Schlagwort-Archive: Ertaubung

Gezwitscher hören und sehen

Gezwitscher ist eins der Dinge, die mir die Ertaubung relativ schnell genommen hat. Da ist es ja eigentlich passend, dass ich nun, mit  elektrischem Ohr, es nicht nur wieder höre — sondern eins drauf setze und schriftlich zwitschere: Mit Not quite like Beethoven kann man sich jetzt auch bei Twitter unterhalten.
Lesen wir uns dort? Würd‘ mich freuen! –>klick<–

Übrigens, ich bitte um Entschuldigung für die lange Abwesenheit. Ich werde jetzt nach und nach auf die Kommentare antworten.

Das Geheimnis der eigenen Stimme

Sich selbst vom Band reden zu hören, also eine Aufnahme der eigenen Stimme zu hören, finden ja viele unangenehm. Ich aber hätte jetzt gerne mal harte Fakten: Ich würde mich gerne mal hören — und zwar vor anderthalb Jahren.  Denn gerade habe ich jemand getroffen, die ich so lange nicht mehr gesehen hatte. Und sie sagte: „Deine Aussprache ist besser geworden.“

Das schockt erstmal. Denn es heißt ja, dass sie, als wir uns kennenlernten, nicht gut war — was immer das genau heißt. Und es ist doch ein herber Schlag fürs Selbstbewußtsein, zu erfahren, dass das eigene Bild soweit weg war von dem, was man dachte. Die Stimme bringt schließlich nicht wenig an Seele und Persönlichkeit rüber. Oder zumindest wird sie oft so wahrgenommen.

Was war seit unserer letzten Begegnung? Fast ein Jahr mit dem elektrischen Ohr. Und zugegeben, ich habe ja in den letzten Monaten vor dem Eingriff selber gemerkt, dass ich öfters, wenn ich nachlässig wurde, schlurrig redete. Aber die Entschiedenheit, mit der mir das eben gesagt wurde, schockt mich doch etwas. So auffällig soll es gewesen sein?! Gerade weil wir uns so lange nicht gesehen haben, kann sie’s wohl beurteilen.

Der Klang der eigenen Stimme, ein Geheimnis. Schade, dass ich nicht Rush Limbaugh bin, dann hätte ich die Aufnahmen und könnte einfach gucken wie ich damals geklungen habe.

Wie lebt man gut mit Schwerhörigkeit? Nochmal Evelyn Glennie

Mal ab von der Musik und dem Film — diese Frau ist einfach wahnsinnig erfolgreich und lebt offensichtlich genau so wie sie leben will. Was hat so eine zu sagen, was kann man von ihr lernen?

Schon im Film Touch the Sound kriegt man schnell den Kernpunkt mit: Klein-Evelyn spielte Klavier und wollte Musikerin werden, verlor als junges Mädchen große Teile ihres Gehörs. So dass der Ohren-Arzt dem stark schwerhörigen Mädchen sagte, Musikerin? Kind, das kannst Du vergessen.

Das hat das kleine Mädchen sehr verunsichert. Doch zum Glück hatte sie einen Vater, der sagte: Hörend oder nicht, sie wird tun, was sie tun will. Und Klein-Evelyn wurde zur weltbekannten Percussionistin.

Es klingt banal und vielleicht ein wenig naiv, aber ich glaube: Die Unterstützung der Eltern und Orientierung daran was man will, nicht was einem gesagt wird was man könne, sind das wichtigste. Ich glaube, man muss das immer wieder betonen. Denn niemand kann von vornherein sagen, welche Lebenswege unmöglich sind.
Darum finde ich es auch so schlimm wenn Menschen mit eingeschränkter oder gar keiner Audio immer nur auf die gleichen Jobs eingeschworen werden. Und gerade vorgestern ergab sich z.B. hier im Blog wieder so eine Diskussion, bei der ich fand, dass genau das im Hintergrund stand — obwohl es vordergründig um ganz Anderes ging.

Dazu kommen müssen natürlich noch eine Prise Realitätssinn und eine Handvoll Glück. Das ist das Rezept. Realitätssinn hieß in Evelyn Glennies Fall:  statt „nur“ Pianistin Percussionistin werden. Und Glück hieß, auf inspirierte Lehrer zu treffen (und vielleicht ein Stipendium, das ist mir nicht so ganz klar).

