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Das Schmonzettenabo

Nehmen wir einfach mal an, ich wolle heute am frühen Abend fernsehgucken. Irgendeinen Film. Und nehmen wir weiterhin an, ich sei schwerhörig und hätte nur von Filmen mit Untertiteln was.

Dann sagt mir TV Spielfilm es gibt: Der Herr der Ringe, Columbo, eine Komödie mit Vin Diesel (Babynator), ein gutes Auswandererdrama mit Charlotte Gainsbourg und eine geistreiche Erotikkomödie. Nette Auswahl — nur leider alles ohne Untertitel! Mit Untertitel dagegen stehen mir im deutschen Fernsehen zur Auswahl:

Licht über dem Wasser — Eine „Schmonzette“, TV Spielfilm senkt den Daumen und sagt: „Keine Leuchte unter den Schnulzen.“

Schwarzwaldliebe — Noch eine „Schmonzette“, der Flop des Tages. „Platte Romanze ohne Liebe zu den Figuren.“

Wer schwerhörig ist, ist also auf Schmonzette abonniert? Leute, ich habe Hörprobleme, mein Filmgeschmack ist noch vollkommen okay!

Technologien für Behinderte und der Massenmarkt, bei Untertiteln z.B.

Behinderte (wie Schwerhörige und Gehörlose) sind meist zu wenige. Sie sind kein lukrativer Markt. Manche (wie deutsche Fernsehanstalten) nehmen das als Vorwand, keine Leistungen für sie zu erbringen (wie Untertitel).

Elizabeth hat mich auf einen interessanten Artikel aus der Business Week hingewiesen. Wie viele Technologien, die für Behinderte entwickelt wurden,  zu profitablen Anwendungen für den „normalen“ Massenmarkt geführt haben. Das beste Beispiel: Sprachsteuerung und Sprachausgabe bei Apple Macs, iPods und iPhones, aber auch beim Amazon Kindle oder in Autos von Ford.

Dieses Mainstreaming hat dem Artikel zufolge eine lange Geschichte, z.B. sei als Anwendung für das Grammophon ursprünglich gedacht gewesen, Hörbücher für Blinde zu produzieren. Und genauso stellte sich bei Google heraus, dass ein Werkzeug zur Untertitelung von Videos beim Übersetzen der Untertitel hilfreich war. So entstand das Auto-Übersetzungs-Tool für YouTube, mit dem User den Videos, die sie hochladen, Untertitel in verschiedenen Sprachen hinzufügen können. Auf diese Weise können mehr Menschen die Clips sehen und verstehen.

„Companies could look at designing for accessibility as a sales opportunity. Most features that are accessible for the disabled have great value to everybody,“ says Donald A. Norman, a former Apple vice-president for advanced technology

Wenn ich mir das so ansehe, dann muss ich sagen: Dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, was Untertitel angeht, nicht in die Gänge kommen, wundert mich irgendwie nicht. Ich habe ja schonmal überlegt, dass wir zum einen die Argumente ändern sollten und den Nutzen von Untertiteln für Nicht-Hörbehinderte herausstellen sollten.

Was mich aber wundert ist, dass auch die privaten Fernsehsender, die ja eigentlich innovativ denken sollten (hahaha), nicht stärker in Untertitel- und Übersetzungstechnologien investieren, um relativ einfach die Sprachbarriere zu knacken und sich den europäischen oder sogar globalen Markt zu erschließen.

Ich glaube inzwischen sogar, dass wir eher alle perfekt untertitelt im Internet fernsehen oder externe Untertitelungsgeräte nutzen, bevor bei den öffentlich-rechtlichen überall Untertitel laufen.

Science Fiction kann nicht jeder: Warum hörgeschädigte Figuren in Film und Literatur so selten sind

Es hat mich sehr geärgert, dass es in Literatur und Film kaum hörbehinderte Hauptfiguren gibt. Und dass Schwerhörigkeit einfach als nicht sexy genug gilt, so dass — wenn solche Figuren auftauchen — sie eher gehörlos sind. In den Kommentaren zu dem Beitrag ist damals eine rege Diskussion entstanden.

Weil ich das so interessant fand, hat Salomea mir jetzt einen Text geschickt (danke, Salomea!). Darin erklärt sie, warum es so schwer ist, glaubhaft und spannend über Hörgeschädigte zu schreiben. Und besonders über Schwerhörige.

