Zufrieden mit dem elektrischen Hören? Über das Leben mit dem Cochlea Implantat

Es herrschte lange Schweigen, hier im Blog, unterbrochen nur von kleinen Lebenszeichen. Und so traurig ich das finde: Es ist in sich ein gutes Zeichen. Es heißt nämlich, dass bei mir hörmäßig alles ziemlich gut läuft. Die Folge: Andere Themen und Probleme drängen sich in den Vordergrund, die Aufmerksamkeit wendet sich ab. Ganz genau wie der Herr Burke schon sagte.

Also genau der richtige Zeitpunkt, um in Sachen elektrisches Ohr ein Resümee zu ziehen. Ich wurde in den letzten Wochen ziemlich häufig gefragt, wie mein Fazit zum Cochlea Implantat (CI) heute sei. „Würdest Du die Entscheidung, genauso noch einmal treffen? Ärgerst Du Dich mit dem Wissen von heute, es erst einmal herausgezögert zu haben? Und wie ist Dein Hörempfinden heute?“ Darauf will ich kurz antworten…

Anderthalb Jahre höre ich nun bimodal, d.h. mit einem CI und einem Hörgerät. Um es kurz zu machen: Ja, ich würde mich auch mit dem Wissen von heute wieder für ein CI entscheiden. Und ja sicher, hörverstehensmäßig geht heute so vieles so viel leichter — da gibt es durchaus ein paar Situationen, in denen ich gerne bereits eins gehabt hätte. Mir wären ein paar Peinlichkeiten erspart geblieben. Ich hätte aus einigem mehr rausholen können, manche Dinge wären vielleicht anders gelaufen. Trotzdem ärgere ich mich nicht, dass ich gezögert habe. Das hatte schon seine Gründe (zusammengefaßt nachzulesen hier, hier und hier). Eine Entscheidung wie die, sich einen Hör-Computer implantieren, eine Elektrode ins Ohr schieben zu lassen und fortan und immerdar damit zu leben, die trifft man nicht einfach leichtfertig. Oder besser: Sollte man nicht. Denn falls es wider Erwarten doch Komplikationen gibt oder man nicht so gut hört wie erhofft, muss man die Entscheidung vor sich selbst und vor anderen rechtfertigen können. Man muss mit sich selbst im Reinen sein. Man muss es wagen wollen.

Ich habe mich die ersten drei Monate ziemlich intensiv mit dem CI befaßt — soll heißen: Ich habe aufgepaßt, wie es sich anhört und habe täglich das Hören geübt (jedenfalls wenn man mein tägliches TV-Serien-mit-Untertitel-Gucken tatsächlich als Üben und nicht als Vergnügen bezeichnen will). Dann aber hatte ich keine Lust mehr. Nach drei Nachjustierungen der Einstellungen hörte sich auch alles leider nicht mehr so schräg an. Seither habe ich das CI im Grunde nicht mehr beachtet. Ich habe das elektrische Ohr morgens angeworfen und abends auf den Nachttisch geschmissen. Dazwischen hat es funktioniert — und das hat es gut gemacht.
(Ach ja, und Batterien habe ich gewechselt. Viele.)

Wo liegen heute meine Grenzen? Mit der Hör-Prothese bin ich weiterhin schwerhörig — irgendwo zwischen leicht- und mittelgradig. Das wußte ich aber auch vorher. Probleme gibt es jetzt wie vor der OP auf den gleichen, allen Schwerhörigen vertrauten Feldern: Beim Mitkommen in der Gruppe, beim Verstehen im Störschall, am Telefon, auf Entfernung. Und bei der Musik.  Nur sind die Schwellen, ab denen es schwierig und etwas später unmöglich wird, auf allen Feldern deutlich verschoben. Und ich meine damit: deutlich. Außerdem ist, was möglich ist, sehr viel leichter möglich, d.h. es ist alles nicht so anstrengend. Die Folge: Ich habe mehr Kraft für die schwierigen Situationen und kann diese darum deutlich besser meistern.

Insgesamt sage ich darum: Ein voller Erfolg!

In der nächsten Zeit werde ich nochmal auf einige Themen einzeln eingehen:

Ein paar Vorab-Resümees gibt es bereits hier:
Teil 1: Einmal Blackout und zurück
Teil 2: Aus den Augen, noch im Sinn
Teil 3: Das Karussell
Teil 4: Niemanden bitten müssen

40 Antworten zu “Zufrieden mit dem elektrischen Hören? Über das Leben mit dem Cochlea Implantat

  1. Was mich noch interessieren würde:
    Wie gehts dir damit, derzeit zwei so unterschiedliche Systeme zu tragen? Nimmst du den Unterschied ganz bewusst wahr oder hat sich deine Wahrnehmung durch das Üben so verändert, dass du im Prinzip einen „stimmigen“ Gesamteindruck hast?
    Ich frage deswegen, weil ich bei meinen Kunden (allerdings nur Hörgeräte-, keine CI-Träger) die unterschiedlichsten Erfahrungen mache: manche hören jede Kleinigkeit, andere nehmen nichtmal wahr, dass auf einer Seite die Batterie aufgegeben hat. Ein Extrembeispiel: ich hatte einen Kunden, bei dem die Audiometrie rechts eine leichtgrade Hochtonschwerhörigkeit, auf der anderen Seite eine breitbandige, hochgradige Schwerhörigkeit. Er gab aber beim Vorgespräch an, dass beide Ohren gleich gut wären und war ehrlich überrascht als ich ihm das Ergebnis präsentierte…
    Und je nachdem, wie da dein Urteil ausfällt: spielst du mit dem Gedanken, dir ein zweites CI machen zu lassen?

  2. Bimodal ist klasse. Ich weiß, dass nicht alle gut mit den unterschiedlichen Höreindrücken zurecht kommen (und ja, ich nehme sie als SEHR unterschiedlich wahr) aber bei mir greift das super ineinander und ergänzt sich gegenseitig. Das musste ich auch nicht üben, das Gehirn hat das von selbst gemacht. Nur wenn die Schallquelle deutlich links oder rechts ist, ich also einohrig höre, „paßt“ es manchmal nicht. Z.B. Sprache in das HG-Ohr gesprochen ist so gut wie nicht zu verstehen.
    Insofern: Gegenwärtig kein Gedanke an ein zweites CI. Einfach kein Bedarf.

  3. Pia Butzky

    Mal eine ganz belanglose Frage: Tragekomfort.
    Kommst du damit zurecht, das schwere Ding immer auf dem Ohr hängen zu haben? Druckgefühle? Pannen beim Umziehen oder beim Schwimmen oder beim Sport? Du bist ja schon Hörgeräte gewohnt, auf die man ebenso achtgeben muss. Aber gibt es im Alltag Verbesserungen, die du dir für das CI wünscht?