Auf Evelyn Glennies Website kann man einen Text namens Disability Essay lesen, eine Rede, die sie mal gehalten hat,  wenn ich recht verstehe für Lehrer oder Therapeuten:

How […] do the terms „disabled“ or „Deaf“ really apply to me? In short, they don’t, not even the „Hearing Impaired“ label works because in some respects my hearing is superior to the average non-impaired person. I simply hear in a different way to most people. Other people apply the categories, but to me and some others like me these particular categories are irrelevant.

Das ist der Kern ihrer Selbstwahrnehmung: Wenn es darum geht, was sie tun und lassen kann, wie sie sich fühlt oder was sie ist, dann fallen ihr nicht zuerst die Etiketten „behindert“, „schwerhörig“ oder „taub“ ein. Und genau das hält sie auch für den Keim ihres Erfolges. Dass sie ihr Gehör ganz ähnlich wie Normalhörende behandelt. Soll heißen: nicht weiter darauf herumreitet, welche Grenzen sie hat und wo sie liegen. Sondern sie gleichsam vergisst — und sich auf ihre ganz andersartige Stärke konzentriert, nämlich ihre Musikalität.

Nebenbei: Ich finde es auch reichlich unglücklich, dass ich im Zusammenhang mit der Grimme-Nominierung in vielen Berichten als „schwerhöriger Blogger“ zu Ehren zu komme. Dabei ist das, was hier gut und preiswürdig ist, ja gerade nicht, dass ich schlecht höre. Sondern dass und wie ich hier schreibe.

Like all other people, regardless of any so called „handicap“, there are certain jobs I can’t do due to my physical attributes. However, I can’t excel at hundreds of other jobs because I either don’t want to or I believe I am not sufficiently talented. How we categorise ourselves and where we fit in to our own framework of understanding leads the vast majority to the belief that they are unable to achieve the highest levels of attainment in their chosen field of endeavour.

Was man von Evelyn Glennie lernen kann ist: Selbstbeschränkung und die Konzentration auf die eigenen Schwächen können eine viel größere Behinderung sein als irgendwelche körperlichen Gegebenheiten. Ich kann dem gar nicht genug zustimmen. Sich dauerhaft auf die eigenen Schwächen zu konzentrieren macht schließlich nicht nur unglücklich, davon hat wirklich niemand etwas.

Es gibt nur einen Haken. Was ich oben „Rezept“ genannt habe, ist eigentlich keins. Denn das Ganze heißt natürlich nicht, und das sagt auch Dame Glennie, dass man die Schwächen ignorieren oder verleugnen könne. Den Luxus hat man nicht. Spätestens von anderen wird man wieder darauf zurückgeführt. Man muss sich schon damit auseinandersetzen. Und Strategien entwickeln, wie man mit den Problemen, die daraus erwachsen, umgehen oder sie vermeiden kann. Glücklich sind dabei diejenigen, deren Zustand gleich bleibt (wo sich also die Hörfähigkeit nicht ständig verschlechtert oder stark schwankt). Denn dann muss man das Ganze nur einmal machen. Und nicht immer und immer wieder.

Was man genau tun und lassen soll, ist  damit noch lange nicht beantwortet. Und dass es einfach wird, ist damit auch nicht gesagt. Man kann sogar scheitern. Nur — gibt es eine Alternative? Ich glaube nicht.

/2010/03/16/musikhoren-probiers-mit-ausziehen/

Der Schein ist Dein Freund

Du bist beim Bäcker. Zweimal hast Du schon nachgefragt und noch immer hast Du nicht verstanden, was Deine zwei Nougatcroissants, vier Schrippen, drei Stück Bauernkäsekuchen und das Landsknechtbrot für das Sonntagsfrühstück kosten sollen. Die Bäckersfrau schaut Dich an — und Du zögerst, ein drittes Mal nachzufragen. Irgendetwas hat die Zahl drei an sich, dass es ab da richtig peinlich wird.

Verflixt, denkst Du, warum hast Du auch wieder bestellt ohne alles mitzurechnen? Die Antwort kennst Du: Weil es früh am morgen und Sonntag ist. Mittlerweile schauen auch die Leute hinter Dir in der Schlange. Selber zusammenrechnen geht so schnell auch nicht. Wo sind überhaupt die Preisschilder?!

