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Wie hören Menschen mit Cochlea Implantat?

Wie hört man mit einem elektrischen Ohr, mit so einem CI? Ich habe mal ein paar Hörbeispiele gesucht.

Das ist aber eine schwere Frage, denn selbst unter den einzelnen Nutzern sind die Unterschiede groß. Und je nachdem wie lange man schon eins hat. Ich finde — nach ein paar Wochen mit CI — vor allem fühlt es sich anders an als normales, akustisches Hören. Aber dazu ein andernmal. [Nachtrag: Ab jetzt hier zu finden.]

Die folgenden Beispiele sind also nicht wie ein CI-Träger hört. Es sind Versuche der Annäherung. Ich würde vermuten, wenn man jemandem, der nicht hört, normales Hören simulieren würde, es würde ähnlich bizarr aussehen. Die Beispiele vermitteln einen Eindruck, wie seltsam diese Klänge zunächst sind. (Leider habe ich keine deutschen Beispiele gefunden, sie sind alle auf Englisch.)

Hier gibt es Beispiele für Sprache und Musik — in denen die 32- und 16-Kanal-Simulationen, also die direkt nach bzw. vor dem Original meinem Hören mit CI am nächsten kommen. (Klicken auf „Decrease Channels“ spielt zuerst das Original und dann die CI-Simulationen, klicken auf „Increase Channels“ zuletzt das Original. Klick auf „Music 1“ und „Music 2“ spielt beide Male das Original zuletzt.)

Man darf sich allerdings nicht vorstellen, dass sich Hören mit CI dauerhaft so anhört. Die Hörempfindung ändert sich, man gewöhnt sich daran und lernt „lesen“, was einem das Ohr da mitteilt. Die meisten langjährigen CI-Träger sagen, dass sich Sprache später kaum noch anders anhört als „normal“. Manche sogar, dass sie keinen Unterschied mehr wahrnehmen.

In diesem äußerst interessanten Radiobeitrag sind Musikbeispiele enthalten. Da der komplette Beitrag, wie in den USA üblich, transkribiert ist, kann man mitlesen — für mich war das gleich eine Hörübung.

Und um einen Eindruck zu kriegen, wie eigenartig die Welt mit CI in den ersten Wochen ist — mog hat ein wunderbares Beispiel gefunden, aus einer alten britischen Kindersendung. Die „Clangers“ leben auf dem Mond — und das, was ich die ersten paar Wochen mit dem CI gehört hab, kommt ihren Unterhaltungen recht nah. Nicht so sehr im Klang selbst, bei mir war es zB auch nie so hoch. Aber von der Atmosphäre her.  Hört mal ab 1:15 und 2:05 hin!

Und schließlich gibt es hier und hier noch ein paar gute Hörbeispiele!

Philosophie über die Feiertage: Die Welt gesehen — und gehört

Trotz allem: Auch nur ein bißchen Geräusche aus der Umwelt wahrnehmen ist SO fundamental anders als taub oder gehörlos zu sein. Für mich ist es auch fundamental besser — denn wie mog sagt, environmental noises feed the soul — aber das muss für niemand sonst gelten. Ich bin dafür gerade einfach besonders sensibilisiert, weil ich eben aus der Phase der Taubheit komme, das Initiationsritual des elektrischen Hörens im Anschluss an die OP.

Ich kann Euch auch genau sagen, warum es so anders ist: Weil man per Hören ganz unmittelbar in der Welt ist. Man ist einfach — und von überall her um einen herum strömen die Eindrücke auf einen ein, ohne dass man dafür irgendetwas tun müßte. Wie beim Riechen ist man einfach mittendrin, in ihrem Zentrum. Man kann sich gar nicht helfen. Zwei Ohren vorausgesetzt, jedenfalls.

Ganz anders z.B. per Sehen, für mich der wichtigste Ersatz fürs Hören. Sehend tut sich die Welt vor einem auf. Man ist nicht mittendrin, sondern immer an einem ihrer Enden. Das Sehen positioniert einen unweigerlich am Rand. Erst wenn man sich bewegt und den Kopf dreht, kann man — vermittelt — ein Bild der Welt zusammensetzen, in der man ist.