    Meine Wunschliste:
    – Puschel-Mikro gegen Windgeräusche
    – Besserer Schutz vor Feuchtigkeit (toll wäre ja ein CI, mit dem man schwimmen kann, aber tonlos im Badesee ist auch nett – fast wie Meditieren)
    – Geringeres Gewicht bzw. weniger Batterien
    – Längeres Wechselkabel, damit man den Prozessor auch mal an der Kleidung befestigen kann, z.B. für Sport-Gymnastik oder körperliche Arbeit, wobei der Kopf in die Waagerechte oder „kopfüber“ geht. Dann rutscht der Prozessor leider sofort vom Ohr.

    Wenn man bedenkt, dass das Ding täglich rund 18 Stunden an 365 Tagen im Jahr getragen wird, dann fällt es doch ins Gewicht (im wahrsten Sinne des Wortes), wenn der Tragekomfort Mängel hat, oder?

  4. He write silent.

    Schon mal was von ATOH1-Gen gehört?

  5. Pia, Tragekomfort ist deutlich besser als bei einem Hörgerät (nichtoffene Versorgung), denn: Kein Ohrstück! Allein dafür lohnt es sich schon fast, von HG auf CI umzusteigen. Das geringfügig höhere Gewicht und das leichtere Abfliegen find ich da wirklich problemlos zu verschmerzen.
    Kleiner u leichter wäre natürlich besser und auch Deiner Wunschliste schließ mich mich an. Mein Ideal wäre: Minimikro im Ohrkanal, der Rest in der Spule (die trotzdem nicht größer sein soll als jetzt), drahtlose Verbindung.

    He write silent: Ja, das ist das was anscheinend u.a. was am Wachstum der Haarzellen im Innenohr regelt. Warum?

  6. Pia Butzky

    Ach ja, stimmt: Freier Gehörgang ist natürlich ein großer Vorteil. Mini-Mikro im Ohrkanal wäre da wieder nachteilig. Aber wenn man nicht mehr so darauf achten müsste, den Kopf gerade zu halten, wäre das schon erleichternd. Und kein Zwicken und Zwacken mehr vom schweren Prozessor. Das scheint aber auch je nach Ohrform und Fabrikat sehr unterschiedlich zu sein.

    Zum ATOH1-Gen:
    Schön, dass noch geforscht wird. Ich befürchtete schon, seit es das CI gibt, werden andere Heilungsmethoden gar nicht mehr entwickelt, damit der Absatzmarkt der Prothesen nicht sinkt (macht ja die Mengenherstellung billiger, also das CI noch attraktiver). Es wäre für die Zukunft natürlich gut, wenn man das Innenohr wieder rekonstruieren könnte ganz ohne technisches Inlay. Aber nicht alle Hörausfälle wären so zu beheben, für die das CI eine Überbrückung darstellt.

  7. Mich interessiert die Frage, was du über den Einfluss von Heilungsmethoden wie das CI auf die Kultur der tauben Menschen und auf Gebärdensprachen denkst.

  8. @Pia: Was ich bei der Voruntersuchung neulich in Hannover sehr interessant fand: Hast Du einen Hörschaden, gibt es sofort das passende Implantat. Ich hatte irgendwie das Gefühl, als ob die Standardantwort auf alle Hörprobleme ein passendes Implantat sein soll und fand das schon sehr verstörend. Wobei das natürlich auch die neusten/aktuellen Forschungsergebnisse aus deren Alltag waren, so dass ich mal davon ausgehe, dass es in der Praxis nicht ganz so extrem ist, wie es erschien 😉

    @Benedikt: Kann dir dazu meine Meinung als kürzlich ertaubter sagen: Ich bin gehörlos, kulturell aber hörend. Das bedeutet konkret, dass mein kompletter Familien-/Freundes- und Arbeitskreis hörend ist und ich der einzige Gehörlose weit und breit bin. Zur Gehörlosenkultur habe ich somit keine Anknüpfungspunkte. Selbst Gebärdensprache kommt für mich nicht wirklich in Frage, da ich ja die deutsche Lautsprache als Muttersprache habe und mich nach wie vor damit ausdrücken kann. Es fehlt somit nur der „Empfangskanal“ – die Senderichtung labert nach wie vor alle Menschen voll ;). Was für mich in Frage käme, wäre – neben dem CI, dass hoffentlich nächsten Monat implantiert wird – noch die lautsprachbegleitende bzw. lautsprachunterstützenden Gebärden, bei denen im Prinzip nur die Gebärden verwendet werden, die Grammatik aber aus der deutschen Lautsprache kommt (das ist dann für die Fälle wichtig, bei denen Lippenablesen nur unzureichend klappt).

    @NQLB: Danke für den Blogbeitrag. Interessant finde ich deine Charakterisierung, dass Du jetzt irgendwo zwischen Leicht- und Mittelgradig Schwerhörig bist. Entspricht das dem Niveau mit oder ohne Hörgerät? Wenn dies mit Hörgeräteversorgung wäre, würde dieses bei mir bedeuten, dass ich mit CI besser als vorher hören könnte, was ich nur sehr schwer glauben kann. Auch in Hannover wurde mir in Gesprächen gesagt, dass meine Ziele mit CI (ungefähr gleiches Hören wie vor dem letzten Hörverlust) durchaus realistisch seien und dies wäre dann hochgradige Schwerhörigkeit.

  9. Pia, wenn wir schon beim Wünschen sind: Ich meine natürlich klitzeklein. Forschen tun die schon, schon allein wegen des Prestiges. U.a. übrigens auch die „CI“-Leute. Die Sache mit ATOH1 ist auch nicht neu. Nur: Gut gemachte Studien dauern halt. Und wie Du ja auch schon andeutest, so einfach wird es nicht.