Also schiebst Du einfach einen Schein rüber, und zwar einen möglichst großen. Noch peinlicher als ein drittes Mal nachzufragen ist nämlich: Zweimal nach dem Preis zu fragen, dann zu nicken, ’nen Fünfer oder Zehner rüberzuschieben — und der genannte Preis lag doch drüber.

Aber Achtung: Zu groß darf der Schein darf auch nicht sein, ein 50-Euro-Billet auf zwei Schrippen etwa. Bei soviel Wechselgeld hört der Berliner Bäckersfrau der Spaß auf. Du willst ja nicht jeden Morgen den Bäcker wechseln müssen. Und weil Dir das Ganze überall passiert wo die Rechnung nicht erst rübergereicht, der Betrag nicht sichtbar angezeigt wird — darum, lieber Schwerhöriger, hast Du auch so ein dickes Portemonnaie. Vor Wechselgeld.

Taub macht stumm — aber den anderen. Schwerhörigkeit als Beziehungskiller

Die richtige Antwort auf Ich liebe Dich mag nicht unbedingt immer Ich dich auch sein — sie ist aber ganz sicher nicht ein ruppiges: Was?! Ganz zu schweigen von der ungewollten Zugabe:

„Ich liebe Dich.“
„Was?“
Ich liebe Dich!
WAS?!

Nette, warmherzige Menschen, die mir Mut machen wollen, sagen schnell mal, Schwerhörigeit könne doch in einer Beziehung zu einem flotthörenden Partner kein ernsthaftes Problem sein. Wenn man sich liebe und ansonsten miteinander klarkomme, passe man sich doch an, wenn der eine Partner nicht oder nur schlecht hören könne. Und man müsse doch auch nicht ständig verbal miteinander kommunizieren.

Doch so einfach ist es leider nicht, mit einem Schwerhörigen oder Ertaubten zu leben…

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Technikfolgenabschätzung: Das eigene Schmatzen

Wer kennt das nicht — den Pickel auf der Backe, die schlechtsitzenden Haare oder der Soßenfleck auf dem Hemd. Und man läuft stundenlang damit rum, nur weil es gerade nirgendwo einen Spiegel gab, in dem man’s hätte sehen können.

Es ist eigentlich banal: Sich selbst wahrnehmen hilft bei der Selbstkontrolle. Darum hört man’s ihnen ja auch oft an, wenn Menschen ihr Gehör verlieren: Ihr Sprechen verändert sich, weil sie sich selbst nicht mehr hören.
Mit dem elektrischen Ohr merke ich das ja gerade selber, nur auf umgekehrtem Wege: Ich ertappe mich häufiger selbst beim nuschelig Reden.

Nun mag nicht jeder so pingelig sein wie ich. Aber — ob dieses neue, an den Zähnen befestigte Hörgerät wirklich so eine gute Idee ist? Das die Leute zum Essen herausnehmen müssen und, so dass sie ihr eigenes Schmatzen nicht hören? Ich glaub, das ist nicht gut für die Tischsitten…

Der Zisch- und Keuchexperte

Das, liebe Leser, bin ich.  Andere verstehe ich zwar immer noch nur selten, doch zumindest an meiner eigenen Rede differenziere ich gerade feinste Unterschiede in Zisch-, Schnalz- und Keuchlauten sowie — das musste ich nachgucken — Frikativen. Und verbinde die mit Zungen- und Lippenstellungen. Natürlich nur wenn ich alleine bin.

Aber ich muss zugeben: Ich glaube, ich rede besser. Ertaubung hört man halt sofort. Sehr drastisch etwa bei dem Radiomoderator Rush Limbaugh, der seine Show ein paar Wochen taub führte, bevor er ein CI bekam.

Tagesausflug: Es geht nur Münchhausen

Ich mag sie. Lia R. und MannfRed lassen auf sexdrugsblognroll.com Stars und Sternchen die Luft raus, kehren was keiner sehen soll zuoberst und klopfen die Hypes ab. Von allen Seiten. Was übrigbleibt, wird mit hintergründigem Lächeln und Schleifchen auf Eure Bildschirme geliefert. Dazwischen immer wieder richtig schöne längere Stücke — kürzlich zum Beispiel über Schals, die deutsche Einheit oder den Sex-Appeal von Gitarristen auch wenn sie Schlagzeuger sind.