Hört sich an wie 3 Kilo zuviel — Wie Hörgeräte Tragen die Welt verändert

Ich bin ja wirklich ein Veteran, was Hörgeräte angeht — in den letzten fast 30 Jahren habe ich bei unterschiedlichen Graden von Schwerhörigkeit sechs verschiedene Modelle getragen. Und mit jedem war die Welt deutlich anders.

Grundsätzlich ist Hörgerätehören, wie soll ich sagen, zweidimensionaler. Auch mit zweien und auch wenn man Geräusche im Raum gut orten kann. Was ich meine ist, dass von dem was man hört Tiefe fehlt. Wie wenn man auf ein Foto der Welt sieht im Vergleich zu wenn man direkt mit den Augen in die Welt guckt. Und so ist es ja auch: Man hört nicht die Lautquellen selbst, sondern eine Lautquelle am Ohr versucht, die anderen so gut es geht darzustellen.

Fotos haben ja alle möglichen interessanten Effekte: Steht ein Mensch halb vor einem anderen, dann hat man in 3D trotzdem eine Ahnung, dass hinter dem ersten was dahinter ist. Dass es da weitergeht. Auf  einem Foto verdeckt der erste streng genommen nicht den zweiten, an der Stelle wo der erste ist, ist einfach nur der erste. Anderes Beispiel: Weil sie so flach wirken, sehen ohnehin schlanke Models zweidimensional noch aus als hätten sie 3 Kilo zu viel.

Schwerhörig und mit Hörgeräten verdecken sich Geräusche und Klänge gegenseitig in ganz anderem Ausmaß. Das leise Kratzen, Schaben und Schleifen was unsere Bewegungen und die der anderen begleitet, das Geschirrklappern und der Straßenlärm, aber auch die Stimme der Sängerin und die Gitarre, das Klavier und die Violine oder ein eigentlich leises Gespräch am Nebentisch: Sie unterliegen nicht den anderen Geräuschen, sie sind nicht auch da. Sie übertünchen sie. Oder sie vermischen sich, verlieren wie Farben ihr eigenes Leuchten und werden zu Brauntönen.

Sicher, die Elektronik ist immer besser geworden. Und je weniger schwerhörig man ist umso geringer der Effekt, weil man besser gezielt nur das was fehlt ersetzen kann. Aber dennoch muss ich auch mit hochgradiger Schwerhörigkeit und optimal eingestellten Geräten sagen: Wenn ich die Geräte herausnehme, kommt zwar deutlich weniger an bei mir.  Das was ankommt, klingt aber um Lichtjahre besser, mehrdimensionaler und auch mitreißender als die Welt mit Hörgeräten. Denn hören ist ja immer auch mit Gefühlen verbunden.

Wirklich zu doof, dass sich die Welt nicht selbst so verändert, dass sie sich für mich gut anhört — wie die Models, die hungern, nur damit sie auf Fotos gut aussehen.

Morgen berichte ich, warum mich ein Hörgerät, das ich die letzten 4 Wochen getestet habe, zum Weinen gebracht hat…

Der Sicherheitsfallschirm

Verwachsen sind wir noch. Aber sonst? Schwer zu sagen, wann genau die Distanz zwischen mich und meine Ohren kam. Jedenfalls bedeutet Schwerhörigsein auch, sich nicht mehr aufs Hören einzulassen. Bedeutet Abkehr vom Hören und darauf reagieren, weil man sich nicht mehr darauf verlassen kann. Und es auf die harte Tour gelernt hat:

Mehr als dreimal macht man keine vorwitzige Bemerkung, nur um dann festzustellen, dass das Thema im Gespräch schon seit Minuten ein völlig anderes ist. Oder genau das Gleiche eben schon gesagt wurde. Mehr als dreimal fährt man andere Leute nicht an, nur um dann  zu merken, dass sie doch was differenzierteres gesagt haben, als man dachte. Lachen oder auch nur mitfühlend gucken zur falschen Zeit, dito. Klar, jedem passiert das mal. Ich mache das seit Jahrzehnten. Ständig.