    Bengie, ich würde erstmal das CI nicht als „Heilungsmethode“ bezeichnen, denn es ist keine Heilung. Zum Einfluss des CI auf die Kultur der tauben Menschen und auf Gebärdensprachen: Ähnlich wie Lars lebe ich beides nicht, ich bin ein Hörender. Darum ist meiner darauf ein Blick von außen. Ich denke, dass es CIs gibt, hat natürlich Rieseneinfluss, allerdings einen sehr unbestimmten. Was aber genau draus wird bestimmt die Gesellschaft gerade erst (NACHTRAG: Es gibt ja durchaus gegenläufige Trends und Zweisprachigkeit scheint einer davon zu sein). Das ist jetzt superabstrakt gesagt und befriedigt Dich sicher nicht, aber so war ja auch Deine Frage. Vielleicht kannst Du sie genauer stellen? Dann kann ich vielleicht auch besser antworten…

    Lars, stimmt, inzwischen steht für so ungefähr jede Form des Hörverlusts eine Implantatart zur Verfügung. Und die MH Hannover als Forschungsinstitution ist da ganz vorn dabei. Wenn Du da hingehst, ist halt wie wenn Du in die Konditorei gehst statt in den Supermarkt, wo es zum Thema Hunger stillen viel mehr Verschiedenes gibt. Und man kann ja auch gar nicht in Läden gehen, sondern selbst Pilze suchen.
    Ansonsten: Das ist mit bimodaler Versorgung gemeint, also mit eingeschaltetem CI und eingeschaltetem HG. Und ja, ich höre so deutlich besser als vor der OP mit zwei HG. „Mittel- bis leichtgradig“ paßt von der audiometrischen Definition her einigermaßen. In der täglichen Praxis aber umfaßt das ja ziemlich viel und sehr unterschiedliches. Ich würde daher, beim Formulieren von Erwartungen oder beim Vergleichen mit mir, lieber auf die konkreten Beschreibungen von Situationen und Hörerleben achten als auf so allgemeine audiometrisch/medizinische Bezeichnungen. „Ungefähr gleiches Hören wie“ (oder meinetwegen „etwas besser als“) ist ja auch eine schrecklich allgemeine Bezeichnung. Man kann genauso gut sagen das treffe zu wie das sei hanebüchener Unsinn! Wenn man sich mal anschaut was sich da qualitativ alles verbirgt hinter der qualitativ daherkommenden Beschreibung.

  10. He write silent.

    @nqlb: Richtig! Was die Zufriedenheit mit CI und bimodale Höreindrücke betrifft, habe ich gleich an Atoh1-Gen gedacht.

    @Pia Butzky: Das Problem ist, warum CI heute noch „attraktiv“ ist, weil die Finanzinvestoren der Cochlear Ltd. mit Sitz in Australien dieses Lizenz aufgekauft haben und schweigen darüber. Stell dir vor, wenn dieses Patent (Atoh1-Gen, obwohl dies schon seit über 6 Jahren bekannt ist) auf den Markt kommt, dann kann die Cochlear Ltd. einpacken.

  11. Was für ein Patent meinst Du denn genau? Hättest Du da einen Link?

  12. Kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz vorstellen, dass da aktiv versucht wird, die Entwicklung zu bremsen, da eine entsprechende Therapie auch wieder enorme Gewinne versprechen würde (dann kostet halt die Therapie 100.000€ pro Patient).
    Man darf aber auch nicht vergessen, dass zwischen den ersten Durchbrüchen und der „marktreifen“ Therapie, sofern es sie geben wird, noch einige (wahrscheinlich eher: viele) Jahre vergehen werden. Auf Basis von Durchbrüchen, die in den Medien berichtet werden, müsste z.B. Krebs oder HIV schon seit Jahren geheilt sein. Diese Durchbrüche sind sicherlich in den jeweiligen Forschungsrichtungen von großer Bedeutung und werden dort auch entsprechend gewürdigt, allerdings sind versprechen die Medien dort häufiger Sachen, die so noch nicht realistisch sind (es sind halt Meilensteine auf dem Weg zum Ziel, das aber trotzdem noch in der Ferne liegen kann).
    Und dann ist auch wieder fraglich, ob und wie gut das Gehör damit wird. Momentan ist die einzige, realistische Therapie das CI und ich denke nicht, dass sich das in den nächsten zehn Jahren ändern wird.

    Ich bin aber gerne bereit mir das Gegenteil zeigen zu lassen 🙂

  13. Pia Butzky

    Genau: Dass man an Mäusen herum experimentiert, heißt erstmal noch gar nichts. Und sollte sich wirklich eine Genmanipulation *kreisch* beim Menschen als erfolgversprechend für die Innenohrzellen herausstellen, dann wird Mensch sich gründlich überlegen, ob er SOWAS mit sich machen lassen will. Beziehungsweise, die Gentherapie würde dann Eltern von potentiell hörgeschädigten Ungeborenen angeboten, und den Sturm der Entrüstung höre ich jetzt schon (sogar mit CI).

    @ Lars: DU BIST BALD DRAN? Wow.
    Bekommst ein CI? Das wird das Gegenteil von langweilig, kann ich dir versprechen. Du schreibst dann aber auch, wie es so läuft mit dem Ding, ja? Das erste Klirren und Quieken wird ja erst ab ca. Ende September bei dir zu hören sein, wenn du gegen Ende August operiert wirst. Bin sehr gespannt und drücke die Daumen, das alles gut läuft für dich. Als Spätertaubte hatte ich mit CI auch bald Vorteile gegenüber dem Hörgerät bemerkt, aber das dauerte einige Monate *stöhn*. Wird bei dir sicher auch mit der Zeit einiges (wieder)bringen, denke ich. Aber am Anfang klingt es besch…, das ist normal.

  14. @Pia: Derzeit habe ich noch keinen Termin, die Entscheidung für das CI (bzw. zwei, wenn wir es bei der KK durchbekommen) ist aber schon gefallen. Wunschtermin wäre bei mir Ende September/Anfang Oktober.

    Auf das CI an sich und das Neulernen des Hörens bin ich auch schon gespannt, vor der Operation habe ich aber einen riesengroßen Respekt. Wobei die OP-Methoden ja mittlerweile schon ziemlich schonend sein sollen und ich bei der Voruntersuchung in Hannover zwei Zimmergenossen hatte, die am Morgen/Mittag operiert wurden und am Abend schon wieder durch das Zimmer gewandert sind.

    Ich denke aber wirklich auch darüber nach, ein Blog mit den ganzen Erlebnissen zu füllen. Wenn ich eins gründe, sag‘ ich aber Bescheid (mit Erlaubnis des Hausherren) 🙂

  15. @nqlb: Hier den Link: http://www.patent-de.com/ap13555.html – ist bislang nur Cochlea Ltd. eingetragen worden, bisher konnte ich noch nichts von Atoh1-Gen finden.

  16. Lars, Hausherr? Welcher Hausherr? Hätte ich wo Bescheidsagen müssen? 🙂 Aber bitte, sag Bescheid, falls es was zu lesen gibt.

    hewritesilent, dankeschön! Ich würde mal vermuten, dass es schon erste Grundlagenpatente für regenerative Methoden gibt (ohne jetzt gesucht zu haben). Denn von diesen Methoden (oder besser: Ideen/Forschungsrichtungen für Methoden) gibt es ja mehrere, zB auch welche, die CIs verwenden. Sobald irgendein Forscher irgendwas machbares gefunden hat, ist der erste Gang der zum Patentamt.