Nun freu ich mich sehr, dass die beiden mich für ihre neue Gastautoren-Reihe eingeladen haben, über „Druck“ zu schreiben. Ergebnis: Es geht nur Münchhausen. Bitte mal angucken gehen.

Am Wochenende gibt’s meinen und die anderen Beiträge übrigens als Podcast. Und stöbert ruhig ein bißchen rum bei den beiden Exilbayern.

Englischer Ausflug: Wie sich Ertaubung anfühlt

Autumn, Photo by Not quite like Beethoven, all rights reserved

Sonntag ist Ausflugstag. Ich bin zu Gast bei Mog — kommt doch auch vorbei! Hier könnt Ihr einen englischen Text von mir besuchen, in dem ich beschreibe, wie sich meine Ertaubung anfühlt.

Die Gastgeberin ist die Autorin des wunderbaren Blogs You hear some funny things when you are deaf, das vor kurzem als Mog Renewed neu gestartet ist. Und der Text ist in der Email-Unterhaltung mit ihr entstanden.

Kluger Umgang mit Schwerhörigkeit im Jahre 1734

September, 1734

The Dean’s Complaint

Vertiginosus, inops, surdus, male gratus amicis;
Non campana sonans, tonitru non ab Jove missum,
Quod mage mirandum, saltem si credere fas est,
Non clamosa meas mulier jam percutit aures.

TRANSLATED AND ANSWERED:

Doctor: Deaf, giddy, helpless, left alone.

Answer: Except the first, the fault’s your own.

Doctor: To all my friends a burden grown.

Answer: Because to few you will be shewn. Give them good wine, and meat to stuff, You may have company enough.

Doctor: No more I hear my church’s bell, Than if it rang out for my knell.

Answer: Then write and read, ‚twill do as well.

Doctor: At thunder now no more I start, Than at the rumbling of a cart.

Answer: Think then of thunder when you f—t.

Doctor: Nay, what’s incredible, alack! No more I hear a woman’s clack.

Answer: A woman’s clack, if I have skill, Sounds somewhat like a throwster’s mill; But louder than a bell, or thunder:  That does, I own, increase my wonder.

by Jonathan Swift, 1734 — Quelle

[Ich mag’s sehr! 🙂 Dank für den Hinweis geht an die Kaltmamsell. Jonathan Swift ist bei uns v.a. für Gullivers Reisen bekannt. Leider hab ich’s nicht auf Deutsch gefunden, hoffe Ihr könnt genug Englisch. Kleinere Fragen können wir sicher in den Kommentaren klären.]

Not quite like Beethoven und ich: Was ich vom Bloggen gelernt habe

Hörverlust ist ein eine dramatische und traurige Erfahrung. Solange meine Schwerhörigkeit nur leicht bis mittelmäßig war, hat mich das Thema nicht weiter interessiert. Es hat mein Leben sicher beeinflusst, aber ich habe mich nur selten eingeschränkt gefühlt und nie groß als Behinderter definiert. Erst in den letzten vielleicht zwei Jahren hat sich das geändert. Ich habe mich erstmals behindert gefühlt — in dem Leben, das ich führen wollte und durch den Hörverlust.

Was macht man in so einem Fall? Ich begann, autobiographisch gefärbte Bücher über Ertaubung zu lesen und mich mit anderen Betroffenen zu treffen. Man hört ja oft, es sei erleichternd zu merken, dass es anderen genauso geht wie einem selbst. Die Erzählungen und Beschreibungen dieser Anderen genauer anzusehen war für mich jedoch eine extrem deprimierende Erfahrung. Denn ich merkte, wie viel meiner Persönlichkeit und meines Charakters ich dem langjährigen und schleichenden Hörverlust verdankte. So viele Gefühle, so viele Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen, die ich pflegte, die andere ganz genauso erlebten und pflegten! Im guten wie im schlechten, sowohl Dinge wie Belastbarkeit, eine gewisse Selbstgenügsamkeit und Zurückhaltung als auch eine hintergründige Mischung aus Frohsinn und Traurigkeit. Und natürlich — die Einsamkeit. Das war eine handfeste Krise: Wo bin da noch ich vor lauter Hörproblemen?