Eine gute Fiktion lebt nicht nur vom Plot, ergo der Handlung, sondern von den Charakteren die ihn erleben. Ein guter Charakter ist dreidimensional. Er überzeugt dann, wenn sein Schöpfer nicht nur erzählt Karl-Heinz sei ein fröhlicher Mensch, sondern wenn Karl-Heinz‘ Auftreten, sein Habitus und seine Dia- und Monologe das ausdrücken. Erschafft man einen (hör-)behinderten Charakter bedeutet das immer auch ein Stück weit Stigmatisierung. […]

Schwerhörige sind auch deshalb seltener Thema weil sie bedeutend schwieriger darzustellen sind. Für den nicht betroffenen Autor unterscheiden sie sich zum einen nicht von denen Hörenden, sind jedoch auch um anderen aufwendiger zu erforschen und werden aufgrund der gegebenen Bilder auch von der Leserschaft nur als Alte, die ständig nachfragen akzeptiert. Einen jungen Mann oder eine junge Frau die für sie ganz selbstverständlich über Trendfarben für Hörgeräte nachdenken und Fabrikate vergleichen oder in einer sozialen Situation klarstellen, dass man mit Hörgeräten zwar lauter hört aber das Sprachverständnis sich deshalb nicht bessert wird die Leserschaft ablehnen, weil sie diese Welt nicht versteht. Einen schwerhörigen Schweißer, der während seiner Arbeit die Hörgeräte ablegt wird niemand nachvollziehen wollen, weil er doch mit den Geräten hört. […]

Hat der Autor im realen Leben sich nie über längere Zeit im Umfeld so einer Person bewegt würde so eine Skizzierung auf einer Art Science Fiction basieren und dieses Genre interessiert nicht jeden und kann auch nicht von jedem umgesetzt werden.

Na, was meint Ihr? Hier der vollständige Text als pdf.

Zwei Klicks am Montagmorgen: Petition für Untertitel im öffentlich-rechtlichen TV (und Aktion Gegen-Synchro)

Guten Morgen, einen wunderschönen Montag wünsche ich! Eine kurze Durchsage:

So unersetzlich Untertitel in Film und Fernsehen für Hörbehinderte sind, so stiefmütterlich gehen die deutschen Behörden und Rundfunkanstalten mit dem Thema um. Nicht dringlich und nicht machbar, sagen die Verantwortlichen — und könnten nicht falscher liegen. Dass das Beispiel USA zeigt, wie es gehen kann und dass vor allem nicht nur Hörbehinderte profitieren habe ich vor kurzem hier schon einmal beschrieben. Auch in England läuft es genauso.

Für Deutschland kann man jetzt eine Untertitel-Petition mitzeichnen für eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrages. Das ist ein bißchen ungünstig, weil er ja gerade erst geändert worden ist — und das in einem äußerst zähen Prozess. Aber dennoch, mit vielen Unterzeichnern für die Petition erhält das Anliegen wenigstens Aufmerksamkeit. Mit dem Hinweis auf eine hohe Zahl von Mitzeichnern kann man dann weiterarbeiten. Also bitte: Mitzeichnen! Danke.

UPDATE: Bitte auch die Kommentare lesen und mal die Aktion Gegen Synchro ansehen gehen…

Schwerhörigkeit zu langweilig für Literatur und Film? Oder warum gibt’s keine schwerhörigen Helden?

Seit ich dieses Blog begonnen habe, suche ich nebenher nach schwerhörigen Figuren in (fiktionaler) Literatur und Film. Gefunden habe ich nur sehr wenige und nur gehörlose. Schwerhörig sind scheinbar nur komische oder schrullige Nebenfiguren, vielleicht noch Opfer von Unfällen.

Mein erster  Fund, der mich sehr begeistert hat, war die von Geburt an gehörlose Superheldin Echo. Sie hat eine geradezu übersinnliche Auffassungs- und Beobachtungsgabe. Nur schwerhörig, wäre sie wohl nicht vorstellbar – und auch nicht wirklich interessant.

Bei der umstrittenen Folge der TV-Serie Dr. House, die ich ziemlich spannend fand, haben sich die Autoren nicht von ungefähr für einen Gehörlosen und das Thema Cochlea Implantat entschieden. Die Dramatik des NICHTS Hörens und dann DIE FLUT DER EINDRÜCKE. Sich ein Hörgerät abzureißen wäre wohl nicht besonders dramatisch. Ganz anders dagegen die (unrealistische) Idee, sich das Implantat herauszureißen!

