Der Schein ist Dein Freund

Du bist beim Bäcker. Zweimal hast Du schon nachgefragt und noch immer hast Du nicht verstanden, was Deine zwei Nougatcroissants, vier Schrippen, drei Stück Bauernkäsekuchen und das Landsknechtbrot für das Sonntagsfrühstück kosten sollen. Die Bäckersfrau schaut Dich an — und Du zögerst, ein drittes Mal nachzufragen. Irgendetwas hat die Zahl drei an sich, dass es ab da richtig peinlich wird.

Verflixt, denkst Du, warum hast Du auch wieder bestellt ohne alles mitzurechnen? Die Antwort kennst Du: Weil es früh am morgen und Sonntag ist. Mittlerweile schauen auch die Leute hinter Dir in der Schlange. Selber zusammenrechnen geht so schnell auch nicht. Wo sind überhaupt die Preisschilder?!

Also schiebst Du einfach einen Schein rüber, und zwar einen möglichst großen. Noch peinlicher als ein drittes Mal nachzufragen ist nämlich: Zweimal nach dem Preis zu fragen, dann zu nicken, ’nen Fünfer oder Zehner rüberzuschieben — und der genannte Preis lag doch drüber.

Aber Achtung: Zu groß darf der Schein darf auch nicht sein, ein 50-Euro-Billet auf zwei Schrippen etwa. Bei soviel Wechselgeld hört der Berliner Bäckersfrau der Spaß auf. Du willst ja nicht jeden Morgen den Bäcker wechseln müssen. Und weil Dir das Ganze überall passiert wo die Rechnung nicht erst rübergereicht, der Betrag nicht sichtbar angezeigt wird — darum, lieber Schwerhöriger, hast Du auch so ein dickes Portemonnaie. Vor Wechselgeld.

16 Antworten zu “Der Schein ist Dein Freund

  1. Regenbogen

    Tja, das mit den Fuffis kennt man hier in der Passage bei Backbord auch – nicht daß die unfreundlich würden, sind die nie, haben ja auch keine Berliner Schnauze, sondern ein Ruhri-Herz (huch, ich glaube, ich bin doch ein bißchen eitel ggg).
    Aber so direkt nach Öffnen, um Punkt 8, können die tatsächlich für ein paar Brötchen keinen Fünfziger wechseln, später am Tag tun sie´s ohne Meckern.

    Sachma, habt Ihr in der Bäckerei keinen Display an der Kasse, wo man die Summe mitlesen kann?
    Zumindest bei Backbord haben sie den; ich kann mitlesen, ob sie die richtigen Preise eintippen und auch das Endergebnis.

  2. Berlinessa_in_NY

    Dazu muss man gar nicht notgedrungen schwerhörig sein. Ich praktiziere die Große-Schein-Methode seit langem in Ländern, wo ich die Sprache nicht spreche. Oder in der Bodega an der Ecke, wo Spanisch gesprochen wird und ich doch nur bis 4 flüssig zähle. 🙂

  3. Hihi, schöne Beschreibung. Ich praktiziere diese Methode auch als Hörende – eigentlich immer, wenn ich morgens mal vor 9 Uhr einkaufen gehe(n muss) und zwischen Sachen-aufs-Band-legen und der zweiten, nachdrücklicheren Preisansage kurz einnicke.

    Großes Plus: Man hat immer das nötige Kleingeld für Bus, Bibliotheksschrank, etc. und kann damit sogar noch nette Mitmenschen versorgen, die ratlose vor dem Bus oder dem Schrank stehen!

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  5. Oh, Regenbogen, denke nie, dass die Berliner Schnauze kein Herz hätte — ganz im Gegenteil, eher zuviel. Nein, ablesen kann man (hier und anderswo) nicht, weil die Kasse dafür ungünstig steht.

    Berlinessa, schon wieder was, das wir gemeinsam haben. 🙂

    Judith, aHA! Du hast also auch das Gefühl, dass das dritte Mal was besonderes ist. Das ganze Wechselgeld zum nette Leute beglücken nehmen ist ne nette Idee. Das mach ich ab jetzt auch so!

  6. Regenbogen

    Das meinte ich auch nicht, daß Berliner Schnauzen kein Herz hätten – sie zeigen es nur nicht. ;-p
    Nee, nicht ganz ernst gemeint. Ihr habt Euer Herz halt nur auf der Zunge. 😀

  7. Eben. Nur diese ganzen Zugereisten sind so empfindlich, die wissen mit Direktheit und guten Ratschlägen nichts anzufangen!

  8. Ja Berlinessa, auch meine Methode im Ausland oder wenn die Verkäufer besonders gereizt wirken und ich grade nicht aufmerksam war.

    Und da ich vor kurem selbst bei einer Bäckerei als Aushilfe verkauft habe, stimme ich mit den 50€ auch vollkommen zu! Riesen Frechheit sowas 😀 Aber wenn Filialleiter sich nicht um reichlich Wechselgeld kümmern können, müssen die Kunden die verdrehten Augen einstecken. Hab ich natürlich nie gemacht.;-)

  9. Constantin

    Vielen Dank für einen mal wieder sehr interessanten Einblick!
    Es macht nach wie vor immer wieder Spaß, Deinen Blog zu lesen und als Hörender auf Dinge gelenkt zu werden, über die man sich sonst gar keine Gedanken macht!
    Constantin

  10. Pia Butzky

    Du, Zastertaschen-Beethoven, das habe ich auch eine Weile so gemacht. Aber mit der Zeit (dem CI) habe ich immer besser gehört und traue mich jetzt, mehr nachzufragen.

