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Vuvuwasbitte soll da stören? Perfekt gerüstet für die WM

Allerorten Aufregung um Vuvuzelas. Ich bin da ganz gelassen. Das elektrische Ohr regelt einfach ab oberhalb der Unbehaglichkeits-Schwelle. Und dank jahrelangem Tinnitus bin ich geübt darin, störende Geräusche schnell auszublenden. Bring it on!

Übrigens: So eine Vuvuzela ist lauter als eine Kettensäge. Besonders die Kombination mit Alkohol verursacht extrem schnell Hörschäden. Und AP berichtet über eine Studie, die behauptet, dass die Tröte auch Bakterien und Viren effektiver an den Mann oder die Frau bringt als jeder Husten. Also besser mit Ohrenstöpseln und Mund-Nasen-Schutz zum Public Viewing? Man kann ja froh sein, dass wenigstens Sommer ist…

Stille und ich — In der Winter-Ausgabe des FROH! Magazins

Ich möchte Euch eine, wie ich finde, äußerst gelungene Ausgabe einer wirklich interessanten Zeitschrift ans Herz legen: Das FROH! Magazin vereint schönes Layout, tolle Fotos und klasse Geschichten.  Ich würde sagen, wer den Stil und die ungewöhnlichen Perspektiven von brand eins mag, wird auch das FROH! magazin mögen. Und:  Es sind 70 97 Seiten vollkommen ohne Werbung. Das muss man erst mal schaffen.

Empfehlen und mich freuen tue ich auch, weil eine kleine Geschichte von mir ihren Weg in das Magazin gefunden hat. Denn mit Stille habe ich ja auch so meine Erfahrungen gemacht:

Ich war 18 als unser Verhältnis den Bach runterging. Stille und ich, ab da wurden wir nie wieder zusammen gesehen. Sie entzog sich mir, schlagartig und dauerhaft. Ich hatte Tinnitus. Es war nie wieder still in meinem Kopf….

Weiter geht’s im Magazin. Doch auch ohne meinen Beitrag könnte ich Euch dieses Heft nur ans Herz legen. In Berlin, Frankfurt, Köln, Nürnberg und Würzburg gibt’s das FROH! in einigen Läden. Ansonsten: Alle Infos und Bestellmöglichkeiten unter http://frohmagazin.de/ Schaut mal rein!

8 Tips zum Gut Schlafen mit Tinnitus

Tinnitus is a bitch! Tagsüber geht ja meist alles noch, man hat was zu tun, ist abgelenkt. Wenn auch manchmal zu abgelenkt um konzentriert zu sein, verdammt! Aber abends, wenn langsam alles ruhig wird und der Kopf aufs Kissen sinkt — dann macht der Ton im Kopf Party!

Was soll man da machen? Generell empfehle ich bei Tinnitus (als betroffener Laie! Und wenn sich keine organische Störung findet!), mal in seinem Leben aufräumen (Ziele hinterfragen und neu setzen, Tagesabläufe überprüfen, Stress abbauen, sich vielleicht mal psychologische Beratung oder Therapie gönnen), Entspannungstechniken lernen (Yoga, progressive Muskelentspannung, autogenes Training) und prüfen, ob ein Hörgerät angezeigt ist. Vielerorts läuft das unter Tinnitus Retraining Therapie.

Speziell zum Schlafen habe ich mit folgenden acht Kniffen gute Erfahrungen gemacht:

  1. Leise und ruhige Hintergrundgeräusche angenehmer Art sind besser als absolute Stille. Vor deren Hintergrund erscheinen die Geräusche im Kopf nur lauter. Leise Musik, ein Hörbuch oder ein Radio kann helfen. Aber nicht jeder kann dabei einschlafen. Muss man halt ausprobieren.
  2. Auch das gute alte Buch zum drüber Einschlafen funktioniert oft. Es geht ums gleiche wie im vorigen Punkt: Ablenkung vom Tinnitus.
  3. Früh aufstehen, Rausgehen, sich vom Licht wachmachen und den Tag über müde machen. Sport machen (aber nicht später als ca vier Stunden vor dem Schlafengehen).
  4. Das Gegenstück: Alle Lichter löschen beim Schlafen, die Vorhänge zuziehen, gegenbenenfalls gegen dunklere ersetzen.
  5. Kein Fernsehen oder Arbeiten/Spielen/Lesen am Computer vor dem Schlafengehen. Irgendwie sind diese Bildschirme immer heller als man denkt, meiner Erfahrung nach dauert es danach, bis ich einschlafen kann.
  6. Stattdessen: Eine Stunde vor der geplanten Einschlafzeit aktiv ruhigwerden, geistig herunterfahren. Durch einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft, ein Glas Wasser/Milch oder einfach nur aus dem offenen Fenster starren und ein bißchen ruhig atmen.
  7. Atmen ist sowieso gut. Ruhig. Gleichmäßig. Ein, aus, eeiinn, aauuss, ZZZZzzzzzzzzzzzzz…..!
  8. Progressive Muskelentspannung hat mir in schlimmen Phasen geholfen. Auch einfache Traumreisen (ich stelle mir vor ich bin an schönen Orten, etwa am Meer oder an einem Bach. Und sehe ganz genau vor mir, was ich da mache, wie es sich anfühlt und anhört). Dabei bin ich dann weggeschlummert. Entspannungstechniken haben den Vorteil dass man beschäftigt ist, während man sie macht, also vom Tinnitus abgelenkt ist und trotzdem dabei oder danach einschlafen kann.

