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Zufrieden mit dem elektrischen Hören? Über das Leben mit dem Cochlea Implantat

Es herrschte lange Schweigen, hier im Blog, unterbrochen nur von kleinen Lebenszeichen. Und so traurig ich das finde: Es ist in sich ein gutes Zeichen. Es heißt nämlich, dass bei mir hörmäßig alles ziemlich gut läuft. Die Folge: Andere Themen und Probleme drängen sich in den Vordergrund, die Aufmerksamkeit wendet sich ab. Ganz genau wie der Herr Burke schon sagte.

Also genau der richtige Zeitpunkt, um in Sachen elektrisches Ohr ein Resümee zu ziehen. Ich wurde in den letzten Wochen ziemlich häufig gefragt, wie mein Fazit zum Cochlea Implantat (CI) heute sei. „Würdest Du die Entscheidung, genauso noch einmal treffen? Ärgerst Du Dich mit dem Wissen von heute, es erst einmal herausgezögert zu haben? Und wie ist Dein Hörempfinden heute?“ Darauf will ich kurz antworten… Weiterlesen

Das Geheimnis der eigenen Stimme

Sich selbst vom Band reden zu hören, also eine Aufnahme der eigenen Stimme zu hören, finden ja viele unangenehm. Ich aber hätte jetzt gerne mal harte Fakten: Ich würde mich gerne mal hören — und zwar vor anderthalb Jahren.  Denn gerade habe ich jemand getroffen, die ich so lange nicht mehr gesehen hatte. Und sie sagte: „Deine Aussprache ist besser geworden.“

Das schockt erstmal. Denn es heißt ja, dass sie, als wir uns kennenlernten, nicht gut war — was immer das genau heißt. Und es ist doch ein herber Schlag fürs Selbstbewußtsein, zu erfahren, dass das eigene Bild soweit weg war von dem, was man dachte. Die Stimme bringt schließlich nicht wenig an Seele und Persönlichkeit rüber. Oder zumindest wird sie oft so wahrgenommen.

Was war seit unserer letzten Begegnung? Fast ein Jahr mit dem elektrischen Ohr. Und zugegeben, ich habe ja in den letzten Monaten vor dem Eingriff selber gemerkt, dass ich öfters, wenn ich nachlässig wurde, schlurrig redete. Aber die Entschiedenheit, mit der mir das eben gesagt wurde, schockt mich doch etwas. So auffällig soll es gewesen sein?! Gerade weil wir uns so lange nicht gesehen haben, kann sie’s wohl beurteilen.

Der Klang der eigenen Stimme, ein Geheimnis. Schade, dass ich nicht Rush Limbaugh bin, dann hätte ich die Aufnahmen und könnte einfach gucken wie ich damals geklungen habe.

Im Namen des Kindeswohls? Wie mich das Jugendamt Rastatt sprachlos macht

Gerade habe ich es im Taubenschlag gelesen: Das Jugendamt Rastatt schrieb einem Elternpaar einen Brief, sie mögen bitte vorbeikommen, Man wolle sich mit Ihnen unterhalten, sie gefährdeten eventuell das Wohl ihres Kindes.Weil es anscheinend gehörlos ist und sie ihm kein elektrisches Ohr, kein Cochlea Implantat (CI) implantieren lassen wollen.

Gut, zu prüfen ob das Kindeswohl gewahrt ist, ist (u.a.) der Job des Jugendamtes. Einmal eingeschaltet kann es das auch nicht ablehnen. Und ich könnte mir sogar eine akzeptable Variante des Briefes vorstellen. Nämlich den Satz „Unser lnteresse als Jugendamt ist es, zu einer gut begründeten Haltung zu kommen“ ernst zu nehmen und anzunehmen, dass man sich aus erster Hand einfach mal informieren wolle, wie das Leben von gehörlosen gebärdenden Familien denn so sei. Obwohl ich glaube, dass Behörden sowas nicht fallunabhängig machen. Die haben schon genug zu tun.

Dieser Brief aber schlägt dem Fass den Boden aus: Denn die Vorladung und Einzelfallprüfung ist nicht nur menschlich daneben. Sie ist auch sachlich vollkommen ungerechtfertigt. Selbst wenn man mal für einen Moment annimmt, dass das Kindeswohl schon durch die bloße Verweigerung des Implantats gefährdet sein könnte — dann wäre dies der Fall sobald verweigert wird. Man müsste keinen Einzelfall prüfen, kein Elternpaar mit so einen Brief terrorisieren und sie nicht vorladen. Muss man aber den Einzelfall prüfen, dann liegt es nicht an der Frage „CI oder nicht?“ — sondern an der sonstigen Förderung (oder Vernachlässigung) des Kindes. Dann wäre die Wortwahl des Briefes (und der so unschuldig anmutende Betreff  „Vereinbarung eines Gesprächstermins“) im mildesten Fall sachlich grob fahrlässig und menschlich verletzend. Und außerdem: Wenn schon, dann könnte man sich wenigstens die Mühe machen, weniger Grammatikfehler zu machen. Nachlässigkeit obendrein.