  17. @Lars: Zum Einfluss des CIs auf die Kultur der tauben Menschen hast du nicht geschrieben, sondern nur zu deiner Einstellung gegenüber der Gebärdensprache. Eigene persönliche Entscheidung für das hörende Leben ist natürlich in Ordnung. Mich interessiert, ob du auch Englisch und Französisch ablehnst und dich nur mit deutscher Sprache ausdrückst?

    @nqlb: jetzt bin ich etwas genauer. Sprachen können nur mit Menschen, die sie sprechen (sowohl gebärden als auch lautsprechen) und an weitere Generationen weitergeben, weiter existieren. Eine Sprache ist dann gefährdet, wenn sie nicht mehr an die nächste Generation weitergegeben wird. Eine sehr hohe Anzahl der tauben Kleinkinder werden heute implantiert. Fachärzte, Forscher und Pädagogen sind sehr interessiert daran, den tauben Menschen „Gehör zu schenken“, auch wenn sich viele kulturelle Menschen dagegen wehren. Es gab viele Proteste. Den Fachleuten ist es eben egal.

    Heute werden implantierte Kleinkinder auch kaum von der Kultur der tauben Menschen und von der Gebärdensprache erfahren. (Zwischenbemerkung: Kulturelle Identitätsförderung der tauben Menschen ist seit wenigen durch neue UN-Behindertenrechtkonvention Jahren Menschenrecht geworden.)

    Mein Standpunkt ist, dass Erwachsene frei entscheiden können, ob sie sich implantieren lassen oder nicht. Kleinkinder können aber nicht selbst entscheiden. Ich lehne die „Therapisierung“ der Taubheit bei Kleinkinder also ab.

    Meine Frage ist also, was du zu dieser Entwicklung und zu diesem schwierigen Thema sagst. Ich bin an einer Zusammenarbeit mit Menschen mit CI zu diesem Thema interessiert.

  18. Du interessierst dich dafür, wie Menschen, die mal Hörreste hatten und diese verloren, nun das CI empfinden, Benedikt? Wie du ja weißt, wird dieses Blog von so einem Betroffenen (*ähm, ich nenn dich jetzt mal so, NQLB*) betrieben.

    Damit du verstehst, wie Menschen mit Gehörverlust zu dem CI stehen, brauchst du dir nur Folgendes vorzustellen:

    Wenn du blind werden würdest, wie würdest du dann über eine einoperierte Seh-Prothese denken, die dir das Sehen zum Teil wieder zurück bringt? Hypothetisch gefragt, denn diese Seh-Prothese mit vergleichbarer Leistung wie ein CI gibt es leider noch nicht. Aber sie würde wohl die Kultur der Blinden zerstören, sobald sie entwickelt wird, oder?

    Wenn du selbst sehend bist und das gut findest, würdest du dir wünchen, bei einem Sehverlust eine medizinische Hilfe zu bekommen. Und du würdest das auch ernsthaft für dein Kind wünschen, wenn es blind wäre und eine Pothese machbar wäre. Das ist verständlich.

    Leider gibt es keine Hilfe bei Erblindung.
    Aber es gibt Hilfe bei Ertaubung: Das CI ist für Leute, die das Hören verlieren und schmerzlich vermissen. So wie du dein Sehen bitter vermissen würdest, wenn du erblinden würdest. Du würdest eine technische Hilfe annehmen, wenn sie vorhanden wäre. Wird es jetzt verständlich für dich, was manche Menschen mit dem CI erleben und erhoffen?

  19. @Pia: Die Hilfe für die Erblindung ist auch schon in der Entwicklung und es gibt bereits erste Anwendungen bei Menschen (siehe z.B. http://www.telegraph.co.uk/health/healthnews/8105605/Eye-implant-allows-the-blind-to-see-again.html). Ich denke, dies wird der nächste große Entwicklungszweig bei Implantaten.

    @Benedikt: Um schon von Anfang an die Fronten klar abzustecken: Wenn ich gehörlose Kinder bekommen würde (relativ unwahrscheinlich, da es bei mir höchtwahrscheinlich nicht genetisch ist), würden diese CIs bekommen. Dies hängt damit zusammen, dass sich der Gehörsinn nur entwickeln kann, wenn auch entsprechende Stimulation vorhanden ist und eine Implantation im Erwachsenenalter daher sehr viel schlechtere Aussichten auf Erfolg hat, als dieses im Kindesalter der Fall ist. Auch bei der Implantation von Spätertaubten spielt die Dauer der Ertaubung ja eine Rolle und die Therapieerfolge sind umso besser, desto kürzer der Hörverlust war. Bei einer Implantation im Kleinkindesalter ist zudem der „natürliche“ Spracherwerb möglich (nicht immer, aber die Chance ist zumindest da), mit allen seinen Vorteilen für das spätere Leben. Ich würde in diesem Fall allerdings sicherlich auch Gebärdensprache als Unterstützung benutzen (mal abgesehen davon, dass ich auch bei einem hörenden Kind Gebärden einsetzen würde, da Kinder Gebärden schon früher als Sprache beherrschen).

    Jetzt zu deinen Punkten: Englisch und Französisch lehne ich nicht ab und kann auch beide Sprachen (wobei man „können“ bei Französisch sehr relativieren muss; die Sprache liegt mir nicht). Im Englischen bin ich mittlerweile ziemlich fit und habe keine Probleme mit englischen Texten oder Filmen (sehe mir englischsprachige Filme und Serien seit ca. 10 Jahren nur noch im O-Ton mit engl. UTs an…). Die Gebärdensprache lehne ich im übrigen auch nicht ab, auch wenn Du versuchst mir das in den Mund zu legen, sondern sage, dass sie für mich nicht in Frage kommt. Sprachen sind für mich ein Hilfsmittel zur Kommunikation und somit nur ein Mittel zum Zweck. Englisch habe ich seinerzeit gelernt, da es zunächst in der Schule Pflicht war und danach habe ich es weiter vertieft, da ich es auf jeden Fall in meinem Beruf brauche (wenn man als Informatiker kein Englisch kann, hat man ein enormes Problem). Der Weg von der 4 in Englisch zu flüssigem Lesen und Verstehen war aber sehr lang. Französisch war damals ebenfalls Pflicht in der Schule und wir haben damals in den Ferien dort immer Urlaub gemacht – das Land finde ich nach wie vor toll, die Sprache kann ich quasi nicht mehr. Die Gebärdensprache wäre jetzt wieder eine komplett neue Sprache mit eigener Grammatik, die ich lernen müsste, obwohl es in meinem Fall nur darum geht, einzelne Wörter durch Gesten/Mimik zu ersetzen. Da ich kein Naturtalent im Spracherwerb bin, ich keine anderen Gehörlosen kenne und mein kompletter Familien-/Freundes-/Bekannten-/Arbeitskreis hörend ist, kommen daher eher die lautsprachbegleitenden Gebärden in Frage (diese kann man ja mit der Formel: jeden Tag eine neue Gebärde lernen).