Stille

Mute -- Photo by Not quite like Beethoven, all rights reserved

Stille ist nur für Erwachsene, glaube ich. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass ich mir als Kind oder Jugendlicher mal bewußt Stille gewünscht habe oder das einer meiner Freunde so etwas erzählt hätte. Leiser, nicht so laut — ja. Aber Stille, so richtig absolute Stille? Nein. Viel lieber wollte ich überall Musik hören, die mich durchs Leben und meine Gefühle trug. Und in der Musik (oder auch in sogenannten Räumen der Stille) ist Stille ja eher dazu da, wenige Töne und Geräusche zu akzentuieren. Vielleicht braucht es eine gewisse Lebens- und Lärmerfahrung bevor man auf sowas kommt, wie sich absolute Stille zu wünschen? Oder sie schön zu finden?

Ich habe es gerade so in die Volljährigkeit geschafft, bevor Stille etwas wurde, was ich nie erleben werde. Mit 18 habe ich mir einen Tinnitus zugelegt. Als mir also das erste mal jemand erzählte, wie beeindruckend Stille sei, so richtig absolute Stille, „da ist einfach gar nichts!“ (er hatte sie auf einer Reise in die Wüste erlebt), da waren das für mich schon Geschichten. Er fand das toll, geradezu erhebend.  Jaja, sagte ich darum. Klingt interessant. Denn eins ist meine Welt jedenfalls nicht: still und ruhig. Obwohl viele sich die Welt von Schwerhörigen und Ertaubten so vorstellen.

Mui Ne -- Photo by Marfis75 / flickr, some rights reserved

Dabei ist wirklich absolute Stille gar nicht so leicht auszuhalten. Wenn man wirklich gar nichts hört, beginnt wohl jeder Phantomgeräusche zu hören. Sogar recht schnell, innerhalb von Stunden (wie sich bei Versuchen gezeigt hat, zu denen ich gerade keinen Link finde). Meide die Stille! ist ja auch der Standardratschlag für Tinnitusgeplagte. Lieber leise, angenehme Geräusche als Nichtshören. Wenn keiner mit mir will dann mach ich’s mir eben selber — scheinen Gehirn und Hörnerven zu sagen.

Vielleicht ist die Sehnsucht nach Stille so etwas wie Fasten. Man muss erstmal ein Gefühl für Überfressenheit haben um darauf zu kommen, dass es gut sein könnte. Und dann ist es langfristig ungesund, kann sich kurzfristig aber ganz gut, erholsam, sogar reinigend anfühlen. Die richtige Diät und bewußtes Essen wären jedoch deutlich besser.

„Mir geht’s ja nicht schlecht, und außerdem will ich tanzen“ — Email-Hin-und-Her mit MC Winkel

Eigentlich wollte ich wissen, wie man mit der plötzlichen Diagnose Schwerhörigkeit klarkommt. Es kam anders — und wurde eine Geschichte darüber, wie vielgestaltig die Probleme sind, die sich hinter dem Wort Schwerhörigkeit verbergen. Und der Platz, den sie im Leben einnehmen.

Als MC Winkel kürzlich über seinen neuen Tinnitus schrieb und dabei erwähnte, dass er gerade vom Arzt für schwerhörig erklärt worden war, bin ich neugierig geworden. Ist zwar „nur“ ne Hochtonschwerhörigkeit, aber mittelgradig ist ja nun nicht ganz so wenig: zwischen 40 und 60% Verlust. Und wie geht ein Musiker mit seinen Ohrgeräuschen um — zumal wenn er sie als „Merk-Hoyzer-Collina-Quintett (eigentlich ein Trio, aber die erstgenannten zählen doppelt) mit einem anhaltenden Querflötensolo in Shizz-Dur“ empfindet?

Teezey-- Photo by MC Winkel, all rights reserved

MC Winkel hat als Blogger schon knapp neun Jahre auf dem Buckel. Und das merkt man: Er ist bekannt wie ein bunter Hund und — wenn’s ihm gefällt — sich für keine Aktion zu schade. Dabei sagt er von sich selbst: „Bin halt nur’n Typ, der Quatsch ins Netz schreibt und sich freut, dass Leute das gerne lesen.“ Ich mag die schnodderige Art sehr, mit der er sich selbst immer wieder durch den Kakao zieht. Außerdem tingelt rockt er als Musiker mit der Band Büro am Strand vorwiegend durch Norddeutschland.