So oder so. Bäh, Jugendamt Rastatt, bäh! Ich persönlich kann mir auch nach wie vor nicht vorstellen, dass ein Gericht bestätigen würde, dass nur mit CI das Wohl gehörloser Kinder gesichert ist. Das haben wir ja im Zusammenhang mit dem umstrittenen Artikel von Müller und Zaracko schon diskutiert.

 

Elektrosmog: Gesundheitliche Schäden durch Cochlea Implantate?

Ist die elektromagnetische Strahlung der elektrischen Ohren schädlich? Für dieses — hochspekulative! — Thema lege ich mal einen eigenen Eintrag an, denn es interessiert mich sehr — und bisher hat sich die Diskussion unter einem ganz anderen Eintrag entzündet.

Von mir zu Elektrosmog generell: Sehr schwieriges Feld, und wie gesagt: Ich mache mir auch Sorgen, es spricht vieles dafür, sich so ganz grundsätzlich mit möglichst wenig Funkgerätstrahlung zu umgeben.
Ich denke aber auch: Man sollte es aber mit dem Sorgenmachen speziell mit Blick auf Dinge wie CIs auch nicht übertreiben solange nichts konkretes sicher ist. Einmal googlen reicht da nicht, man muss schon versuchen, sich zumindest ein bißchen einen Überblick über die Diskussion verschaffen. Ich finde den Wikipedia-Artikel zu Elektrosmog recht gut.

Und jetzt kopiere ich einfach mal die bisherigen Beiträge (leicht gekürzt) hier ein.

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Angefaßt werden

Ich war noch ganz wund und verunsichert von der Entscheidung, die ich getroffen hatte. Ich hatte ihnen erlaubt, meine Grenze zu durchbrechen und dort zu tun, was sie für richtig hielten. Ich hatte einen Fremdkörper im Kopf. Dauerhaft — eine Maschine noch dazu, die aufgrund irgendwelcher Programme Strom abgibt.

Aus dieser Zeit wollte ich gerne eine Kleinigkeit erzählen. Denn gerade ist ja hier deutlich worden, dass manche es eklig finden, dort am Kopf berührt zu werden, wo direkt unter der Haut das Cochlea Implantat gebettet liegt.

Die Haut darüber, die heilte von alleine. Doch die Seele, die auch nicht so recht klar kam mit dem Fremdkörper, die heilte unter der Berührung anderer. Ein Streicheln, ein Kraulen, ein spürbares Zeichen, dass ich noch immer derselbe war. Dass alles okay, dass ich aufgehoben war — auch mit dem neuen Bestandteil. Zumindest die ersten Male ein fast magisches Erlebnis.

Gar nicht zu vergleichen mit meinen eigenen Selbsterkundungen. Kennt Ihr das?

Musikalischer Apartheid? Kompositionen für das Cochlea Implantat

Ist das jetzt Ausgrenzung oder Gleichberechtigung? Forschung oder PR?  Das australische Bionic Ear Institute startet gerade ein Projekt, in dem Musik speziell für Träger von Cochlea Implantaten komponiert wird. Hier ein Bericht der australischen Zeitung The Age.

Ausgangspunkt ist was wir gerade so schön in den Kommentaren diskutiert haben: Dass Leute mit elektrischen Ohren Musik ganz anders als ihre normalbiologisch hörenden Freunde wahrnehmen, die direkt daneben sitzen. Und dass viele Musik leider nicht genießen können. Die Komponisten sagen, es werde wahrscheinlich „unkonventionell“. Noch in diesem Jahr sollen die Stücke bei einem Konzert aufgeführt werden.

Ich bin gespannt — aber entzweigerissen. Einerseits denke ich: Die sollen lieber mal die CI-Systeme verbessern, ich will unbehindert Zugang zu jeder Musik. Nich so’n musikalischer Apartheid. Womöglich klingt es dann für normalbiologisch Hörende sogar ganz grauslich!
Oder sollte man es nur pragmatisch sehen? Dass spezielle Bevölkerungsgruppen spezielle Musik haben, ist ja nichts neues. „Schwarze Musik“ ist schon lange kein Schimpfwort mehr, und war schon davor eine Bereicherung. Aber müssten dann nicht CI-Träger selber die Musik komponieren? Nich so’n musikalischer Paternalismus?
Oder geht es letztlich doch nur um gute oder schlechte Musik und was man dafür hält?

Perfektion am Telefon

Maschinen arbeiten bevorzugt bei schönem Wetter und am Wochenende. Oder wie soll ich es verstehen, dass ich ausgerechnet heute mal wieder ein Glückspilz sein soll?

Klingelte das Telefon, ging ich ran und hatte ein Tonband an der Strippe, das mir verkündete: Preisausschreiben gewonnen ohne je teilzunehmen! Also quasi doppelt Glück gehabt — nein eigentlich dreimal: Denn ich freue mich auch immer über die Gelegenheit, zwanglos mit dem elektrischen Ohr telefonieren zu üben. Ganz ohne den Gesprächspartner zu nerven, irritieren oder gar zu verprellen.

Die haben mit diesem Tonband wirklich alles richtig gemacht. Es ist die perfekte Übung! Von der langsamen Sprachgeschwindigkeit über die Deutlichkeit, bis hin zu dass die Aussage in fünf verschiedenen Formulierungen wiederholt wird und die WICHTIGEN Worte BETONT werden. Dass die Nummer, die ich anrufen soll mit endloser Geduld ebenfalls wiederholt wurde, brauche ich wohl nicht eigens zu erwähnen. Von dieser Aufnahme könnte sich so mancher menschliche Telefonierer ne Scheibe abschneiden!