Ganz anders das Bloggen. Durch das regelmäßige Schreiben und das Interagieren mit Euch Lesern habe ich mir in gewisser Weise meine Persönlichkeit zurückerobert. In welcher Situation und warum ich angefangen habe, hab ich hier schonmal erzählt. Außerdem habe ich durch mein eigenes Blog und das Rumstöbern und Kommentieren in anderen ungemein interessante Menschen kennengelernt, viel gelernt, neue Themen entdeckt und neue Interessen entwickelt. Ich möchte das nicht mehr missen.

Um das zugleich voran zu treiben und zu teilen habe ich im letzten Eintrag diese Einladung ausgesprochen.

Ganz einfach möglich: Gastbloggen bei Not quite like Beethoven und Beratung beim eigenen Blogprojekt

Du findest mein Blog irgendwie gut? Und die Themen Kommunikation, Hören, Verstehen und Sinnesbehinderung interessant? Du bist selbst schwerhörig oder gehörlos und denkst, sowas müßtest Du auch mal machen – weißt aber nicht recht wie? Oder das letzte Quentchen Motivation fehlt?

Weil ich selber so viel vom Bloggen gelernt habe, bin ich gerne behilflich: Wer einen Gastbeitrag oder eine -reihe schreiben möchte, die in den Themenbereich meines Blogs paßt  — bitte melden. Ich berate auch gerne redaktionell. Oder erkläre die Grundlagen, wenn Du gern ein eigenes Blog aufziehen würdest, aber nicht weißt wie. Schreib einfach eine Email an die Adresse rechts — wir kommen sicher ins Gespräch.

Ich mache das, weil ich denke, es sollte mehr Vernetzung geben bei abseitigen Themen wie Hören und Hörbehinderung. Und weil ich im Gespräch oft auf großes Interesse stoße, aber auch auf Überraschung, wie leicht man so ein Blog einrichten kann. Darum bin ich vor kurzem auch  bei den Blogpatenschaften eingestiegen — ein Netzwerk von Leuten die „Vernetzungshelfer“ sein wollen „für soziale Themen, die es sonst eher schwer haben, sich in den klassischen Medien zu positionieren. Außerdem wollen wir Menschen, die noch keine Berührung mit dem Internet haben, mit Hilfe von Patenschaften zeigen, wie leicht das Schreiben und Vernetzen im Web ist und welchen Nutzen das bringen kann.“ Hier eine Liste mit mir und den anderen Blogpaten.

Bei mir dagegen, ein Glücksspiel — Schwerhörigkeit und die Fremdsprache IV

Schwierig ist es ja immer für mich, das Gespräche Führen. Dass aber im letzten Jahr fast jede Unterhaltung auf Englisch stattfand, hat mir in sehr vielen Situationen den Rest gegeben. Besonders ungern erinnere ich mich etwa an eine wunderbare Halloween Party, auf die mich meine Mitbewohnerin mitnahm…

LODA Halloween Party -- Photo by Sexy Fitsum / flickr

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Zuhören auf schwerhörig: Warum sagen Schwerhörige eigentlich so oft „jaja“ auch wenn sie nichts verstanden haben

Sag’s doch wenn Du was nicht verstehst! Einer der Sätze, den Schwerhörige am häufigsten hören. Ich kenne ihn auch oft genug gemischt, mit ein bißchen Aggression, weil sich mal wieder herausgestellt hat, dass ich etwas nicht verstanden aber dennoch „jaja“ gesagt habe. Ich habe auf diese Weise sogar einmal den Umzug meiner Freundin verpaßt, bei dem ich eigentlich helfen sollte. Zumindest muss ich das annehmen, denn ich weiß nur, dass ich sie einmal anrief — und sie sagte: „Wir haben gerade alles zu zweit hochgeschleppt, danke.“ Sie hat es mir immer noch nicht verziehen.

Warum also sage ich und sagen all die andern nicht Bescheid, sobald ich etwas nicht verstehe? Sind die alle verschüchtert oder zu bequem? Nein. Es ist ein bißchen komplizierter.

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Der lange Abschied — von der Welt und dem Leben, das man sich wünschte

Arbeit sollte so gestaltet sein, dass sie immer Zeit für ein kleines zweites Frühstück läßt. Heute: Dabei gelesen, und sehr berührt gewesen. Über eine junge Frau — mitten im Leben und im Beruf sollte es gerade richtig losgehen — die langsam aber sicher erblindet. Der lange Abschied vom Licht (von Nina Poelchau im SZ magazin 29/2009).

