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Glaub mir, das sieht nur auf den ersten Blick komisch aus

Wenn’s mir zu laut wird, dann halte ich mir einfach die Nase zu. Die Nase? Ja, die Nase. Denn Ohren zuhalten ist viel zu kompliziert, bei der ganzen Technik, die ich daran herumtrage.

So geschehen zuletzt gestern, bei der Anti-Kernkraft-Demo. Jetzt weiß ich endlich wo die ganzen Vuvuzelas geblieben sind, die in Deutschland bei der WM verkauft wurden: Sie fanden bei Demos ihre unbekannte Verwandtschaft —  Cousin Rassel, Cousine Trillerpfeife und Tante Sirene. Wir dagegen zogen dem Krachmachen zunächst ein Picknick mit Motto-Muffins vor.

Und das mit der Nase? Nun, ich habe links ein elektrisches Ohr (ein CI). Rechts ein Hörgerät. Um mich vor Krach wirklich zu schützen müsste ich zunächst links und rechts die Gerätschaften ausschalten, dann links den Finger ins Ohr stecken und rechts die kleine Belüftungsbohrung am Ohrpaßstück des Hörgeräts zuhalten. (Denn das verschließt zwar das Ohr, weil es aber ein Loch für den Druckausgleich hat, taugt es nur bedingt als Ohrstöpsel.) Das alles dauert. Und es sieht komisch aus.

Da ist es so viel einfacher, die Nase zuzuhalten, den Mund zu schließen und leicht auszuatmen. Funktioniert wirklich! Der Druck, der dabei im Kopf entsteht, spannt die Trommelfelle vor. Dadurch kommt deutlich weniger Schall an. Ihr kennt den Trick vielleicht vom Fliegen, da dient er dem Druckausgleich. Ansonsten: Probiert’s mal aus! Erstaunt angesehen werdet Ihr garantiert nur die ersten Sekunden…

Stille und ich — In der Winter-Ausgabe des FROH! Magazins

Ich möchte Euch eine, wie ich finde, äußerst gelungene Ausgabe einer wirklich interessanten Zeitschrift ans Herz legen: Das FROH! Magazin vereint schönes Layout, tolle Fotos und klasse Geschichten.  Ich würde sagen, wer den Stil und die ungewöhnlichen Perspektiven von brand eins mag, wird auch das FROH! magazin mögen. Und:  Es sind 70 97 Seiten vollkommen ohne Werbung. Das muss man erst mal schaffen.

Empfehlen und mich freuen tue ich auch, weil eine kleine Geschichte von mir ihren Weg in das Magazin gefunden hat. Denn mit Stille habe ich ja auch so meine Erfahrungen gemacht:

Ich war 18 als unser Verhältnis den Bach runterging. Stille und ich, ab da wurden wir nie wieder zusammen gesehen. Sie entzog sich mir, schlagartig und dauerhaft. Ich hatte Tinnitus. Es war nie wieder still in meinem Kopf….

Weiter geht’s im Magazin. Doch auch ohne meinen Beitrag könnte ich Euch dieses Heft nur ans Herz legen. In Berlin, Frankfurt, Köln, Nürnberg und Würzburg gibt’s das FROH! in einigen Läden. Ansonsten: Alle Infos und Bestellmöglichkeiten unter http://frohmagazin.de/ Schaut mal rein!

Hey Mann, ich bin in meiner schalldichten Kammer!

Bedrucktes T-Shirt von CafePress

Es gibt nicht viele Sprüche über Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit, die ich mir auf ein T-Shirt drucken würde. Aber vielleicht diesen hier.

I can’t hear you, I’m in my imaginary soundproof booth.

Ich glaube der funktioniert nur auf Englisch, vielleicht sogar nur auf Amerikanisch. „Ich kann Dich nicht hören, ich bin in meiner vorgestellten schalldichten Kabine“? Das will ich kurz erklären:

Worum geht’s? Das ganze ist eine Anspielung auf den „imaginary happy place“ — das kommt ursprünglich aus irgendwas psychotherapeutischem und/oder esoterischem: Der ganz persönliche Ort an dem man sich wohlfühlt, glücklich ist und aus dem man Kraft zieht. Sollte man kennen. Und wenn es stressig wird sich vorstellen, man sei dort.

Passend dazu gibt es einen Spruch auf T-Shirts, der den Leuten mitteilt, der Träger sei in seinem „imaginary happy place“. Was hier, in der echten Welt, alles so geschehe, berühre ihn also gar nicht. Davon habe er sich bewußt abgewandt. Über grundloses Lächeln brauche man sich nicht zu wundern. Und gar nicht erst zu versuchen, ihn mit Belanglosigkeiten zu nerven.