    Zu Deinen Vorwürfen, dass die Kinder hörend gemacht werden (und ich würde dies ja ebenfalls machen): Hörende Eltern werden alles dafür tun, dass ihre Kinder wieder hören können. Der Unterschied zu früher ist, dass es heute die technischen Möglichkeiten gibt, die dieses – mit Einschränkungen – erlauben und die den Kindern die Chance geben, hörend aufzuwachsen. Bei gehörlosen Eltern sieht dieses sicher anders aus und ich respektiere die Entscheidung der Eltern dann auch. Ich halte halte ebenfalls wenig davon, wenn das Jugendamt dann einschreitet (der Fall ging ja vor einigen Monaten durch’s Netz).
    Wenn man von diesem einen Fall absieht, ist mir aber nicht bekannt, dass Patienten ein CI gegen ihren Willen bzw. den Willen ihrer Eltern bekommen haben. Ärzte zeigen Möglichkeiten auf, sind evtl. auch an den mit CIs verbundenen Umsätzen interessiert und können durchaus auch ihre eigene Meinung vertreten, die endgültige Entscheidung liegt aber beim Patienten. Wenn sich jetzt Leute darüber beklagen, dass durch diese Therapie eine Kultur zerstört wird: Das mag sein; Ärzte sind aber keine Kulturwissenschaftler, sondern haben ihre Qualifikationen auf anderem Gebiet. Oder sollen sie bei einem Beratungsgespräch sagen: „Wir möchten Sie aber darauf hinweisen, dass Sie mit der Entscheidung für ein CI die Gehörlosenkultur schädigen.“ – Aber selbst wenn dieses so geäußert würde: Bei den meisten Eltern hörender Kinder würde das Argument überhaupt nicht ins Gewicht fallen.

    Was mich bei dieser ganzen Diskussion um Kulturen aber immer fasziniert: Kulturen haben sich schon immer verändert und nicht selten waren technologische Fortschritte Auslöser davon (man denke an die industrielle Revolution oder die Umbrüche, die das Internet in den letzten 20 Jahren ausgelöst hat). Die Gehörlosenkultur muss entweder akzeptieren, dass es CIs gibt und diese Träger dann auch aufnehmen (momentan scheint es da ja teilweise große Ablehnung zu geben) oder sie muss sich in ihr Schicksal fügen und langsam aussterben.

    Zu dem letzten Punkt: Die Entscheidung auf einen späteren Punkt zu verlegen mag bei Religion eventuell funktionieren („Wir taufen nicht – unser Kind soll sich selbst dafür entscheiden“), bei CI ist das aber nicht praktikabel. Wer als gehörloser aufgewachsen ist und dann ein CI bekommt, kann – soweit ich dieses weiß – nie so gute Ergebnisse erzielen, wie jemand, der bereits als Kleinkind implantiert wurde. Somit ist, in meinen Augen, die Kleinkindzeit der einzige wirklich sinnvolle Zeitpunkt, um die Entscheidung für oder gegen ein CI zu treffen und zu hier sind dann die Eltern gefragt.

    Das ganze ist jetzt ein längerer Text geworden, als ich gedacht habe und ich hoffe, dass man meine Argumentation und Beweggründe nachvollziehen kann. Das ganze ist aber ein sehr kontroverses Thema und es gibt viele Sichtweisen, die alle ihre Berechtigung haben und die sicher auch von den individuellen Lebenswegen geprägt werden.

  20. Benedikt und Lars, die Wahrheit hinter dem gaaaanzen laaaangen Geschreibsel ist: Hören ist einfach schön. 🙂
    Deshalb mögen wir das. Ganz einfach.
    🙂

  21. Benedikt, danke, jetzt weiß ich besser was Du wissen möchtest. Ich denke, es ist besser ich überlege mal kurz bevor ich antworte. Das werde ich in den nächsten Tagen in einem extra Post tun, okay?
    Sagen kann ich schonmal: Ich weiß nicht, an was für einer Form von Zusammenarbeit Du interessiert bist, aber prinzipiell: gern. Sag einfach Bescheid.

    Vielleicht auch besser in dem kommenden Eintrag zu besprechen, aber ich antworte trotzdem mal hier, liebe Pia: Den Vergleich mit der Blindheit halte ich für nur halb treffend. Es geht Benedikt ja aber nicht um Gehörlosigkeit, sondern um die Kultur der tauben Menschen und Gebärdensprache. Blindheit ist vergleichbar Gehörlosigkeit, aber zu Gebärdensprache und der darauf beruhenden Kultur gibt es kein Äquivalent. Braille jedenfalls ist keins, soweit ich sehe.

  22. Das Problem liegt hier gerade, dass Taubheit an sich und das Taubsein als ganz Unschoenes dargestellt und das Hoeren zu sehr verherrlicht wird, wie Pia das ausdrueckt und von der CI-Industrie und den HNO-Aerzten verstaerkt wird.

    Nichts gegen die Ertaubten, die die Taubheit als Verlust und schweres Leid empfinden und danach nach einer medizinischen Behandlung suchen. Taubheit ist fuer sie einfach „Krankheit“, wofuer eine Pille geben musste. Sie sind kulturell noch hoerend. Niemand hat gegen die Ertaubten gezetert, ein CI zu bekommen. Sie sind in unseren Reihen stets willkommen, wenn sie in unserem gesellschaftlichen Anliegen nicht entgegentreten. Ich vermisse leider von einigen, das Verstaendnis und Beherzigung des Standpunktes, dass Taubsein ganz in Ordnung und lebenswert sei. Wir vernehmen zusehr, sie sind auf der Werbungsmuehle der CI-Industrie geraten worden.

    Letztendlich ist Taubheit nur ein Zustand des Lebens, keine Krankheit! Und zwar ist sie kulturerzeugend und -foerdernd, welche keine andere koerperliche Andersartigkeit das zu hervorbringen imstande ist. Frueher haben Spaetertaubte das Taubsein beherzigt, wie z.B. ein Spaetertaubter J. Mounty in den 19. Jahrhundert ein Gedicht schrieb mit dem Titel, „The Merry Mute“ und Dr. King, dem ehemaligen Praesidenten der Gallaudet Universitaet, einem TV-Interviewer sagte, er wuerde eine Hoerpille nicht nehmen. Aber heute herrscht leider der Audismus zu stark, um jemanden, besonders ein Kind, im Taubsein zu lassen.