Nur der Name der Firma, der war nicht zu verstehen. Zufall? Oder wurde der gar nicht gesagt?

Den Spieß umdrehen — und die Folgen

Zuweilen komme ich mir vor wie jene unglückliche Frau, die mir gestern Nacht in der U-Bahn gegenübersaß. Neben ihr saß ihr Mann. Ich verfolgte ihr Gespräch — und hatte bald so genug davon, dass ich ihn hätte nehmen wollen und schütteln bis er heult.

Das mag Euch übertrieben erscheinen, aber ich fand es wirklich nicht zum Aushalten: Wann immer sie mit ihm sprach, wandte sie sich ihm zu. Nicht nur den Kopf, ihr gesamter Körper richtete sich zu ihm aus. Sie blickte ihn an. Sprach ihn an. Wann immer er sprach, tat er — gar nichts. Starrte geradeaus, aus dem Fenster oder einer Frau nach, gerade wie es ihm paßte. Und es war ganz offensichtlich für beide das Normalste von der Welt.

Warum läßt sie sich das bieten? — dachte ich. Interessiert er sich nicht mal für sie?

Aber ich bin ja vorbelastet. Ich wende mich allen zu, mit denen ich rede und blicke sie an. Ich muss das. Ich verstehe sonst nichts. Es ist etwas, das die anderen sehr an mir schätzen, was mich zu einem begehrten Zuhörer macht. Und ich bin darauf angewiesen, dass meine Gegenübers es mir gleich tun.

Neuerdings jedoch drehe ich ab und zu den Spieß um und drehe mich weg, wenn jemand mit mir spricht. Ich teste dann, ob ich mit dem elektrischen Ohr auch ohne Sicht Verstehen kann. Und übe es ein bißchen. Meine Abwendung bleibt nie ohne Reaktion: von milder Irritation bis zum Wutanfall war schon alles dabei. Wäre ich die Frau in der U-Bahn, ich würde mich sofort scheiden lassen!

Beswingt nach Stockholm

Wer auch nur einmal über Nacht mit einer der großen Ostseefähren gefahren ist, weiß was das heißt. Ich hatte es ja schon angedeutet, die Reise nach Finnland beinhaltete auch einen Abstecher nach Stockholm. Das waren zweimal 16 Stunden Fähre. Stil und Glamour habe ich ein wenig vermißt. Aber mit guter Reisebegleitung und viel Lust auf Alkohol kann so eine Überfahrt ziemlich lustig werden.

Absolutes Highlight der ersten Nacht war der mitternächtliche Auftritt der Schiffsband, die — die Mädchen in Haremshosen mit silbernen Pailetten bestickt — ein Medley überraschend gut ausgesuchter älterer Hits zum Besten gaben. Alle Mitglieder der Band ließen mir Schauer über den Rücken laufen aber nur eine mit ihrer rauchigen Stimme.
Auch als Hörübung war das Medley gut geeignet: Ich kannte alle Lieder, aber es dauerte unterschiedlich lang, bis ich sie erkannte. Und sicher war ich fast jedesmal erst, wenn ich den Refrain hörte. Ich denke, das ist typisch fürs Musikhören von Schwerhörigen. Und insbesondere mit dem elektrischen Ohr: Das Cochlea Implantat ist ein Sprachverstehding. Entsprechend läuft auch das Erkennen (und sehr oft auch das Genießen) von Musikstücken hauptsächlich über die Sprache.

Highlight der zweiten Nacht war finnisches Karaoke. Die Finnen singen wirklich gern. Und yay, was für eine Sprache! Schriftlich so unglaublich fremd, aber klingen tut sie wunderschön! Und auch das eine klasse Hörübung: Fremde Klänge zum Mitlesen.

Wer sich mal anhören mag, wie Päivästä päivään klingt, das hier abgebildet ist — das hab ich auf youtube gefunden (natürlich mit anderer Stimme). [Nachtrag: Ich erfahre gerade, dass das Lied eigentlich Levoton Tuhkimo heißt. Unter dem Namen hab ich sogar das Karaoke-Video gefunden.] Von dem ganzen schwermütigen, aber wunderschönen finnischen Zeugs hab ich leider nix gefunden.

Vuvuwasbitte soll da stören? Perfekt gerüstet für die WM

Allerorten Aufregung um Vuvuzelas. Ich bin da ganz gelassen. Das elektrische Ohr regelt einfach ab oberhalb der Unbehaglichkeits-Schwelle. Und dank jahrelangem Tinnitus bin ich geübt darin, störende Geräusche schnell auszublenden. Bring it on!