Und auch Desmond Bates, der schwerhörige Protagonist aus David Lodges „Deaf Sentence“ (meine Rezension hier)  stellt fest, Blindheit sei tragisch, Schwerhörigkeit dagegen allenfalls kauzig oder komisch.

Für die Fernsehserie Heroes wurden ja  vor kurzem „hearing impaired“ Darstellerinnen gesucht. Meine Prognose wäre: Auch hier wird es eine komplett taube oder gehörlose Figur sein. Und wer weiß, vielleicht sogar von Echo inspiriert.

Ich würde ja gerne meine Reihe Taube Helden fortsetzen, aus Belletristik und fiktionalem Film und Fernsehen. Aber irgendwie scheint Schwerhörigkeit nicht dramatisch genug. Ich hoffe jetzt kommt und widerspricht mir wer mit einem schönen Beispiel…

Untertitel im TV — Was das Beispiel USA wirklich lehrt

Schwerhörige, Ertaubte und Gehörlose kämpfen schon lange, doch erfolglos: Im deutschen Fernsehen gibt es zu wenig und zu schlechte Untertitel (mehr hier/hier). Ich denke darum, wir sollten die Argumentation ändern — und nicht immer nur Untertitel für Hörbehinderte fordern! Das legt gerade das Beispiel USA nahe.

Die werden oft als Vorbild gelobt. Weil die Möglichkeit zur Einblendung von Untertiteln gesetzlich vorgeschrieben ist, sind für fast jede Sendung Untertitel zuschaltbar — nicht nur für Spielfilme, auch Serien und Live-Sendungen wie Nachrichten, Talk- oder Comedy-Shows. An öffentlichen Orten werden sie oft standardmäßig eingeblendet. In jeder Bar laufen die Fernseher ganz selbstverständlich mit Untertiteln.

Foto: It's always sunny in Philadelphia / screenshot via hulu.com

Sogar im Internet-Fernsehen gibt es Untertitel, obwohl Internetstreaming nicht der gesetzlichen Pflicht unterliegt. (Hier ein Screenshot von It’s always sunny in Philadelphia via hulu. Die ersten beiden Staffeln sind saukomisch, sehr zu empfehlen!)

Paradiesische Zustände also für Schwerhörige. Doch es ist nicht nur Behindertenliebe, die das alles möglich gemacht hat.

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Amerikanisches Fernsehen im Netz — mit Untertiteln!

Bei Hulu.com gibt es amerikanisches Fernsehen im Internet —  Filme, Shows, Serien. Was ich bisher übersehen hatte: Sehr viele Shows haben Untertitel! Warum hat mir das keiner gesagt?

Einfach auf das kleine Symbol „cc“ achten und draufklicken. Oder gleich nach „closed captioned“ suchen.

Das heißt übrigens: Man kann auch die Episode von Dr. House mit Untertiteln gucken, mit der er die Schwerhörigenszene in den USA gegen sich aufgebracht hat — und die ich hier beschrieben habe.

Update: Bernd hat mich gerade darauf hingewiesen, dass hulu offenbar aus Europa nicht so leicht erreichbar ist. Schade, zu früh gefreut. Hier steht an einem anderen Beispiel, wie man es trotzdem nutzen kann. Variante drei ist die einfachste, sonst die erste…

„Let’s put in a cochlear implant“ — Dr. House schenkt Jungen das Gehör

Wer Dr. House guckt, weiß was einen erwartet: Scharfsinn, Wortwitz und Beleidigungen – kurz: unverschämt anstandslose Unterhaltung. Jetzt hat er in den USA Schwerhörige, Gehörlose und Cochlear-Implantierte gegen sich aufgebracht (klicke zum Überblick hier, siehe die Diskussion hier). Zu Recht?

Foto: jmb1977 (flickr.com CC-BY-SA 2.0)Meine Meinung nach dem Klick! Und die darf man ruhig schon vor dem Gucken lesen. Denn House hat in der Folge eigentlich ganz andere Probleme als seinen gehörlosen Fall.

Wer nicht warten will bis die Folge im Herbst in Deutschland läuft, kann sie jetzt schon bei Hulu ansehen. Auf englisch und ganz legal. Mit Untertitel! Schlimmstenfalls sitzt dieser Eintrag jetzt einfach hier und wartet, bis ich ihn im Herbst wieder hochhole.

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