Bei mir ist es nicht das Licht — aber ich erkenne sie genau, die Gefühlslandschaft, die da vor mir aufgefächert wird. Dieser Schmerz, die Verzweiflung und die Wut über die Ausweglosigkeit. Den Trotz, weil man das führen will, was man für sein Leben hält. Und es damit möglicherweise nur noch schlimmer gemacht hat. Wie wichtig das über-andere-Themen-sprechen für einen ist und wie vergeblich, weggucken, von diesem Schicksal frei sein zu wollen.

Und bei alldem —  die immer wiederkehrende Einsamkeit, und die Angst: Wer soll einen „und dieses Gebirge an Not aushalten“ können?

Heilende Hände und Schmetterlinge: Ich glaub ich brauch auch ein Symbol!

Gerade hab ich einen sehr schönen Eintrag über Sinnbilder und Symbole für Taubheit und Ertaubung gelesen. Bei Kim, die schreibt das lesenswerte Blog Face me, I read lips. Unbedingt mal reinlesen in den Beitrag! Da das auf Englisch ist und ich gar nicht so genau weiß, wie gut meine Leserschaft Englisch kann, hier eine sehr selektive Zusammenfassung auf Deutsch:

Stamp Spiral HandDas links nennt sie „heilende Hand“. Die heißt so, weil sie die gebrochene Seele Ertaubter heilen kann. Sie kann ganz breit helfende Hände symbolisieren, besonders aber die von selbstbewußten Ertaubten/Gehörlosen. Denn es geht natürlich auch um Gebärdensprache. Es ist die Hand, die weggefallene Kommunikationskanäle ersetzt.

Update: Ich habe gestern unterschlagen, dass die Hand „Kokopellis Hand“ heißt, weil ich nicht wußte wer das ist. Jetzt hat mir die Bloggerin erklärt, dass Kokopelli eine gottähnliche Figur aus der Mythologie der Südwestamerikanischen Natives ist. Bei den Zuni, Hopi und Pueblo steht sie für geistige Heilung und Freundschaft.

Butterfly PinDas da rechts sind auch Hände, vor allem aber: ein Schmetterling. Der symbolisiert eine Transformation. Wer Ertaubung erleidet, mag sich zunächst zurückziehen, Kontakt abbrechen, trauern. Sich verpuppen eben. Wenn das vorbei ist, dann hat man sich verändert. Und dann kann eine ganz andere Person zum Vorschein kommen, quasi der selbstbewußte, stolze Taubenschmetterling. Außerdem können Schmetterlinge nicht hören.

Na, wie findet Ihr das?

Macht starke Schwerhörigkeit spießig?

Früher bin ich mal alleine durch den Libanon und Syrien gereist, wußte mittags nicht wo ich abends schlafen würde. Ich fand das toll. Und ich hatte Vertrauen in mich, obwohl ich damals schon ziemlich schlecht hörte. Alles war recht schwer, aber es ging noch. Ich glaube heute würde ich mir das nicht mehr zutrauen. Oder sagen wir besser: Ich würde mir nicht zutrauen, dabei Spaß zu haben. Dabei geht es noch nicht mal um so Dinge wie zufällig Leute kennenlernen. Das ist mir selbst zuhaus schon sehr lange nicht mehr passiert – einfach weil ich nicht mehr einfach so mit fremden Menschen reden kann.  Hahaha, ängstliche Eltern hätten ihre Freude an mir als Kind! Nein, es geht um das Reisen selber das schwierig wird, um das sich Zurechtfinden und Zurechtkommen und -gehen wenn man nicht weiß wie, wo und was läuft.

Auf diese Weise macht mich die Ertaubung vom Lebenswandel her, wie soll ich sagen? Brav? Langweilig? Spießig gar? So nennt man doch glaube ich Personen, die sich durch Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung und ein starkes Bedürfnis nach sozialer Sicherheit hervortun.

