
Und dabei fing alles so gut an. Schon nach ein paar Seiten nahm mich die Sprache des Buches gefangen. Ein junger Mann in London, er ist Violinist. Dazu eine junge Frau, Musik — und eine vergangene Liebe, die nach einer Zufallsbegegnung wieder aufflackert. Vermutlich darum heißt das Buch auf Deutsch Verwandte Stimmen. Dies ist jedoch kein guter Titel. Denn vor allem ist das Buch eine wunderschöne, sprachliche Liebeserklärung an die Musik und an das Leben in der Musik.
Daneben fand ich die mit Abstand einfühlsamsten Beschreibungen davon wie es ist, mit Schwerhörigen umzugehen und mit ihnen zu reden. Sie zu lieben. Und wie es ist, langsam das Gehör zu verlieren — als Pianistin.
It probably was getting more difficult for me to hear the piano, but so much of what one hears is in the mind and the fingers anyway.
Wer sich hierfür interessiert, dem kann ich das Buch wirklich uneingeschränkt empfehlen. So wie es dort steht, ist es anrührend. Es ist traurig. Und es stimmt einfach — bis hinein in die Details, etwa die Erwartung des Liebhabers, die Pianistin werde auf die Frage, ob denn an ihrer Ertaubung auch irgendetwas Gutes sei, wohl so etwas antworten wie das Leid der Ertaubung habe sie Tiefgründigkeit gelehrt. Und der dann überrascht ist, als sie erzählt, dass es musikalische Originalität ist, zu der sie gezwungen ist, weil ihr die Orientierung am Spiel Anderer nun verwehrt ist.
Leider steht dieser ganze Reichtum in dem Buch im Rahmen einer äußerst entwicklungsarmen Geschichte. Denn im Grunde ist es die Geschichte eines Jungen, der aus Selbstsucht einen Fehler gemacht hat. Der damit nicht zurecht kommt und fast jeglichen Spaß am Leben verloren hat. Und der erwartet, dass ihn eine Frau aus dem ganzen Elend rettet. Und da sage noch jemand, die Mädchen warteten auf den Märchenprinzen.
Die Frau tut es auch noch, wird verletzt — und bleibt bei allem in ihren Motiven und Gefühlen dermaßen blaß beschrieben, dass ich wirklich nichts anderes sagen kann als: Projektionsfläche. Schließlich, als sie wieder fort ist und der Jüngling im Gram versinkt, gibt es auf der allerletzten Seite ein angedeutetes Erwachsenwerden.
Mit dem schwachen Ende erinnerte das Buch mich stark an Richard Powers Klang der Zeit. Auch so ein dickes Ding über Musik, zum Niederknien schön geschrieben. Aber irgendwann verliert die Geschichte jeglichen Drive, es schien egal wo sie endete, ja ob sie überhaupt endete. Wenn ich nicht zu viel Zeit gehabt hätte, ich hätte beide Bücher nicht zu Ende gelesen. Wirklich merkwürdig, dass sich in diesem so subtile Beschreibungen der Konversation und des Lebens mit Schwerhörigen verbergen.
Ts ts. Und dabei habe ich An Equal Music doch gerade erst noch der Kontrolleurin empfohlen.
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Weitere Buchbesprechungen bei Not quite like Beethoven: Christiane Krauses S wie Beethoven und David Lodges Deaf Sentence.