    Larses Ausspruch „[die GL-Kultue] muss sich in ihr Schicksal fügen und langsam aussterben“ zeigt schon die Mentalitaet, dass es einerlei sei, ob diese Kultur weiterbestehen soll oder ausstirbt und die Menschheit nur aus Hoerenden besteht. Stellt euch mal vor, die Welt bestehe gaenzlich aus Hoerenden! Bestimmt eine oede Welt, wie ein Wald nur aus Fichtenbaeumen, die nicht kennt, was taube Menschen an Menschlichkeit und Menschsein zur Zivilisation bringen koennen. Diese Kenntnis waere dann in der Menschheit wegen Audismus unterbunden und bleibt dort unbekannt. Eine HNO-Professor Dr. K. Schorr scrieb jubelnd in einem Apothekenjournal, dass Gebaerdensprache ein Relikt der Geschichte sein wuerde.

    Die Behauptung, das CI muesse frueh wie moeglich bei tauben Kindern eingesetzt werden wegen des Benefits von frueherer audiologischer Stimulation ist wissenschaftlich nicht rein, die Schlussfolgerung ja Spekulation. Sogar wenn die Behauptung stimmen wuerde, warum denn muessten taube Kinder unbedingt hoerend sein?! Nur weil hoerende Eltern aus Audismus die Existenzberechtigung und den menschlich-kulturellen Wert von tauben Menschen ablehnen und nicht verstehen wollen, dass taub zu sein eine menschliche, der Hoerenden ungewoehnliche Lebensform sei, lebenswert und eine existentielle Berechtigung verdient. Die Vorstellung von vermehrter Lebensqualitaet durchs Hoeren und erhoehten Moeglichkeiten in der hoerenden Gesellschaft ist basiert auf Vorurteilen, die annahmen, dass das Leben mit Hoeren unbedingt besser sei und Menschen einfach stur, unfaehig und inflexibel auf Andersartige reagieren wuerden, nicht an einer aufgeklaerten Menschheit wirken moechten, und das Taubsein als eine berechtigte Lebensform weder akzeptieren, noch beherzigen wuerden. Es gibt Kulturen, die die Taubheit als Normales betrachten und die Gebaerdensprache haeufig benutzen. Das Problem liegt hier auf den Mangel von Wertrelativismus des Hoerens. Dass die Ertaubten wieder hoeren moechten, basiert ganz auf Taubheit als VERLUST. Das ist gar nicht verwerflich und vollkommen verstaendlich. Es gibt kein Verlust-Empfinden fuer diejenigen, die die Taubheit anders kennen. Dies muss respektiert weren, was von der Industrie und von den Proselyten nicht getan wird.

    Wenn das Kind schon taub ist, solle seine Taubheit und das werdende Taubsein vollkommen repektiert werden. Sein Taubsein darf nicht medizinisch bekaempft werden! Sonst beitraegt man zum kulturellen Volksmord, zu einer Endloesung der Taubstummenfrage.

    Warum will man nicht die Gesellschaft lernen lassen, die Taubheit und das Taubsein als Beitrag zur kulturellen Vielfalt der Menschheit in ihren Reihen zu beherzigen und zu foerdern?!

  23. Also, ich hab ja schon öfter betont, daß ich nichts dagegen habe, Kinder ohne CI zu lassen (in den Kommentaren zu dem Text, den bengie hier verlinkt hat, war z.B. davon die Rede, daß die Ablehnung eines CI Kindesmißbrauch gleich käme – das fand ich schon einen Hammer).

    Aber daß die Welt komplett öde würde, nur weil auf einmal die Taubheit fehlt – das wage ich jetzt doch mal zu bezweifeln bzw. finde das extrem übertrieben.
    Ich würde zustimmen, daß die Gebärdensprache und die damit verbundene Kultur eine Bereicherung sind – von deren Bestand aber nicht abhängig ist, ob die Welt noch interessant ist; dafür gibt es genug andere Vielfalt.
    Es sind schon genug andere Sprachen ausgestorben, – findet jetzt irgendwer die Welt langweilig, wenn es demnächst kein Saterfriesisch mehr gibt? Ich glaube kaum.
    Fakt ist doch, daß die meisten Hörenden ihr Leben ohnehin ohne Kontakt zu Gehörlosen, deren Sprache und Kultur leben – demnach müßten die ja alle ein todlangweiliges Leben führen, und das ist definitiv nicht so. Und diesen Hörenden würde die Gehörlosigkeit auf der Welt sicherlich entsprechend auch nicht fehlen.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Leute, Ihr seid interessant, Ihr habt absolut Eure Daseinsberechtigung und seid in meinen Augen gleichwertig mit allen anderen – aber Ihr seid nicht der Nabel der Welt. 😉

    Davon mal ab, ich glaube nicht, daß die Gebärdensprache ausstirbt. Es gibt doch immer noch Leute, für die ein CI aus anatomischen Gründen nicht infrage kommt (von den kulturell dagegen eingestellten Gehörlosen mal ganz zu schweigen) – wie sollen die denn sonst kommunizieren als per Gebärdensprache.

  24. Ich greife nochmal kurz Pias Hinweis oben auf, dass Hörende hören wollen weil es schön ist. Er zeigt nämlich, glaube ich, ganz gut einen wichtigen Grund, warum sich die Diskussion immer im Kreis dreht und die Kluft zwischen den Fronten so groß ist:

    Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Sie hat was mit Gefühlen, mit Gewohnheit, Sozialisation und Emotionen zu tun und ist darum rationalen Argumenten nicht zugänglich. Gefühle können wegdiskutiert werden. Im Hintergrund (oder vielleicht besser: Untergrund) der politischen Argumentation stehen hier immer wieder ästhetische Urteile gegeneinander, in diesem Fall über Lebensstile. Das ist eine gefühlsmäßige Sache. Und es wird immer wieder gesagt (oder so verstanden als würde es gesagt): Was Du findest/fühlst ist doof. Fühle gefälligst (oder doch bitte) anders!

  25. @pia:
    Es gibt lange Kabel. Diese werden aber standardmäßig nicht mitgeliefert. Unser Sohn wollte das CI zu Beginn partout nicht tragen, so dass wir von Chochlear ein ca. 40 cm langes Kabel bekommen haben (Preis! 174EUR wurde von der Krankenkasse übernommen. Ist aber wohl nicht immer so. Bei uns gab es ja einen guten Grund!) Ich weiß, dass es von Medel auch ein solches Kabel gibt.
    Diesen Punkt kannst du also schonmal von deiner Liste streichen. 🙂

    Und der neue Soundprozessor von Chochlear ist zwar nicht richtig wasserdicht, aber nah dran. Uns wurde gesagt, wenn das Ding mal ins Wasser fallen würde wäre es nicht so schlimm. Wir haben uns allerdings noch nicht getraut das zu testen. Heute morgen hätte es der Kleine beim wickeln fast geschafft einen ersten Test in dieser Richtung durchzuführen.
    Ich kann mir vorstellen, dass kommende Generationen da noch besser werden. Auch die aktuelle Prozessorgeneration ist im Vergleich zur vorherigen deutlich kleiner geworden.

