Fast alles, was wir über die Welt wissen, wissen wir aus den Massenmedien (dazu ein Interview mit dem Soziologen Niklas Luhmann). Darum ist es gut, ein Auge darauf zu haben, was in den Medien alles nicht vorkommt.
Eine der Gruppen, die dies tun, ist die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA). Sie stellt seit 1997 jährlich eine Top 10 der vernachlässigten Nachrichten des Jahres zusammen. Eine Jury wählt aus eingesandten Vorschlägen aus, Vorbild der Initiative ist das US-amerikanische Project Censored.
Gestern hat die Initiative nun die Situation an Gehörlosenschulen zu einem der wichtigsten, im Jahre 2009 vernachlässigten Themen gewählt: In den meisten Gehörlosenschulen werde keine Gebärdensprache unterrichtet.
Noch gibt es nur eine knappe Pressemitteilung, die ausführliche Begründung der Jury soll in den nächsten Tagen erscheinen. Ich bin gespannt, was genau darin steht. Warum sie ausgerechnet dieses Thema unter die Top 10 gewählt haben!
Ich habe selbst nicht genug Einblick um zu beurteilen, wie die Situation genau ist und warum sie so ist. Und leider auch keine Zeit, zu recherchieren. Aber ich habe nie verstanden, wie man sich von dem Argument überzeugen lassen kann, die Gebärdensprache grenze Gehörlose aus der Gesellschaft aus und sei darum zu vermeiden. Laut INA ist das das am häufigsten vorgebrachte Argument. Und das ist doch vom Grundgedanken her schon vollkommen wirr: Wie sollte die Kenntnis einer Sprache ausgrenzen? Sprachen ermöglichen Zugang.
Wenn die Absolventen von Gehörlosenschulen aus der „normalen“ Gesellschaft ausgegrenzt werden, dann liegt das doch bestimmt nicht daran, dass sie in der Schule neben anderem Gebärdensprache gelernt haben. Sondern daran, dass die Gehörlosenschulen den Rest ihres Bildungsauftrages nicht auf die Reihe kriegen. Ich denke da vor allem an schriftsprachliche Kompetenz.
[gefunden via KoopTech]
[Nachtrag: Um einem Mißverständnis gleich vorzubeugen, das mir bereits einen wütenden E-Mail-Schreiber bescherte — ich meine nicht, dass schriftsprachliche Kompetenz vor Ausgrenzung schützt. Und auch nicht, dass mit deren Vermittlung die Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber Gehörlosen und Behinderten erfüllt sei. Aber ich halte sie für eine der wichtigeren Fähigkeiten, die einem die Schule mitgeben kann und sollte.]