Übrigens: So eine Vuvuzela ist lauter als eine Kettensäge. Besonders die Kombination mit Alkohol verursacht extrem schnell Hörschäden. Und AP berichtet über eine Studie, die behauptet, dass die Tröte auch Bakterien und Viren effektiver an den Mann oder die Frau bringt als jeder Husten. Also besser mit Ohrenstöpseln und Mund-Nasen-Schutz zum Public Viewing? Man kann ja froh sein, dass wenigstens Sommer ist…

Hörlos in Helsinki

Wer sich eine Uhr ans Handgelenk bindet, kettet sich an die Zeit — und wer sich auf Hörtechnik verläßt, macht sich von seinem Batteriendealer abhängig. Das Flugzeug beschleunigte gerade zum Abheben, da durchzuckte es mich. Du hast ja gar nicht genug Batterien dabei! Vor mir lagen sieben Tage Finnland und Schweden. Mein mitgeschleppter Vorrat würde maximal die Hälfte reichen — danach würde das linke Ohr den elektrischen Geist aufgeben. Ich wäre hörlos in Helsinki.

Verflixt, ich habe sonst IMMER und SEIT JAHREN genug Batterien dabei. Hoffentlich gibt’s diese speziellen CI-Batterien, die ich brauche, in Helsinki einfach so im Geschäft! Ausgerechnet jetzt, wo das elektrische Ohr gerade erstmal richtig funktioniert! Und dabei soll man doch im Urlaub feiern, genießen und entspannen!
Nun ja, tröstete ich mich. Hast ja immer noch das rechte Ohr mit dem Hörgerät. Dafür hatte ich genug Batterien. Nur: einohrig und damit noch schlecht hören ist wirklich besch-eiden. Außerdem stand ein Besuch bei guten alten Freunden der Familie auf dem Programm. So lange nicht gesehen und dann die Gespräche nur halb mitzukriegen! Von der Anstrengung beim gemeinsamen Abendessen ganz zu schweigen.

Ging gerade nochmal gut. Ein Glück, dass es eben Helsinki und nicht Zelten auf dem platten Land war. In einem großen Elektrogeschäft konnte ich rechtzeitig Batterien auftreiben. Hörgerätebatterien zwar, von denen man mir sagte, sie hielten bei dem immensen Strombedarf der CIs nur ein paar Stunden — doch Überraschung: Bei mir halten die genauso lang wie spezielle Implantatbatterien.

Ansonsten: Helsinki gefiel mir gut. Viele schöne Häuser, viel Wasser, viel Felsen und viel Baum — und die jährlichen Abiturfeiern da sind wirklich nicht von schlechten Eltern. Ist ja auch kein Wunder wenn’s nur zwischen  halb zwölf und zwei dunkel ist…

Das große Gruseln: Viren und Hacker in meinem Cochlea Implantat?

Enno jagt mir (und offensichtlich auch Jule) bei Yucca Tree Post  einen Schauer über den Rücken: „Mensch mit Computervirus identifiziert“, schreibt er und verweist auf Medizintechnik wie Cochlea Implantate. Denn auch da werden Fernwartung und Funkverbindungen mit anderen Geräten in Zukunft kommen. Aber muss man deswegen Angst vor Viren und Hackern im elektrischen Ohr haben?

Dass Cochlea Implantate ihre Träger fernsteuern könnten, war wohl früher ein gern erzähltes Schauermärchen. Nun — das kann man wohl ausschließen. Aber auch im renommierten New England Journal of Medicine haben Wissenschaftler vor kurzem vor Sicherheitslücken bei medizinischen Geräten und Implantaten gewarnt (der Text ist nur für Abonnenten zugänglich, hier eine frei zugängliche Zusammenfassung).

Bei Kernspin-Tomographen (MRI) ist es schon passiert: Letztes Jahr Jahr wurden einige Geräte in Krankenhäusern vom Conficker-Wurm infiziert. Im obigen Artikel wird daher gefordert: Bei medizinischen Geräten und Implantaten muss die Sicherheit erhöht werden bevor etwas geschieht. Am besten indem entsprechende Anforderungen schleunigst in den Zulassungsprozess integriert werden.

Ich denke: Da Cochlea Implantate nicht lebensnotwendig sind, wäre das vermutlich ziemlich einfach zu machen. Aufwendiger müssten die Vorkehrungen z.B. bei Herzschrittmachern und anderen Geräten sein, die kontinuierlich lebenswichtige Funktionen regulieren. Außerdem besteht, soweit ich das sehe, die größte Gefahr nicht in der drahtlosen Verbindung als solcher. Sondern in der dauerhaften Verbindung und v.a. im automatisierten Austausch von Daten.
Für beides sehe ich beim CI wirklich überhaupt keinen Anlass. Wenn es Sprachprozessoren (also den äußeren, hörgeräteartigen Teil des CI) mit integrierter Telefon-, Radio- oder mp3-funktion gibt, reden wir nochmal. Dann nämlich wäre es wirklich fatal, irgendwelche Datenpakete anzunehmen ohne genau zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Oder was denkt Ihr?

Erstmal finde ich das Thema Sicherheitslücken, Hacker und Viren auf anderen Gebieten viel beunruhigender. Z.B. diese smarten Stromzähler, die gerade überall eingebaut werden
[Nachtrag: Ennos Beispiel, Autos, ist auch nicht von schlechten Eltern.]