  26. Danke für den guten Tipp, Tastybytes! Wenn es das Kabel für Kinder gibt, kann ich es vielleicht auch bekommen. Ein kindliches Gemüt habe ich jedenfalls. 🙂

    @ Benedikt, wie ich erfreut lese, hast du verstanden, dass ich mein Hören, das ich von Geburt an kenne, sehr mag und natürlich auch (wieder) erhalten möchte. Dieses Empfinden kannst du sicher über den Brückenvergleich „Sehen und Blindheit“ nachvollziehen, denn das wird dir auch sehr wertvoll sein. Geht klar. Damit verstehen wir uns gegenseitig.

    Dass dir deine Gebärdensprache und -kultur wertvoll ist, das kann ich auch nachvollziehen, also lebe sie einfach und frage nicht rundherum andere (die sich damit gar nicht auskennen), nach ihrer Meinung dazu. Lebe drauflos, mach dich locker. Du brauchst doch von CI-Trägern keine „Meinung“ zur Gehörlosenkultur. Wozu ???

    Auch NQLB, der weiter oben so oberlehrerhaft spitzfingrig was von „Sozialisation und Emotionen“ doziert, meinte damit eigentlich nur: Er findet Hören einfach geil und hatte fette Depressionen wegen seiner Ertaubung. Es ging ihm richtig mies mit dem Hörverlust. Er war öfter am Verzweifeln, schrieb er mal.

    Wir sind alle echt und keine abstrakten Diskussionshülsen.
    Mir ging es schwerstschlecht ohne das CI, aber den Untergang der Gehörlosenkultur habe ich nicht an der Backe, bloss weil ich mit dem CI glücklich bin. Verstehste?
    😉

  27. Kurz ein kleines Offtopic:
    Hallo Yakamoz, Deinem Posting im gl-cafe (im für alle sichtbaren Bereich, wo man nicht angemeldet sein muß) entnehme ich, daß Du hier mitliest.

    Wär nett, wenn Du meine Antwort auf Hartmuts Posting vollständig zitieren würdest – die beiden letzten Absätze dabei. So selektiert wie in Deinem Posting klingt das ziemlich ablehnend den Gehörlosen gegenüber, auch wenn Du das mit der Bereicherung mit rübergezogen hast.
    Und so ist es nicht gemeint – sollte nur das Allzu-wichtig- nehmen etwas relativieren. 😉

    Danke schön!
    Liebe Grüße vom Regenbogen 😉
    (früher im gl-cafe Rainbow; nicht identisch mit dem dortigen „Regenbogen“)

  28. Übrigens bezog sich mein Posting auch nicht auf den von Dir zitierten Abschnitt aus Hartmuts Posting, sondern auf folgenden Satz:

    „Stellt euch mal vor, die Welt bestehe gänzlich aus Hörenden! Bestimmt eine öde Welt, wie ein Wald nur aus Fichtenbäumen, die nicht kennt, was taube Menschen an Menschlichkeit und Menschsein zur Zivilisation bringen können.“

    – Die Menschlichkeit, die sie bringen können, dürfte m.E. im Charakter der jeweiligen Person begründet liegen. Ist sie taub, gehört das Taubsein halt zu ihr, aber sie wäre genauso menschlich, wenn sie nun hören könnte.

    – Fehlen kann einem nur das, was man kennt (siehe den Gehörlosen das Hören – fehlt vielen ja auch nicht.).
    Wenn ein Mensch stirbt, wird ja darum auch nicht der Großteil der Weltbevölkerung sagen, das Leben sei ärmer geworden, sondern nur diejenigen, die mit dem Toten persönlichen Kontakt hatten und ihn geliebt haben. DIE werden seinen Verlust natürlich schmerzlich spüren (obwohl in der Regel nach der Trauerphase auch das Leben weitergeht – um eine liebe Person ärmer, aber dennoch weiterhin lebenswert, weil es noch so viele andere Menschen gibt.).

    Würde die Gebärdensprachkultur aussterben, würde sie wohl von denen vermißt, die in ihr gelebt haben, sowie von den Hörenden, die sie zumindest ein bißchen kennengelernt und sich für sie begeistert haben. Aber wie sollte der große Rest, der nie im Leben Kontakt mit Gehörlosen bekommt, sich dafür interessieren, ob es nun Gebärdensprache gibt oder nicht?

  29. @Benedikt und Lars: Wie passt es zusammen, dass DGS eine eigenständige autonome Sprache ist, wo doch viele Gebärden vom lautsprachlichen Mundbild begleitet werden? Bin gespannt auf eure Gedanken. 😉

  30. @Regenbogen Wenn die Gebärendsprachkultur aussterben würde, dann würde dies ja parallel mit den Sprechern passieren. Sprachen/Kulturen sterben ja nicht dadurch aus, dass alle kollektiv beschließen, dass sie jetzt eine andere Sprache und Kultur verwenden, sondern dadurch, dass die Teilnehmer an dieser Kultur weniger werden (aus welchen Gründen auch immer) und es dann irgendwann keine aktiven Mitglieder mehr gibt. Insofern gibt es ja keine aktiven Teilnehmer, die sie aktiv vermissen können.

    @hewritesilent Die Gebärdensprache hat eine eigene, von der Laut- und Schriftsprache unabhängige, Grammatik und eigene „Vokabeln“. Das macht für mich die Gebärdensprache zu einer eigenständigen Sprache, die aber natürlich nicht im Vakuum existiert, sondern auch von der dt. Laut- und Schriftsprache beeinflusst wird. Das das lautsprachliche Mundbild dann teilweise dazu genommen wird steht dem Sprachstatus also nicht im Wege.

  31. @Lars:
    In dem Sinne, ja.
    Wenn es allerdings immer weniger Leute werden, die DGS und Gehörlosenkultur praktizieren, dann werden sich, sagen wir mal, so und so viele Vereine auflösen oder was auch immer. Und die verbleibenden aktiven Mitglieder werden das natürlich bedauern.