Jedenfalls fühle ich mich inzwischen oft nur dann wirklich wohl, wenn ich genau weiß wie die Dinge um mich herum laufen. Wenn alle Abläufe vertraut sind. Wenn ich weiß, dass wenn ich einen mittelgroßen Cappuccino bestelle, die erste Frage lautet: Für hier oder zum mitnehmen? Die zweite: Welche Sorte Milch? Und die dritte: Wie heißt Du? (Nicht dass ich was dagegen hätte. Aber leider will die wunderhübsche Frau hinter dem Tresen hier das nur wissen, damit man mich ausrufen kann, wenn mein Kaffee gleich fertig ist.)

Was hat mich das an Aufregung und peinliche Momente gekostet bis ich diese Reihenfolge raus und mir gemerkt hatte. Weil ich die Fragen mal wieder nicht verstanden hatte. Ja weil ich einfach nicht darauf kam, was man mich noch fragen könnte, nachdem ich schon gesagt hatte was ich will und dass ich meinen Kaffee hier trinken würde.

Aber da gibt’s hier in Amiland sowieso soviele Wahlmöglichkeiten, die sie einen da fragen, wenn man was bestellt: Milch vollfett, 2%, mager oder halb und halb? Steak rare, medium rare, medium oder well done? Brot zum Sandwich Roggen, Sauerteig, Baguette, Vollkorn oder Rosine? Und so geht das endlos weiter… Immerhin, das ist alles Standard, man kann es lernen und dann brauche ich es nicht mehr zu verstehen, sondern nur noch: nicht zu vergessen. Bis dahin aber kann das  ganz schön unangenehm werden, so mitten im Lokal. Und mit einer langen Schlange von Leuten hinter mir, die auch drankommen wollen und unruhig werden nach dem dritten Mal Nichtverstehen. Wenn ganz arg Not am Mann war, hab ich mich ein paarmal mit „Was würdest Du denn empfehlen? Aha, das nehme ich“ rauszureden versucht, wenn ich mitbekommen habe, dass ich eine Wahl habe, aber nicht weiß welche. Klappt aber nicht immer. Manchmal haben sie keine Meinung, manchmal paßt die Frage nicht. Und manchmal bekomme ich einfach nur was richtig richtig doofes…

Außerdem bin ich in Gruppengesprächen eher still, steche inzwischen kaum noch durch geistreiche Bemerkungen oder Witz im Gespräch hervor. Und während sich alle anderen nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag bei Bier oder Wein wieder in Fahrt reden, Spaß haben und lang und länger sitzen, bekomme ich nicht viel oder gar nichts mit, werde müde — und bin inzwischen eher dafür bekannt sehr früh nach Hause zu gehen.

Wie lange kann man sich innerlich jung und wild fühlen, wenn man so ganz und gar nicht die entsprechenden Gewohnheiten hat, das entsprechenden Leben pflegt?

„Die eigenen Gedanken können sehr laut werden in der Stille“ — Enno Park über Leben und Arbeiten als fast ganz Ertaubter

Für mich eine der tollsten Seiten am Bloggen ist, dass man sehr schnell auf interessante Leute stößt. Und manchmal stellt sich dann heraus, dass man mehr gemeinsam hat als man gedacht hätte. Ertaubung zum Beispiel.

Foto: Enno Park

Enno Park ist ein Blogveteran, er hat schon gebloggt, bevor er wußte, dass man das so nennt: Vor 10 Jahren hat er angefangen, online Filmkritiken zu veröffentlichen, dabei die aktuellste immer zuoberst. Kostproben gibts bei filmstarts und filmfacts.  Jetzt schreibt er seit etwa fünf Jahren unter die ennomane, vor kurzem hat er dort auch eine Rubrik für Hörthemen begonnen: Krachstille. Meist aber ging es ihm in letzter Zeit um politische Dinge, zum Beispiel über die Europawahl.

Für Not quite like Beethoven spricht Enno Park über seine Ertaubung als Teenager und das Durchbeißen in Studium und Arbeit mit einer unsichtbaren Behinderung.  Außerdem über den Sinn von Bloggen und Twittern für Hörbehinderte und den Nutzen der Schwerhörigkeit. Nach dem Klick!

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Wie hört Not quite like Beethoven? Eine Hörbiographie

Ich wurde nun schon mehrfach gefragt, wie eigentlich meine „Hörbiographie“ ist. Bislang habe ich das ja immer so in andere Einträge eingeflochten, doch jetzt will ich mal ein bißchen zusammenfassend erzählen. Nach dem Klick!

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