„Aber, Du wirst für immer zwischen den Welten bleiben!“ — Deutungsmuster und mein Leben mit Cochlea Implantat

„Aber“, sagte sie und sah mit mich aufgerissenen Augen an, „Du wirst für immer zwischen den Welten bleiben!“ Das war vor nicht ganz einem Jahr, als ich mich schon fast entschlossen hatte, mir ein elektrisches Ohr, ein sogenanntes Cochlea Implantat (CI)  implantieren zu lassen. Noch zögerte ich, doch dieser Freundin hatte ich davon berichtet. Sie war besorgt:

„Du wirst nie etwas ganz sein. Weder bei den Gehörlosen zuhaus, noch bei den Hörenden.“

An diese kleine Geschichte musste ich bei der Diskussion denken, die sich gerade ab hier in den Kommentaren zu einem ganz anderen Thema ergeben hat. Wir haben uns dort mit den Benennungen herumgeschlagen — was ist gehörlos, was ist taub? Kann sich jemand mit CI noch gehörlos nennen? Und ich denke, es ist weder Zufall, dass wir uns nicht einig werden konnten. Noch dass sich das Ganze am CI entzündete.

In der Tat, das Leben mit CI ist ein ständiger kleiner Grenzverkehr — ja, meine Freundin hatte Recht mit ihrer Einschätzung. Aber mir hatte auch nie jemand etwas anderes versprochen. Ich habe mich wirklich viel umgehört, bevor ich mich für ein CI entschieden habe. Kein Arzt, kein Wissenschaftler und kein CI-Träger hat mir je gesagt, ich würde mit dem Implantat normal hören. Keiner hat je behauptet, er könne mich reparieren. Die Unterstellung, ein CI sei eine Reparatur, etwas das aus „kaputt“ wieder „ganz“, aus „schwarz“ „weiß“ mache, kenne ich persönlich nur aus einer ganz anderen Richtung. Nämlich aus dem Vorwurf, ich würde mich mit der Operation „den Normalos“ anpassen. Mich dem unterwerfen, was „die Gesellschaft“ will. Und zeige damit entweder meine eigene Unreife oder mache mich zwangsläufig unglücklich. Weil die Reparatur eben nicht funktioniere (was aber, wie gesagt, zumindest mir gegenüber auch niemand behauptet hatte.)

Es ist halt so: CIs produzieren ganz systematisch Menschen, die weder richtig gehörlos noch richtig hörend sind. Sind sie eine Minderheit unter den Hörenden, also im Hören behinderte Hörende? Oder eine Minderheit unter den Gehörlosen, also durchs Hören behinderte Gehörlose?

Ich würde sagen: Weder noch. CIs bringen unsere gängigen Deutungsmuster durcheinander. Mit den alten Mitteln ist keine eindeutige Kategorisierung möglich. Und obwohl ich es selbst auch immer so nenne — „schwerhörig“ ist doch im Grunde auch nur so eine Hilfskonstruktion, mit der man einigermaßen durch den Alltag kommt. Das sieht man, finde ich, schon daran, dass keiner so recht sagen kann, was eigentlich das Gegenteil von schwerhörig sein soll.
Außerdem suggeriert „schwerhörig“ eine Gleichförmigkeit, die gar nicht da ist. Nur mit angelegter Technik bin ich schwerhörig, ohne bin ich taub. Ersteres bin ich bis zu 18 Stunden am Tag, das andere oft etwa neun. Manchmal, wenn mir danach ist, aber auch tagelang. Was bin ich also? Fünfachtelschwerhörig?

Ich glaube, was  unsere kleine Diskussion in den Kommentaren mal wieder zeigte war: CIs bringen eine nicht stillzustellende Unruhe in unsere gängigen Deutungsmuster. Sie produzieren etwas Drittes, weder schwarz noch weiß. Wer’s theoretisch mag — es ist im Grunde genau das, was schon vor 20 Jahren Donna Haraway in ihrem Cyborg Manifesto geschrieben hat: Cyborgs, Techno-Menschen, unterlaufen die alten Kategorien.

Damit sind sie aber erstmal auch von Anpassung an eine „Normalität“, von Unterwerfung unter „die Gesellschaft“ weit weg. Haraway glaubte sogar, dass durch Cyborgs etablierte Denkweisen in Bewegung kommen und politisch neue Möglichkeiten eröffnet werden. Weil die bisherigen Strukturen auf sie nicht passen, ja weil sie in diese Veränderungsdruck hineinbringen. Dieses Moment der Ironie und Befreiung versuchte Haraway mit ihrem Text herauszuarbeiten. Das mag ein bißchen optimistisch sein, aber jedenfalls: Weil die alten Kategorien keine Pilze, sondern Menschen und Lebensentwürfe bezeichnen, wird dadurch auch Identitätsbildung zum Problem: Was sind Menschen mit elektrischem Ohren, wenn sie denn weder hörend noch gehörlos sind? Wo gehöre ich hin, wenn ich ein CI im Kopf habe?

Doch schon letztes Jahr, als meine Freundin mich so besorgt anschaute, war ich zwar von der Rhetorik ein bißchen beunruhigt — wer möchte schon kein Zuhause haben? — fühlte mich aber gleichzeitig merkwürdig unangesprochen von diesem Sortierproblem. Ein Grenzgänger war ich ja schon immer gewesen. Wirklich normal gehört hatte ich nie. Aber bis vor etwa zwei Jahren kannte ich auch das nicht, was man medizinisch Taubheit nennt. Lange bevor ich Not quite like Beethoven wurde, war ich schon nicht ganz. Daran hat auch das CI nichts geändert. Es macht es nur deutlicher sichtbar.

