Strom ins Ohr: Vom nicht ganz wie früher Hören mit dem Cochlea Implantat

Er konnte wohl einfach nicht widerstehen. Es ist jetzt 200 Jahre her, dass Alessandro Graf von Volta, die gerade von ihm erfundene elektrische Batterie ansah und sich die beiden Elektroden in die Ohren steckte. Er bekam einen Schlag — und nachdem er wieder zu sich kam berichtete er, ein Knallen und etwas wie „das Köcheln dickflüssiger Suppe“ gehört zu haben (siehe z.B. hier und hier). Volta selbst versuchte das nicht mehr allzu oft. Doch andere kamen immer mal wieder auf die Idee, sich und anderen Strom in die Ohren zu leiten — und so entstand schließlich das Cochlea Implantat (CI). Ich habe so ein elektrisches Ohr.

Über die immer noch etwas seltsamen Höreindrücke hab ich ja gerade berichtet. Aber wie fühlt sich das eigentlich an, der Strom im Ohr?

Inwzischen fühlt es sich die meiste Zeit über wie Hören an. Aber dann gibt es immer mal wieder Geräusche, Frequenzen und Phasen, in denen es irgendwie nicht paßt. In denen ich merke: Krass! Es ist wirklich künstlich Strom angelegt, und das reizt den Nerv. Vieles davon paßt. Ich höre was, wenn auch mitunter Komisches. Anderes aber — nun ja. Nur ganz langsam lerne ich, dieses andere Reizgefühl als Wahrnehmung von Tönen, als Hören zu deuten. Gehirn, Gehirn, mein lieber Mann. Da wird kein Hörvermögen „zurückgegeben“. Das ist was ganz anderes, was da auf die Überreste von dem, was da verschwunden ist, projiziert werden soll. Nur das unterliegende Wirkprinzip ist gleich.

Manchmal ist da (noch) kein Hören, aber ich merke, dass da was ist. Um mal einen Vergleich zu machen: Es ist als gäbe ich Dir Ohrenstöpsel und legte Dir den Finger an die Schläfe. Und als drückte und wippte ich, je nachdem, was ich höre, sanft und morsemäßig mit dem Finger an Deiner Schläfe herum. In Wochen und Monaten lerntest Du, das als  „Hören“ zu interpretieren. Nur es ist nicht ganz so seltsam, weil das Drücken und Wippen genau da stattfindet, wo bzw. womit eh gehört wird.

Aber ich merke, dass es eine Umleitung ist. Das Hören findet fast, aber nicht ganz am richtigen Ort statt. Ich merke, dass der Schall nicht ins Ohr geht, sondern Ohrmuschel und Mittelohr umrundet. Darum hört es sich teilweise auch so bißchen an wie ein kleiner Geräuschemacher, ein Lautsprecher im Ohr. In Wirklichkeit findet schon am richtigen Ort statt. Aber weil ein Teil, der sonst immer mitschwang, nicht mehr schwingt, weil durchs Ohr nichts mehr ankommt, mit dem es schwingen könnte, hört es sich versetzt an. Und ein bißchen auf ähnliche Weise zu glatt, wie die ersten CDs nach Jahren des Vinyls: Man denkt, da fehlt etwas!

Was aber cool ist: Ich kann ganz gelangweilt essen, gähnen und kaugummikauen, ohne dass dies mein Hören beeinträchtigt!  Ich kann mir sogar den Finger ins Ohr stecken und es ändert gar nichts: Ich höre trotzdem.

17 Antworten zu “Strom ins Ohr: Vom nicht ganz wie früher Hören mit dem Cochlea Implantat

  1. Was mich mal interessieren würde:
    Tut das eigentlich weh?
    Ich hab ja mal Stromschläge bekommen, als der Neurologe die Nervenleitgeschwindigkeit in meinen Fingern messen wollte – mit dem Ergebnis „Karpaltunnelsyndrom“. Ich fand das sehr unangenehm und dachte, und sowas im Kopf? Wie mag sich das erst anfühlen?