Im Grunde drückt das T-Shirt also dasselbe Verlangen nach Ruhe und Ungenervtheit aus, das Madame Modeste neulich so schön beschrieben hat. Obwohl ich vermuten würde, dass sie niemals so ein T-Shirt anziehen würde.

Nachtrag auf Nachfrage hin: Warum nun schalldichte Kammer als „happy place“ für Schwerhörige und Gehörlose? Weil sie dazu eine besondere Beziehung haben. Gehörlose bewegen sie sich metaphorisch darin durchs Leben — es geht um Taubheit positiv gewendet. Und viele Schwerhörige machen darin außerdem nervige, langweilige bis demütigende Hörtests — es ist positiv und ironisch gewendet.

Stille

Mute -- Photo by Not quite like Beethoven, all rights reserved

Stille ist nur für Erwachsene, glaube ich. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass ich mir als Kind oder Jugendlicher mal bewußt Stille gewünscht habe oder das einer meiner Freunde so etwas erzählt hätte. Leiser, nicht so laut — ja. Aber Stille, so richtig absolute Stille? Nein. Viel lieber wollte ich überall Musik hören, die mich durchs Leben und meine Gefühle trug. Und in der Musik (oder auch in sogenannten Räumen der Stille) ist Stille ja eher dazu da, wenige Töne und Geräusche zu akzentuieren. Vielleicht braucht es eine gewisse Lebens- und Lärmerfahrung bevor man auf sowas kommt, wie sich absolute Stille zu wünschen? Oder sie schön zu finden?

Ich habe es gerade so in die Volljährigkeit geschafft, bevor Stille etwas wurde, was ich nie erleben werde. Mit 18 habe ich mir einen Tinnitus zugelegt. Als mir also das erste mal jemand erzählte, wie beeindruckend Stille sei, so richtig absolute Stille, „da ist einfach gar nichts!“ (er hatte sie auf einer Reise in die Wüste erlebt), da waren das für mich schon Geschichten. Er fand das toll, geradezu erhebend.  Jaja, sagte ich darum. Klingt interessant. Denn eins ist meine Welt jedenfalls nicht: still und ruhig. Obwohl viele sich die Welt von Schwerhörigen und Ertaubten so vorstellen.

Mui Ne -- Photo by Marfis75 / flickr, some rights reserved

Dabei ist wirklich absolute Stille gar nicht so leicht auszuhalten. Wenn man wirklich gar nichts hört, beginnt wohl jeder Phantomgeräusche zu hören. Sogar recht schnell, innerhalb von Stunden (wie sich bei Versuchen gezeigt hat, zu denen ich gerade keinen Link finde). Meide die Stille! ist ja auch der Standardratschlag für Tinnitusgeplagte. Lieber leise, angenehme Geräusche als Nichtshören. Wenn keiner mit mir will dann mach ich’s mir eben selber — scheinen Gehirn und Hörnerven zu sagen.

Vielleicht ist die Sehnsucht nach Stille so etwas wie Fasten. Man muss erstmal ein Gefühl für Überfressenheit haben um darauf zu kommen, dass es gut sein könnte. Und dann ist es langfristig ungesund, kann sich kurzfristig aber ganz gut, erholsam, sogar reinigend anfühlen. Die richtige Diät und bewußtes Essen wären jedoch deutlich besser.

Stille Welt? Wie sich Schwerhörigkeit anhört

Das hängt natürlich von der Form der Schwerhörigkeit ab. Wenn ich meine erklären soll, dann sage ich meistens:

Ohne Hörgerät: Wie durch eine richtig dicke Wand. Sagen wir, eine Burgmauer. Still ist es dahinter trotzdem nicht, dafür sorgt ein konstant laut pfeifender Tinnitus auf beiden Ohren.

Mit Hörgerät: Wie eine Fremdsprache, die man kaum kann. Nur dass es nicht mit der Zeit besser wird. Weil ich fast ganz taub bin, verstehe ich nur und ab und zu mal ein paar Worte oder einen Satz. Ganz selten, also unter superoptimalen Bedingungen mehr. Manchmal nicht mal das. Und zwar sogar wenn der Sprecher direkt vor mir steht und mit mir spricht. Und zwar obwohl die Hörgeräte die Stimme extrem laut machen.

Gleichzeitig sind durch die Hörgeräte alle Nebengeräusche — eine Klimaanlage, Absatzschuhe, Straßenlärm, Gespräche am Nebentisch oder im gleichen Raum, Musik etc — unglaublich laut und übertonen alles, was ich hören und verstehen will.

Still ist sie also nicht gerade, meine Welt.

Übrigens: Hier kann man sich anhören, wie Schwerhörigkeit klingt (ohne Hörgerät). Leider nur für leichte und moderate Hochtonschwerhörigkeit (gefunden via kelimalia).

UPDATE: Hier gibt es ein Hörbeispiel für meine Schwerhörigkeit.