Und darum gab ich der besorgten Freundin schon damals die — wie ich heute weiß — richtige Antwort: „Mein Zuhause, das muss ich mir sowieso selber suchen seit ich bei meinen Eltern ausgezogen bin. Das kann man mir eh nicht zuteilen.“

[Übrigens, wer sich für Kulturgeschichte und die Cyborg-Thematik interessiert, schaue mal hier rein: Menschliche Cyborgs und reflexive Moderne (pdf).]

Haben Kinder ein “Recht” auf elektrische Ohren? Oder darauf, kein Cochlea Implantat zu haben?

Die Möglichkeiten oder Angebote der modernen Medizin finde ich ja gut. Wären es Zwänge — oder werden es über sozialen Druck Zwänge — finde ich sie weniger gut. Aber wie sieht es eigentlich mit Rechten aus? Haben taube Kleinkinder ein Recht auf ein Cochlea Implantat (CI) — und wenn man es ihnen nicht noch im Kindesalter verschafft, ist man im Unrecht? Oder ein Recht darauf, kein Implantat zu erhalten? Und ist, wer dagegen verstößt eigentlich nur moralisch im Unrecht oder sogar rechtlich?

Keine einfachen Fragen, sehr unangenehme sogar. Vor ein paar Wochen ist dazu ein interessanter Text erschienen:

Müller, S; Zaracko, A. (2010), „Haben gehörlose Kleinkinder ein Recht auf ein Cochleaimplantat?Nervenheilkunde 29 (4): 244-248

Ich wollte schon länger was darüber schreiben, habe es aber immer aufgeschoben. Jetzt hat sich aber vor ein paar Tagen schon Jule dazu geäußert. Dann hat gestern Regenbogen hier im Blog den ersten Kommentar dazu geliefert, der vielleicht in der anderen Diskussion etwas untergeht. Bernd vom Taubenschlag hat eine Diskussionsvorlage geliefert. Und schließlich erhielt ich noch ein paar E-Mails, in denen ich gefragt wurde, was ich von dem Text halte. Darum hier nun ein paar schnelle Gedanken dazu — keineswegs fertig, es darf diskutiert werden:

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Hörtraining: Was ich vom kleinen Kerlchen lernte

Mit dem elektrischen Ohr muss man ja üben, sonst wird das nichts. Vorgelesene Bücher, die man gleichzeitig noch  mitliest, sind da sehr praktisch. Dabei lernt man nämlich nicht nur Hören mit dem Cochlea Implantat:

  • Der kleine Prinz ist mir irgendwann als ich noch klein war in Überdosis aufgedrängt worden. Wenn man mir den heute als Hörbuch schenkt, ist meine erste Reaktion: Ähh, danke.
  • Wenn man sich nach einigen Wochen dann doch mal daran macht, sieht man: Das macht aber nichts. Es gibt schon einen Grund dafür, dass das Buch so berühmt geworden ist.
  • Wenn man zum Mitlesen ein Hörbuch kauft, muss man aufpassen, dass man die 1:1 gelesene Version erwischt. Also beim Kauf unbedingt auf den Hinweis „ungekürzt“ achten! Außer wenn der Käufer und Schenker mein Papa ist. Der sucht dann nämlich extra antiquarisch eine kleine, handliche Ausgabe, hört alles mehrfach selbst durch und zeichnet extra für mich ein, was ich höre. Und das sieht dann aus wie auf dem Bild unten.
  • Die sind da alle so sicher über sich selbst und in der Welt. Der Fuchs ist ein Fuchs, die Blume ist eine Blume und die Schlange ist eine Schlange. Sie wissen das auch. Und sie wissen, was zu tun ist.
  • Ich finde nicht, dass das Wesentliche für die Augen unsichtbar ist, genauso wie es für die Ohren nicht unhörbar ist.
  • Von Saint-Exupéry lese ich heute lieber sowas wie Nachtflug.
  • Komischerweise lachen die Leute beim kleinen Prinzen nicht so wie bei der kleinen Lisa, wenn sie als Kollateralschaden mithören, was ich da höre.

Auf dem Weg zur Telefontauglichkeit — heute: Nonchalance und Ernst

Beim zweiten Mal wollte ich es besser machen. Nach langer Telefonabstinenz war ja mein erstes Telefon“gespräch“ mit dem elektrischen Ohr durchaus beglückenden Inhalts aber vor lauter Aufregung zu kurz gewesen. Den nächsten Marketinganruf, das hatte ich mir fest vorgenommen, würde ich besser nutzen!

Heute klingelte dann endlich wieder das Telefon. Nummer unbekannt. Ich nahm mit dem festen Vorsatz ab, ein längeres Gespräch zu führen. Egal wer es sei. Und da ich weiß, dass man nie eine zweite Chance für den ersten Eindruck erhält, legte ich direkt größtmöglichen Ausdruck in mein „Hallooo?“

Es musste gewirkt haben. Denn aus dem Hörer flötete es: „Oh, das freut mich aber, dass ich Sie erreiche, Herr Not quite, …“ — Zumindest glaube ich das. Denn selbst wenn es inzwischen einigermaßen klingt — flöten kann man es nun wirklich nicht nennen, was mir das CI da übers Telefon serviert. (Ich habe das Implantat jetzt drei Monate.)