    Ich hab auch mal eine Sendung über eine frisch implantierte CI-Trägerin gesehen und bei den ersten Malen, bei denen das CI eingeschaltet wurde, ist die richtig zusammengezuckt….

  2. Faszinierend, aber eben auch unheimlich. Ist das Ohr an sich nun überflüssig geworden – in gewisser Weise? Nein, es muss ja den Sprachprozessor halten. 🙂 Dennoch hat das Ohr für CI-Träger in letzter Konsequenz etwas von einem Atavismus bekommen? Aber ehrlich gesagt, auch schon mit Hörgeräten finde ich es immer wieder irritierend, dass die Ohröffnung als Sprachrohr ausfiel und ich den Telefonhörer ans Hörgerät lege (nein, eher presse 🙂 ) und nicht an die Ohrmuschel.

  3. Regenbogen, nein. Das fühlt man (oder ich zumindest) aber es tut nicht weh. Bevor die Stimulation tatsächlich weh tun könnte wird abgeregelt. Das wird bei den Einstellungen so eingestellt. Das heißt genau einmal muß man es so laut/stark werden lassen, dass es wehtut.

    Was allerdings (natürlich) passieren kann ist, dass es Komplikationen gibt. Dann kann was wehtun (oder bei manchen auch was im Gesicht zu zucken beginnen). Und manchmal muss dann eine oder mehrere Elektroden abgeschaltet werden. Ich weiß nicht, wie häufig sowas vorkommt.

    jueb, Du hast recht, das beginnt schon mit den Hörgeräten. Aber solange man noch bißchen was über die Luftleitung wahrnimmt, ist das Ohr sowieso nicht obsolet.

  4. „“Ich kann ganz gelangweilt essen, gähnen und kaugummikauen, ohne dass dies mein Hören beeinträchtigt!““

    Ja klasse! Und wenn Du jetzt noch gebärden lernst, könntest Du sogar mit vollem Mund sprechen! 🙂

  5. [Nachtrag: Bitte entschuldigt die Alkohol- und Rauchverherrlichung, aber:] Ich glaube es gibt tatsächlich wenig cooleres, als gelangweilt an der Bar zu lehnen, in der Hand das Bier, im Mund unbewegt die Fluppe — und lässig mit einer Hand zu gebärden.

  6. Tststs…..
    Bier und Fluppe im Mund wie Peggy Bundy?
    Es gibt entschieden nur wenig UNcooleres!!!!

    :-))))

  7. Da müsste aber eigentlich schon noch was schwingen im Ohr, auch mit CI. Zumindest gefühlsmässig – nicht hörbar. Denn die Schallwellen geraten ja wie gehabt an dein Trommelfell und auch die ganze Mittelohr-Choose swingt noch mit. Nur kommen die eben nicht mehr auf die Bühne, sondern die machen backstage rum, wenn sie nicht ganz kaputt sind bei dir. Sind sie doch nicht, oder?

    Manche CI-Leute haben ja noch *angeblich* körpereigene Hörreste auf dem implantierten Ohr. Da fällt mir ein: Als ich noch alleinige Herrin meiner Sinne war, aber mehrere Hörstürze bekam, konnte ich Hörentatsächlich fühlen. Meint: Es war angenehm im Ohr, wenn ich gute Hörtage hatte und es fühlte sich ekelig hart an im Ohr, wenn nix durch kam. Das hatte nichts mit dem zu tun, WAS zu hören war. Es ist eher spürbar gewesen, wie nett der Körper das findet, wenn die ganze Leitung bis zur Zentrale einfach gut funktioniert.

    Mit CI fühle ich weder gut noch schlecht.