Also traue dem was ich höre nicht mehr. Ich liefere mich meinen Höreindrücken nicht mehr vollkommen aus. Ich freue mich nicht mehr spontan über sie oder rege mich auf. Ich nehme sie entgegen und gebe sie erstmal zur Prüfung weiter. Nur umhegt mit vielen anderen Eindrücken und Wahrnehmungen deute ich sie. Ich wahre immer die Distanz zu dem, was ich höre. Oder zu hören glaube. Denn zu mehr reicht es nicht. Bin ich einmal unter Menschen, ist diese Kontrolle mein Sicherheitsfallschirm. Im Tausch gegen etwas Spontaneität und gefühlsgesteuertes Handeln.

Tja. Was für ein linker Deal! Naja, in der Not frißt der Teufel fliegen.

Irgendwo habe ich mal gehört, dass der Hörsinn im Gehirn normalerweise etwas über ein Drittel Gehirnkapazität bekommt. Ich vermute, bei mir ist es wesentlich weniger.

Das ging ins Auge. Im Ohr wär das nichts geworden.

Das muss ein Scherz sein! Iih, wie eklig! Was das funktioniert?! Hmm, schlau! Das nenn ich mal kreativ. Wahnsinn, worauf die alles kommen. Also schön isset ja nich. Oh mein Gott, IM AUGE!

Das waren so ungefähr meine Gedanken als ich dies las und sah: US-Ärzte geben blinder Frau das Augenlicht wieder indem sie ihr einen Zahn ziehen, ihn aufbohren, eine Plastiklinse hineinsetzen, beides zwei bis drei Monate in die Backe oder die Brust implantieren damit es zusammenwächst und schließlich alles in den Augapfel verpflanzen.

Sie kann jetzt schon Gesichter erkennen, Fernsehgucken und mit einer Lupe Zeitung lesen. Und es soll noch besser werden.

the procedure is spreading in Europe and Japan, and, now, in the United States. In Ireland, a worker’s sight was restored after his cornea was destroyed by red-hot liquid aluminum in an explosion at a recycling plant. […] A tooth is used, Perez said, because it provides a stable, living platform of tooth, bone and cartilage that can remain alive, get nutrition from the eye and grow into a single piece with the cornea.

Warum das hier in meinem Blog steht? Weil man daran mal wieder sieht, wie unglaublich weniger kompliziert Sehen und Erkennen im Unterschied zu Hören und Verstehen ist. Es ist schon kein Zufall, dass man eine Brille bekommt und wieder gut sieht — und ein Hörgerät oder Cochlea Implantat und immer noch schwerhörig ist.

Das Hören der Föten — prägt uns, was wir vor der Geburt hören?

Zu schön und zu lang war das Draußensitzen gestern im La Crapule.  Drum hier nur der Hinweis auf einen spannenden  Beitrag beim DLR Kultur — wie ungeborene Kinder hören — und ein paar eigene Gedanken dazu.

Z. B. das Lieblingslied, das Lied was die Eltern vorsingen, die Spieluhr, das erkennt das Baby nach der Geburt wieder.

Ich finde das ein wahnsinnig interessantes Thema. Wenn man davon ausgeht, dass sehr frühe Erfahrungen einen prägen, dann muss man vielleicht auch fragen was vorgeburtliche Höreindrücke auslösen. Ich habe mich z.B. schon mal gefragt, ob und welchen Einfluss es auf mich hatte, dass ich mir vor meiner Geburt anhören konnte, wie Krieg klingt — und sicher auch die Gefühle meiner Mutter dabei mitbekommen und sie mit diesen Geräuschen verknüpft habe.

Aber das ist ja ein extremes Beispiel. Meist werden Mütter ja heute schon verrückt gemacht, was sie alles tun und nicht tun sollen in der Schwangerschaft. Da sollte man ihnen wahrscheinlich nicht noch zumuten, besondere Klanghygiene zu betreiben. Jedenfalls nicht mehr als dass sie es sich gutgehen lassen sollten und — wo immer es geht — angenehme Klangumgebungen unangenehmen vorziehen sollten. Und das macht man doch sowieso. Oder?