Leider hatte ich vor lauter Aufregung vergessen, das Gerät auf Telefonspule zu stellen, und so verstand ich schon den nächsten Satz nicht. Ich spielte darum auf Zeit. „Ich habe verstanden, dass Sie sich freuen mit mir zu reden, aber leider nicht, wer Sie sind“, lächelte ich ins Telefon. Und fummelte dabei mit der freien Hand an meiner Fernbedienung herum.

Nachdem ich auch noch das Fenster geschlossen und die Dame dabei weiter hingehalten hatte, stellte sich heraus, dass sie sich für eine meiner Versicherungen interessierte. Ob der Abschluss damals einfach gewesen sei, ich noch etwas wünschte. Nein, nein, sagte ich, alles wunderbar. Ich verstand nicht alles, aber doch ziemlich viel. Und ich glaube, die Freude darüber muss sie mir angehört haben. Denn ich kann es mir nicht anders erklären, dass sie nach einer ganzen Weile äußerst nonchalanten Geplauders auf einmal perplex verstummte — als ich sagte, nein, man dürfe mich gerne per Brief über neue Angebote informieren, keinesfalls aber per Telefon! „Äh, okay“, sagte sie. Natürlich muss sie damit gerechnet haben, aber ich denke, der abrupte Stimmungsumschwung hat sie überrascht.

Trotzdem, mich hat’s erfreut. Und wenn ich telefonmäßig mal groß bin, dann führe ich so umwerfende Gespräche wie Frau N.!

Womit gerade zu rechnen ist

Wenn Sie über Ostern in der U-Bahn, im Café oder auf öffentlichen Plätzen so in 2 bis 5 Meter Entfernung einen gutaussehenden jungen Mann entdecken, der erfolglos versucht, so auszusehen als höre er Ihnen nicht zu — dann regen Sie sich nicht auf, schenken Sie ihm ein Lächeln und reden Sie einfach weiter. Das bin nur ich.

Ich, wie ich versuche herauszufinden, welche von den drei neuen Einstellungen für das elektrische Ohr nun besser ist. Das in meiner Hand ist kein Handy sondern die Fernbedienung. Das rote Blitzlicht am Ohr beim Programmwechsel lasse ich demnächst mal abstellen. Und der leicht verwirrte Blick gehört auch dazu.

Macht das CI den Subwoofer nutzlos? Über (Nicht-)Basshören mit dem Cochlea Implantat

Als ich auf grün wartete, fuhr gestern einer dieser rollenden Subwoofer an mir vorbei, die man schon auf 200m hört: Dummm, Dumm, Dum-Dum, Dummmm, Dummm. Und immer so weiter. Ich habe keine Ahnung wie tief dieses Geräusch war, aber dem Fahrer hat’s gefallen. Und immerhin: Ich hab es auch gehört. Allerdings wohl mehr mit dem Mini-Akustik-Gehör, das mir geblieben ist, als mit dem neuen, elektrischen.

Gestern kam auch das Gespräch darauf, wie man denn mit Cochlea Implantat (CI) tiefe Töne hören kann, wenn doch technisch nur Frequenzen ab etwa 125hz aufwärts weitergegeben werden. Wie so vieles beim CI fällt die Antwort hauptsächlich in den Bereich Wunder des Gehirns. Ich habe jetzt mal den Bass-Test gemacht. Mit LL Cool J.

CIs sind auf Sprachverstehen hin optimiert, nicht auf Musikhören. Ein biologisches Ohr nimmt noch deutlich Töne unter 125hz wahr — also etwa wenn sehr tiefes Lastwagenbrummen Wände und Boden zum Wackeln bringt. Das elektrische riegelt da (oder in der Nähe dieser Schwelle) einfach ab. So ist das zunächst mal.
Dennoch kann man — das habe ich in den letzten Wochen gemerkt — erstaunlich tiefes Hörempfinden haben. Das Gehirn macht aus dem, was ankommt, mit der Zeit einfach das, woran es gewohnt ist. Oder was es gerne hätte. Schon bei Sprache ist das so: Viele Neu-CI-Träger beschweren sich in den ersten Wochen über helle Mickey-Mouse-Stimmen. Mit der Zeit denkt sich das Gehirn dann: Ach, richtig tief ist jetzt mit diesem Reiz verbunden? Na gut, okay…. Man kann also nicht mal sagen, die tiefen Töne seien nur Einbildung!

Ich habe zum Spaß immer mal Going Back to Cali gehört, das Stück hat seeehr tiefe Bässe. Ehrlich gesagt: Die sind so tief, dass schon die meisten von Euch, die jetzt vielleicht am Computer reinhören, einfach nicht das Equipment haben, um sie richtig zu hören. Und vermutlich ist die Youtube-Version eh im unteren Frequenzbereich beschnitten. Man hat da also sowieso ein ähnliches Hör-Erlebnis wie mit dem CI.

