen sein, es nicht alleine versuchen und die Initiative ergreifen! Selbst habe ich mich damit lange sehr schwer getan. Zum Teil weil ich mir selbst, dem Chef und den Kollegen nicht eingestehen wollte, dass ich bei bestimmten Dingen (wo es um Kommunikation geht) möglicherweise Probleme habe. Und weil ich niemandem zur Last fallen und die Abläufe stören wollte. Ich dachte, da gibt’s nur Ärger, wenn ich das mache. Aber ich habe viel Lehrgeld bezahlt. Denn wenn es Probleme gibt, sind auch andere davon betroffen. Und wenn es schnell gehen muss, ist keine Zeit mehr.

Außerdem habe ich festgestellt: Es kommt viel souveräner rüber, einfach zu sagen: „Hier könnte es Probleme geben. Aber das macht nichts, denn so und so können wir sie meistern.“

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Taub im Job, trotzdem erfolgreich, Tipp #1: Lege ein Depot an

Out of batteries - Foto: Not quite like Beethoven, all rights reserved

Wer sich ne Uhr ans Handgelenk bindet, fesselt sich an die Zeit. Und wer sich Hörgerät oder CI zulegt, nun ja, an den Batteriedealer. Was Ihr hier seht, kann im Job das Antlitz der Katastrophe sein. Kein Wunder, denn ohne Batterien geht nix — oder jedenfalls kein Hörgerät. Sowas sollte man also dort nie sehen müssen. Bei mir zumindest geben die Dinger nämlich bevorzugt dann den Geist auf, wenn was ansteht, wo ich hören muss.

Zugegeben, dieser erste Tipp mag manchen banal erscheinen. Trotzdem kann ich nur raten: Sorge dafür, dass Dir niemals die Batterien ausgehen. Andere haben im Büro vielleicht Sakko und Krawatte im Schrank oder Kostüm und Absatzschuhe. Schwerhörige brauchen am Arbeitsplatz ein Batteriedepot! Egal ob Akkus oder Einmalbatterien. Alles andere ist unprofessionell.

Mir selbst ist das zum Glück nur einmal passiert. Ich habe meine Ersatzbatterien in der Jackentasche. An jenem Morgen im April war’s überraschend warm. Und ich spät dran. Also schnell zurück, Jacke getauscht — und schwuppdiwupp war’s geschehen. Kurz nach dem Mittagessen gab erst eine, dann die andere Batterie den Geist auf. Und bei der einzigen Batterie in meinem Schreibtisch war irgendwie der kleine Aufkleber abgegangen, sie hatte ihren Saft schon lange abgegeben. (Die meisten Hörgerätebatterien sind sogenannte Zink-Luft Batterien, die, sobald man einen kleinen Aufkleber abzieht, auch beim nur Herumliegen schon in einer Woche leer werden können.) Gerade noch mal gutgegangen: An dem Tag standen keine Präsentationen und keine wichtigen Treffen auf dem Programm. Nur die Mittagspause mit den Kollegen war etwas gewöhnungsbedürftig.

Wie sind da Eure Erfahrungen? Hat jemand eins dieser neuen Hörgeräte, die man über Nacht in die Aufladestation steckt, wie läufts damit? Und wie ist das bei CIs? Ich habe gehört, gängige Modelle verwenden Batterien im Dreierpack, was dann ca. drei Tage reicht. Oder einen Akku, der aber nur etwa zehn Stunden durchhält. Das wär ja ganz schön knapp, wenn’s mal ein langer Tag wird…

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