[gefunden via deafread]

Die Wahrheit liegt im Tun

It’s good that you don’t hear in words or think only in words. This way you don’t hear only lies. You see by actions what the truth is. And you tell your own truth by action.

Echos Vater zu seiner kleinen, gehörlosen Tochter

Scharf müssen sie sein, die Lippen

Neulich bei Not quite like Beethoven zuhause: Ich am Küchentisch über dem Laptop brütend. Auftritt der Mitbewohnerin, braungebrannt, gutgelaunt und voller Mitteilungsbedürfnis. Zehn Tage Urlaub in Puerto Rico.Foto:  sisk4 / photocase.de

„Ooh, das war soo toll, das mußt Du hören!“

„Moment, warte — ich hol meine Brille.“

Da hat sie aber geguckt. Leider stimmt es. Zumindest um Englisch zu verstehen brauche ich tatsächlich Brille oder Kontaktlinsen. Bin zwar nur bißchen kurzsichtig, sagen wir: Die Welt ist sieht mir leicht impressionistisch aus. Auch schön. Aber für fremdsprachliches an den Lippen Hängen brauche ich absolut scharfe Sicht. Sonst reicht es einfach nicht ganz. Unglaublich, was das bißchen für einen Unterschied macht. Da merke ich auch, wie abhängig ich eigentlich vom Lippenlesen bin.

Waren dann übrigens wirklich nette Geschichten aus Puerto Rico. Will ich auch mal hin…

Stille Welt? Wie sich Schwerhörigkeit anhört

Das hängt natürlich von der Form der Schwerhörigkeit ab. Wenn ich meine erklären soll, dann sage ich meistens:

Ohne Hörgerät: Wie durch eine richtig dicke Wand. Sagen wir, eine Burgmauer. Still ist es dahinter trotzdem nicht, dafür sorgt ein konstant laut pfeifender Tinnitus auf beiden Ohren.

Mit Hörgerät: Wie eine Fremdsprache, die man kaum kann. Nur dass es nicht mit der Zeit besser wird. Weil ich fast ganz taub bin, verstehe ich nur und ab und zu mal ein paar Worte oder einen Satz. Ganz selten, also unter superoptimalen Bedingungen mehr. Manchmal nicht mal das. Und zwar sogar wenn der Sprecher direkt vor mir steht und mit mir spricht. Und zwar obwohl die Hörgeräte die Stimme extrem laut machen.

Gleichzeitig sind durch die Hörgeräte alle Nebengeräusche — eine Klimaanlage, Absatzschuhe, Straßenlärm, Gespräche am Nebentisch oder im gleichen Raum, Musik etc — unglaublich laut und übertonen alles, was ich hören und verstehen will.

Still ist sie also nicht gerade, meine Welt.

Übrigens: Hier kann man sich anhören, wie Schwerhörigkeit klingt (ohne Hörgerät). Leider nur für leichte und moderate Hochtonschwerhörigkeit (gefunden via kelimalia).

UPDATE: Hier gibt es ein Hörbeispiel für meine Schwerhörigkeit.

Ertaubung hört man — oder: Wieso können viele Schwerhörige nicht richtig sprechen?

Ganz einfach: Wer sich selbst nicht richtig hören kann, kann kaum sprechen lernen. Und wer’s mal konnte, kann’s erstaunlich schnell wieder verlernen — sobald die Kontrolle durch das Hören fehlt. Das merke ich manchmal selbst am eigenen Leib. Nicht nur bin ich absolut unfähig zu flüstern, und manchmal rede ich zu laut. Sondern, wenn ich nicht aufpasse, auch schnell mal nuschelig oder lallig. Glücklicherweise geht das oft als Berliner Akzent durch.

Wie irrsinnig schnell das Sprechen leidet, wenn das Gehör weg ist, zeigt das Beispiel des US Radiomoderators Rush Limbaugh (hier ein schönes Portrait). Der macht auf seiner ultrakonservativen Rush Limbaugh Show schon seit Jahren alles Liberale und Demokratische fertig — vor regelmäßig weit über zehn Millionen Zuhörern. Hier neben einem Portrait auch ein paar typische Zitate von ihm und über ihn.

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