Per Email entspann sich folgendes Gespräch…

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Das Harte für die Dame, das Zarte für den Herrn: Wie Schwerhörigkeit Geschlechter-Stereotypen durcheinander bringt

Wer mich anschaut, sieht nen Mann. Ganz klar. Breite Schultern, Boxernase, wilder Bartwuchs. Das verwirrt die Leute aber nur umso mehr, wenn ich mit Frauen zusammen bin.

Ich liebe Kaffee. Und hab ganz und gar nichts gegen Alkohol. Aber weil von beidem mein Tinnitus lauter wird und sich Kater auch mit Druck in den Ohren auswirken, trinke ich beides meist recht vorsichtig. Das führt in Bars und Restaurants oft zu skurrilen Situationen.

Outdoor Portrait of Man and Woman, Photo by Wisconsin Historical Society / flickr

Zuerst aufgefallen ist es mir in Andalusien — wo der Kaffee so stark ist, dass ich oft nicht mal Kaffee mit Milch (café con leche) sondern Milch mit Kaffee (leche manchada) bestellt habe. Merke: In Andalusien führte das, damals zumindest, nicht dazu, dass die gleiche Menge Kaffee mit mehr Milch aufgegossen wurde — die Gläser waren immer gleich groß. Außerdem bestellte ich wesentlich öfter Cola oder Wasser als Bier und Wein. Oder wenn, dann eher Bier und tinto de verano als Rotwein oder Härteres.

Meine Freundinnen waren schon immer nicht so zimperlich (und dafür liebe ich sie). Bei ihnen darf es oft ein doppelter Espresso, ein Bier oder manchmal auch ein Schnaps sein. Und wirklich jedesmal wenn café con leche und leche manchada oder Wasser und Bier gebracht wurden, wollte man das Stärkere natürlich vor mich hinstellen. Und war überrascht bis sogar ein wenig unwillig, wenn wir es anders haben wollten. Es paßt einfach nicht, auch in Deutschland nicht, dass der Kerl den Mädchendrink nimmt.

Super Man and Wonder Woman, Photo by San Diego Shooter / flickr

Ähnlich läufts wenn ich mit einer Frau unterwegs bin und Leute nach dem Weg fragen. Sie sprechen fast immer mich direkt an — und sind dann überrascht, wenn ihnen die danebenstehende Frau antwortet, weil ich die Frage nicht so schnell oder gar nicht verstehe. Anstatt dass sie einfach stumm bleibt. Und meistens schauen sie während ihnen geantwortet wird immer mal skeptisch zu mir rüber. Gleiches geschieht, wenn sie nach dem Weg fragt. Dann bekomme ich den Weg erklärt. Kaum jemand schafft es, einfach nur ihr zu antworten und nicht spätestens nach ein paar Sekunden mich anzusehen und ganz offensichtlich mit mir zu reden. Was lustig ist, weil ich ihnen natürlich auf typisch schwerhörig zuhöre.

Besonders skeptisch und durcheinander sehen die armen Leute dann aus, wenn das Ganze mit asiatischen oder schwarzen Begleiterinnen geschieht. So als würde es nicht in ihren Kopf gehen, dass diese sich herausnehmen, mit ihnen zu reden — obwohl sie mich angesprochen haben oder auch ich sie hätte ansprechen können. Und das passiert nicht nur auf dem Land und nicht nur bei Älteren.

So viel Geld! Von denen?

In den USA finanziert ausgerechnet das Verteidigungsministerium Tinnitusforschung?! Mit bis zu 40 Millionen Dollar?!

Ach stimmt ja — die produzieren ja an Ohrgeräuschen Leidende wie sonst niemand.

Über Tinnitus und High-Tech Ohrstöpsel

Schon etwas älter aber sehr interessant: Jerome Groopman schreibt im New Yorker über Tinnitus und die Forschung dazu — und in der Mitte des Artikels gibt’s einen längeren Exkurs über Lärmschutz beim US Militär und Schwerhörigkeit bei Veteranen.

Theresa Schulz, an audiologist who served in the military for twenty-one years, told me that hearing loss accompanying tinnitus is now the No. 1 cause of disability among veterans of the conflicts in Afghanistan and Iraq. “I think it’s probably because of the nature of urban warfare,” she said, given that gunfire and mortar and grenade explosions occur in relatively confined and often closed areas.

Wie hört Not quite like Beethoven? Eine Hörbiographie

Ich wurde nun schon mehrfach gefragt, wie eigentlich meine „Hörbiographie“ ist. Bislang habe ich das ja immer so in andere Einträge eingeflochten, doch jetzt will ich mal ein bißchen zusammenfassend erzählen. Nach dem Klick!

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