    Ich sage beim dritten Mal: „Bitte nochmal ganz langsam, ich höre schlecht.“ und bekomme als Reaktion: „Ach so, kein Problem.“ (Niedlich, gelle?)
    „Doch, das ist ein Problem, aber das können Sie nicht wissen.“ Und dann zahle ich lächelnd die 2,38 eur.

    Im härtesten Stadtteil Berlins, wo im täglichen Umgang grob geschnautzt und gekläfft wird, habe ich als „sich outende“ Schwerhörige übrigens die nettesten und sensibelsten Reaktionen erlebt. Von Menschen, denen man das nicht zutrauen würde. By the way: Einige davon waren Ausländer.

  11. diegegendiezeitgeht

    Wahrscheinlich liegts gar nicht am Herz auf der Zunge sondern mehr an der Hektik (ein antreibendes „Nich kieken, kofen!“ oder „Na Mädche, ham was?“) – und auf Druck versteh ich weder den Dialekt noch komm ich mit dem Kleingeld hinterher.

    Und ich dachte schon die machen das Spielchen nur mit Touris.

    Isch zahl übrischns gern mit Katt. Geht halt nur beim Bäcker nich…

  12. Warum, Herr notquitelikebeethoven, sagen Sie der Frau nicht: „Ich bin schwerhörig. Könnten Sie den Preis auf einen Zettel schreiben, bitte?“ Tut man das in Berlin nicht? Oder war die Schlange zu lang? (Da würde ich selbst in der Schweiz mit sowas zögern). Oder hat es mit Stolz zu tun? Ich habe den Leuten oft gesagt, ich sei schwerhörig während meiner tauben Zeit. Die meisten sagen dann: „Ach, das macht nichts.“ Als wär es etwas, wofür man sich eben entschuldigt hat. Aber meistens war die Kommunikation nachher einfacher.

  13. Wirklich sehr sehr schön geschrieben. 🙂
    Aber ich finde es auch immer besser, wenn der Preis irgendwo zu lesen ist. Ansonsten steh ich plötzlich da, grübelnd in mein Portmonnaie schauend: „War’n es jetzt 4,38 oder 4,83??“ Und im Ausland kenn ich das Problem natürlich auch. Da reicht ja schon Englisch… „sixteen“ und „sixty“ klingen (manchmal) einfach zu ähnlich. Tja, und dann rundet man halt lieber mal auf und nimmt noch mehr Kleingeld zurück. 😉

  14. Ich kann nur einmal empfehlen, in den Bayerischen Wald zu fahren. Da kann man die schönsten Fledermausohren haben, nach dem dritten Mal nachfragen wegen mangelnder Sprachkompetenz lächelt man einfach nur noch nett und freundlich und fragt nicht noch einmal. Geht natürlich als Blondine besonders gut. Wird man ohnehin für leicht doof gehalten und die Herren freuen sich narrisch über ein Lächeln …

  15. ja also das gehört eindeutig zu „verdammt ich fühl mich ertappt“ Kopfrechnen war außerdem noch nie meine Stärke… ich sammel dann eben immer fleissig mein Kleingeld 🙂 Und wenn ich mal wieder dran bin mit dem Zahlen mach ich das eben so, dass ich meinem Freund meinen Geldbeutel zusteck und sag „Schatz lad dich mal ein“ 😉 Meine Freundin machts dann auch immer mal ganz schlau.. sie krümelt dann tonnenweise mein Kleingeld zusammen un zahlt damit… *hehe*

    Aber wir Frauen haben da vllt etwas ein Bonus.. wir haben ja immerhin Handtaschen und müssen unseren Geldbeutel nicht in die Hosentasche pressen (die wären jetz bei mir entweder bereits gerissen oder toootal ausgebeult *wuääh*) Außerdem eignet sich so eine Handtasche als prima Selbstverteidgung.. bei dem ganzen Kleingeld grabscht man dich nur einmal an… dann kommt an ganz lautes *PLOING* und derjenige ist bewusstlos *chacka* (nicht dass ich das schon ausprobiert hätte *hehe*) aber ich frage mich grade wie das dann wohl mit CI klingt *grins*… also das *PLOING*.. mhmm 😀 😀 😀

  16. Oh, hi Ervehea, willkommen! Das ist ja schön, gleich auch die „Gegenseite“ hier zu lesen. 🙂

    Constantin, bitteschön. Freut mich, dass es Dir hier immer noch gefällt!

    Pia, Zastertasche! So hat mich ja noch nie jemand genannt. 😉 Dass die Leute in den angeblich „härtesten“ Bezirken sich als besonders herzlich herausstellen, hab ich auch schon oft erlebt. Und bin ja mal gespannt, ob mit dem CI jetzt auch meine Taschen leerer werden 😮

    diegegendiezeitgeht, auch schön, dass Du hier mitliest. Stimmt, ich hatte mal einen Freund aus Tübingen da, der war nach Tagen noch ganz verstört von der geschwindigkeit mit dem ihm beim Bäcker Entscheidungen abverlangt wurden 🙂 Na, als Schwerhöriger fühlt man sich ja des öfteren wie im fremdsprachlichen Ausland…

    Wissen Sie, frau frogg, manchmal bin ich einfach zu müde um noch was zu sagen, dann ist die Schein-Methode einfach schneller.

    Eule, dankeschön. Genauso ist es.

    Coala, an der Sache mit der Blondine üb ich noch. Man hat mir aber auch dafür schon Komplimente gebracht. 😉

    Nanelie, hehehe, „Schatz, lad Dich mal ein“ ist ja auch ein eleganter Ausweg. Danke für den Kommentar. Hoffe aber, Du siehst es mir nach, dass ich wegen des PLOING keine Horch-Experimente starte 😉

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