Jedenfalls: Bis vor einer Woche war es kein Vergnügen, das Stück nur per CI zu hören. Flaches, farbloses Geploppe. Inzwischen merke ich bei tatsächlich Bassdruck (auch wenn ich sonst noch nicht alles davon höre, ich rede hier nur über die tiefen Töne). Es klingt voll. Halt so, wie wenn man endlich den Bass aufgedreht hätte. Das ist noch immer weit von natürlicher Empfindung und Hi-Fi entfernt. Aber es klingt endlich nicht mehr wie schlechtestes Kofferradio. Und es klingt tatsächlich tiefer als ich erwartet hätte.

Wer weiß, vielleicht ist also doch genußvolles Musikhören mit CI möglich. Ich meine diesseits des Spinal-Tap-Effekts. Ob wohl auch stocktaube CI-Träger was von Subwoofern haben? Also davon, öfters am untersten Rand stimuliert zu werden…?

Mal an die CI-Träger unter uns: Wie ist das bei Euch? Wie kommen die Bässe aus dem Stück bei Euch an? Habt Ihr einen Subwoofer?

Gib mir Melodie: Musikhören mit dem Cochlea Implantat

Es ist nicht High Fidelity, aber so langsam kommt’s. Ich werde mal an einem Beispiel beschreiben, wie Musik mit dem CI jetzt klingt, so nach drei Monaten CI.  Ein Zwischenstand.  Und ich rede dabei übers Hören NUR mit CI. Keine akustischen Anteile dabei. Denn ich höre übers Audiokabel, im Grunde ein Kopfhörer, der direkt ins elektrische Ohr eingestöpselt wird.

Der Rhythmus ist okay, der Bass auch. Gesang knätscht noch etwas, aber hey, es ist Axl Rose. Problem: Das bekannte Gitarrenriff am Anfang. Vor etwa vier Wochen hab ich das Stück zum ersten Mal seit 120 Jahren gehört und merkte, dass ich das Riff fast überhaupt nicht hören konnte. Der ganze Frequenzbereich war nicht richtig da. Dann, 10 Tage später, versuchte ich es noch einmal und es klang, als zupfte Slash immer nur an der gleichen Saite. Ich konnte die Tonhöhen nicht unterscheiden.

Von damals auf jetzt habe ich plötzlich einen deutlichen Sprung gemacht! So richtig brilliant klingt’s immer noch nicht. Aber immerhin, ich kriege die Tonhöhen und damit die Melodie einigermaßen gehört. Und zwar gehört, nicht erinnert. Achtung, ich sage: einigermaßen. So richtig stimmen tut’s noch immer nicht.

Übrigens: Es heißt natürlich „Every time when I see her face…“ — und nicht nur „ab und zu“, das ist ja für die Geschichte nicht unwesentlich. Und wenn ich schon mal am klugscheißern bin: „and if I stared too long“.

So alles in allem ist das Grund zu Feiern! Jetzt kann ich mir so langsam auch unbekannte Stücke vornehmen. Ist schon deutlich besser als damals, als ich der elektrische Anfänger war.

Letzte Nacht: Das elektrische Ohr rockt

Drei Monate ist es jetzt alt. Das Foto gibt den Höreindruck mit dem CI ganz gut wieder: Eine Grundstimmung. Vieles, was nicht so genau zu erkennen ist. Und dazwischen immer mal wieder klare Eindrücke — Worte und Sätze. An eine gepflegte Unterhaltung war nicht zu denken, aber wer will das schon. Was mich angenehm überrascht hat, war, dass die Musik so gut klang. War aber auch laut, und der Spinal-Tap-Effekt kickte in.

Der Meister der Erwartungen in Augsburg

Nein, ich kann wirklich nicht behaupten, niemand hätte es mir gesagt: Am Cochlea Implantat entzünden sich die Erwartungen — Endlich wieder Hören und Verstehen! Und wer sich eins implantieren läßt, muss zum Meister der eigenen Erwartungen werden.

Schon bevor ich mich überhaupt auf das elektrische Ohr einließ wußte ich: Das Implantat ist keine Reparatur. Wie gut man damit in vivo, also bei schnellen, leisen oder undeutlichen Sprechern, über Entfernungen, mit Nebengeräuschen, am Telefon etc. hören und verstehen können wird, ist sehr individuell. Und damit nicht exakt vorhersagbar. Vor allem aber ist das alles nicht über Nacht zu erreichen. Viel Geduld und Spucke ist angesagt.

Dennoch war ich nach den überraschenden und schön-schaurigen Erlebnissen in letzter Zeit enttäuscht.  Augsburg hieß der Ort und es lag Schnee. Es waren nette Leute und interessante Gespräche. Das Essen war vorzüglich — oder habt Ihr schon einmal in Kirsch-Sushi mit Pistazien- und Schokoladensoße sowie dazu echte Maracuja gegessen?

Nur die Leute hinter der Rezeption im Hotel, am Infoschalter bei der Bahn, im Meeting um den großen Tisch herum, in der Gruppe in der Kneipe und im Auto, das mich gerade so um die große Karambolage auf der A8 herum bugsierte — die verstand ich nur sehr mühsam bis, leider leider, gar nicht. Ich werde weiter meine Erwartungen im Zaum halten, Geduld haben und weiterüben. Frustriert, wer ich? Ommm.