    Vielleicht als analoges Beispiel:
    Aus den Kirchen treten ja immer mehr Leute aus, nicht nur wegen der Kirchensteuer, sondern auch, weil immer weniger Leute gläubig sind – jedenfalls im hiesigen Kulturkreis.
    Das führte schon zu Kirchenschließungen, Bindungen an die eigene Ortskirche gehen kaputt, weil man jetzt in die weiter entfernte Zentralkirche einer Großpfarrei muß, der Pfarrer hat immer weniger Zeit und kennt seine Leute gar nicht mehr etc.
    Klar, wenn eines Tages hier z.B. der letzte Katholik gestorben ist, fehlt die Kirche niemandem mehr.
    Aber bereits jetzt tun die Änderungen den noch aktiven Kirchenmitgliedern schon weh.

    Verstehst, was ich meine?

  32. @hewritesilent:
    Ist Deutsch keine eigenständige Sprache mehr, weil es Wörter aus dem Französischen und Englischen enthält? 😉 Ist vielleicht kein vollständiger Vergleich, aber es geht in die Richtung. Es gibt auch viele Gebärden in DGS, die kein deutsches Mundbild haben.

    Ansonsten habe ich das Gefühl, dass es auch „Schuld“ der Gehörlosen selbst ist, dass CI-Träger wenig Interesse an der Gebärdensprache und GL-Kultur haben. Wie kann man sich in einer Gemeinschaft wohl fühlen, in der man sich immer rechtfertigen muss? Ich mein das nicht böse. Aber die Fronten sind doch sehr verhärtet … Es fällt manchen Leuten so schwer, den Lebensstil und die Entscheidungen von anderen zu respektieren.

  33. Allerdings. Dieses Gefühl, es besser zu wissen. Oder auch nur die Unfähigkeit das Eigene zu relativieren. (Denn das ist ja die Folge, wenn man das Andere anerkennt.)

  34. Pingback: Elektrische Ohren: Nachteile? Welche Nachteile? | Not quite like Beethoven

  35. Pia Butzky,

    es war nicht meine Absicht, euch (den spätertaubten Menschen) von der Schönheit der Gebärdensprache zu überzeugen. Es war mir schon klar, daß ihr (wieder) hören wollt. Das würde ich bei einem Sehverlust ja ähnliches denken.

    Mir geht es vor allem um taube Kinder. Welchen Weg sie haben sollen, entscheiden ihre Eltern. Momentan haben hörende und ertaubte Menschen stärkeren Einfluss auf ihre Entscheidungen als taube Menschen. Taube Menschen werden heute noch nicht ernst genommen, auch wenn sie am besten wissen, wie die angeborene Taubheit ist. Auch kein ertaubter Mensch kann sich ausmalen, wie es ist, ein angeborener tauber Mensch zu sein. Die angeborene Taubheit ist nicht identisch mit späterem Hörverlust. Ein angeborener tauber Mensch hat stärkere entwickelte Sehfähigkeit, die der von hörenden Menschen überlegen ist.

    Dir ist vielleicht nicht ganz bewusst, dass gerade ihr ertaubte Menschen Einfluss auf den Diskurs über die Taubheit habt. Der Vorstand der DCIG ist voll von spätertauben Menschen.

    Der „Streitpunkt“ ist also der Weg der tauben Kinder. Was hält ihr davon, wenn taube kulturelle Menschen das CI für erwachsenen und spätertaubten Menschen anerkennen und unterstützen (was ich auch längst tue) und Spätertaubte das Leben ohne CI und mit Gebärdensprache bei tauben Kindern anerkennen und unterstützen?

  36. „Taube Menschen werden heute noch nicht ernst genommen“

    – von wem meinst Du jetzt konkret?
    Von den Ärzten, die den Eltern die Empfehlung zur Implantierung geben?
    Denn von den Eltern selbst würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Denen fehlen vermutlich – zumindest zu einem Großteil – die Kontakte zu von Geburt an Gehörlosen, so daß die einfach nicht informiert genug sind.
    Bei den Ärzten würde ich Dir zumindest zu einem Teil (auf dessen Größe ich mich jetzt nicht festlegen mag, dafür müßte ich die Ärzte persönlich einschätzen können) zustimmen.

  37. Pingback: „Da sind ja überall Menschen!“ — Was das elektrische Ohr mit dem Tabakladen gemein hat | Not quite like Beethoven

  38. Hi Benedikt, gerade erst lese ich verspätet deinen letzten Kommentar.
    Schade, dass du uns nichts von der Schönheit der Gebärden mitteilen kannst, aber neugierig macht mich das schon!

    Das ganz andere Erleben von Gehörlosigkeit und Taubheit ist mir völlig klar – zwei verschiedene Welten, keine Frage. Und dass alle Eltern selbst ohne Druck von außen für ihr Kind und ihre Familie entscheiden sollen, das haben die meisten hier in Beethovens Blog doch schon alle auf der Fahne stehen und wedeln pausenlos damit rum. Du rennst offene Türen ein.

    Was ich aber nicht verstehe, ist dein Anliegen an CI-Träger, „solidarisch“ zu sein, um … ja was denn eigentlich zu tun? Irgendwelche fremden CI-Träger haben doch gar nichts mit einer gehörlosen Familie zu tun, die womöglich gerade für sich die Entscheidung „CI – ja oder nein“ treffen wird. (Einen Verbandsvorstand gibt es hier nicht, da bist du falsch. Dies ist Beethovens rein privater Blog.) Da besteht doch gar keine Verbindung geschweige denn Einflussnahme. Also, was möchtest du nun genau? Solidarität?

    Was nützt dir großartiges Pathos à la: „Wir, die Gemeinschaft der CI-tragenden Mitmenschen und Mitmenschinnen Utschelands erklären hiermit unsere uneingeschränkte solidarische Verbundenheit mit dem tapferen, unterdrückten Volk der Gehörlosen in ihrem unermüdlichen Kampf um Selbstbestimmung und Wahlfreiheit, und geloben hiermit auf das Unverbrüchlichste unsere freundschaftliche Solidarität im Kampf gegen die übelwollenden, unterdrückerischen CI-Befürworter“. Sowas in der Art? Bringt das irgendwem jetzt was?

    Da denke ich mal, „die Schönheit der Gebärden“ – das ist ausbaufähig!!! Videos, Bilder, Kunst, Projekte im öffentlichen Raum, happenings, Flash Mob von Gebärdensprachlern, Theater, Freches und Schönes, Bücher, Zeichnungen, Kurse für Erwachsene und Kinder als Freizeitangebot (nicht nur Kurse für sonderpädagogische Berufshelfer) – mehr Spaß, mehr Schönes, mehr Lockerheit. Mehr Gebärden im täglichen Leben, mehr Sichtbarkeit, mehr Hipness. Nicht jammern, sondern begeistern. Und das läuft doch gerade erst an. Mehr davon!

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