  8. Eines der häufigsten Missverständnisse beim CI ist, dass die Leute meinen, weil man mit „Strom“ höre, höre man ganz anders, denn das muss ja ganz anders sein, so mit Strom zu hören.
    Dabei funktioniert der Mensch – einschliesslich hörende Menschen 😉 – einmal grundsätzlich mit Strom. Das ist durchaus kein Witz. Unsere Nerven, unser Gehirn, alles arbeitet mit Aktionspotentialen, also mit einer elektrischen Spannung, die biochemisch erzeugt ist – aber letztlich ist es auch Strom. Diesen Strom kann auch gemessen werden und wird in vielen diagnostischen und einigen therapeutischen Verfahren genutzt.
    Der Strom selbst hat also zunächst keinen Einfluss auf das Hören mit dem CI. Viel bedeutender dagegen ist, dass man als CI-Träger eine massiv geringere Auflösung hat als der normalhörende Mensch. Beim Implantat einer bestimmten Marke zum Beispiel hat man lediglich 22 Elektroden, während der normalhörende Mensch ca. 100’000 Hörsinneszellen hat, die, vereinfacht gesagt, von der Funktionalität her mit Elektroden gleichzusetzen sind.

  9. Pia, auf normalem, luftleitendem Wege höre ich auch noch ein ganz bißchen. Aber ich kann ganz gut unterscheiden was auf welche Weise ankommt (einfach deswegen, weil „natürlich“ nur sehr tiefes und lautes ankommt). Aber das mit dem „weder gut noch schlecht“ trifft es wohl ganz gut, ein großer Teil des Hörapparats wird ja umgangen. Viele CI-Träger hören ja auch nicht schlechter wenn sie erkältet sind (komischerweise aber nicht alle).

    eyeIT, ja, danke für die explizite Klarstellung. Das ist so wie manche Leute denken, nur genmanipulierte Tomaten hätten Gene (weil die da reingemacht worden sind). Ich hatte deswegen oben von „künstlich angelegtem“ Strom gesprochen, das mag vielleicht zu Mißverständnissen führen. Strom ist beides, nur wo, wie und welcher ist unterschiedlich. Beim „normalen“ Hören ist nur das letzte Stück elektrisch, beim CI alles.

  10. Pia, nicht nur angeblich haben manche Leute noch Hörreste. Manche wurden extra schonend operiert, damit die noch verhältnismäßig guten Hörreste auch wirklich erhalten bleiben. Bei anderen ist das Restgehör trotz normaler OP-Methode erhalten geblieben, auch wenn das vermutlich eher selten der Fall ist.

    Ich merke übrigens keinen großen Unterschied zwischen CI-Hören und Resthören. Klar, bei sehr hohen Tönen weiß ich, wie sie übermittelt wurden. Aber manchmal nehme ich noch den Sprachprozessor ab, nur um zu testen, ob ich den Ton ohne auch gehört hätte.

    Gespürt habe ich das Hören nur teilweise während der Anpassungen, wenn der Ton sehr hoch und neu war und ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich etwas gehört hatte. In diesen Fällen war ein Reiz da, aber der Ton blieb blass.

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  13. Smiley1395

    äh ich hab da ne frage und zwar: du hast bei deinen Hörbeispeilen von verscheiden Kanalstimulationen gesprochen und ich verstehe nicht ganz was es mit 4, 8, 16, 32 auf sich hat, denn bei 4 versteht man gar nichts aber an was liegt das? was genau ist mit Channel gemeint?

  14. Es ist der Versuch, hörbar zu machen, wie man wohl ein bis zwei Handvoll Elektroden im Ohr (12 bis 22, je nach Hersteller) hört. Du musst Dir das grob gesagt so vorstellen, dass alles nur aus soviel Tonhöhen zusammengesetzt ist wie man Elektroden=“Kanäle hat“. Aus diesen soundsoviel Tonhöhen wird dann der vom Mikrophon aufgenommene Originalton zusammengesetzt. D.h. in dem Beispiel mit vier hörst Du anstatt aus einer fast kontinuierlichen Bandbreite von Tonhöhen nur 4. So ähnlich wie ein Bild, das nur aus vier Farben anstatt z.B. 356 besteht. Hilft die Beschreibung?

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